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sogar sehr Gutem leistet. <Ls wäre unbillig, schou
jetzt das ihuen für den Augeublick noch Unmögliche
voll zu verlangen. An Mahnungen, fortan nach
Rräften die Berufserfüllung anzustreben, wird es vor-
aussichtlich auch in Zukunft nicht fehlen, wenigstens
nicht an solchen aus den Areisen der wirklich charakter-
festen Runstfreunde, trotz oder vielmehr just wegeu
des hinkenden Friedenschlusses nicht. Lolche Mahn-
ungen sind wohl am jAatze, wenn nicht als Nachweh
der rasch verflüchteten Gährung schließlich im Theater
gar das Gegenteil von dem voll gedeihen solh
was die „Genossenschaft" bis zum Blütenmonat des
vorigen Iahres für die Bühnen-Runst sichern zu
wollen schien. Liegt doch die Gefahr, weniger als
Nichts zu erreichen, überhaupt allen denfenigen Streitern
erstaunlich nahe, von denen schon auf halbem Lvege
die Gewährung des Rampfobjektes dem guten willen
des Gegners wieder anheimgestellt wird! Lpäter
vielleicht mehr hiervon. Zum Thema, dessen Rlar-
legung ich heute versuchen wollte, gehört es vorerst
nicht, da das bindende Lchlußwort des „Bühnen-
vereins" noch aussteht. Georg Ilröberle.
Allaemeineres. HvUNd 9 U.
Über VllUSLN brachte kürzlich Gskar Bie
eine Neihe von Bemerkuugen in der „Tägl. Nund-
schau", über j)ausen als künstlerisches Ausdrueksmittel
„durch den Mangel des erwarteten positiven." „Zch
will von der Niusik ausgehen, von der ich mir auch
den Namen «j?ausen» nehme. Natürlich ist es hier
nicht die j)ause, welche da und dort im Fortgange
des Stimmengewebes den melodischen Lluß zertrennt,
— diese jDause ist eine ganz naturgemäße Lorderung
der herrschenden rhythmischen Gesetze. Ts handelt
sich um die j)ause im höchsten Sinn des IVortes, um
diejenige, welche das steigende Aufrauschen einer
Niassentonflut in dem 2lugenblick grausam einschneidend
unterbricht, wo wir im Gegenteil erwarten, der höchste
Moment der Steigerung sei gekommen und der ganze
Grchesterkörper breche in ungehaltener Nraft heraus.
Die Niusiker nennen diese j)ause die «Generalpause».
Vor dem Gipfel angelangt, im nächsten Takte oben
befindlich, schweigt plötzlich die anschwellende Niasse:
einen Nioment herrscht lautlose Schwüle, dann mit
einem Schlage stürmt die zurückgehaltene wut hervor.
Ts ist die drückende Gtimmung, welche vor dem Ge-
witter auf der Landschaft ruht; es ist das künstlich
zurückgehaltene IVasser, bevor e^ in wildem Fall den
Lels herabtost." Der Verfasser erläutert das am
Beisxiele der Niozartischen Zupiter-Symxhonie. „Line
j)ause steht hier auf dem höchsten Gipfel der 2lus-
druckssteigerung. Sie durfte dies nur wagen, nach-
dem die ununterbrochene Forsetzung dieser Linie etwas
so Gewohntes war, daß gerade die Ltörung dieser
Gewohnheit einen gewünschten Lffekt erreichen konnte.
TVir haben hier eines der frühesten Symptome vor
uns, durch die sich der in der natürlichen Runstent-
wicklung stetig steigende Linsluß des negativen Tle-
mentes ankündigt, des Umdrehens der Tradition, des
2lusdrucksvermögens durch Ltörung des 2lltherge-
brachten. Die natürliche Tntwicklung hätte jenen
Leptimenakkord sofort nach T-moll geführt, das Zer-
schneiden derselben erreicht nun noch die größere
kVirkung. Ls ist ein ganz eigentümlicher j)rozeß, daß
die Runst hier gleichsam ihre eigene Vergangenheit
als Ausdrucksmaterial benutzt; denn durcb diese ist
der Zuhörer an den Verlauf der Bewegung gewöhnt,
dessen Unterbrechung nun als Nuttel verwendet wird.
Nkan versteht das Naffinenrent, welches in diesem
kVeglassen des erwarteten j)ositiven liegt.
Das Uunstwerk ist der Verkleinerungsspiegel der
Natur und des Lebens; es giebt diese in kleinerer,
aber auch schärferer und konzentrirterer Gestalt wieder.
Zn der so angewandten Generalpause wiederholt sich
dem empfindungstiefen Zuhörer in prägnanter Form
das Lchauspiel, welches sein ästhetisches 2luge draußen
in der gewitterschwangeren Natur nicht weniger er-
blickt, als in der thatenlosen, schwülen xolitischen Zeit,
die einem dreißigjährigen Rriege voranging. Das
Drama, welches dem Leben am nächsten steht, benutzt
mit besonderem Lrfolge dies Nlotiv der Lchwüle,
das in der dramatischen Tntwicklung unseres Daseins
eine so bedeutende Nolle sxielt. Das Drama in seiner
lebendigen Aufführung erkennt einen seiner größten
Lffekte darin, in dem Augenblicke, wo sich die Ltrahlen
der vergangenen und kommenden Lchicksalsfügungen
wie in einem Brennpunkt treffen, statt des furchtbar
erschüttermden Schreis die noch furchtbarere Lautlosig-
keit, die stunune Lchwüle eintreten zu lassen. Ts
pausirt vor dem Gewitter. IVir stellen uns ein
Schauspiel vor, welches eben an dem j)unkte ange-
langt ist, daß mehrere personen, deren Schicksale
eng ineinander verflochten sind, durch zwingende Nm-
stände zum ersten Nlal zusammengebracht werden; nur
die gegenseitige Verheimlichung hat den Lauf der
Nemesis aufgehalten; ein kvort, und das Verderben
stürzt unaufhaltsam über sie Alle hernieder. Der Zu-
schauer weiß, daß das kommen muß, und er befindet
sich in fieberhafter Lpannung. Aber noch fällt das
entscheidende lVort nicht; die personen verharren
eine Nttnute in tiefem Stillschweigen; Neiner wagt
es, den Fluch auf sich zu laden. Diese schweigsame
Frist vor dem Ausbruch der Natastroxhe, eines der
gewöhnlichsten schausxielerischen NAttel zur Trregung
einer größeren Lxannung, oft schon vom Dichter vor-
geschrieben, — sie entsxricht der musikalischen General-
xrobe aufs Genaueste. Nlehr als die denkbar größte
Gewalt des losbrechenden Lturmes vermag hier das
Nichts, die jDause auf die Leele des Zuschauers
zu wirken. Das wirkungsvollste Niittel ist so für
die Nunst die Vermeidung jedes Nkittels; die Runst
xausirt, sie läßt den Zuschauer für sich weiter arbeiten,
nachdem sie ihn vor einen Gipfelxunkt geführt, der
eine mit Sxannung erwartete Aussicht eröffnet. Lie
läßt ihn vor dem Gixfel stehen, seine j)hantasie ar-
beitet sich allein hinauf, und wenn jene ihn dann
wirklich nach oben gebracht hat, so erfreut sie sich
einer doxxelten kVirkung."
„Die j)ause ist der Gedankenstrich des Trzählers.
Dieser führt uns mit seinen Figuren auf eine Lsöhe,
wo die 2lffekte in wildestem Taumel eine Natastrophe
herbeiführen. Lr erspart sich eine Schilderung dieser
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