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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 4.1890-1891

DOI issue:
Heft 20 (2. Julheft 1891)
DOI article:
Avenarius, Ferdinand: "Volkskunst"
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.11725#0312

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Tvveites Zuli-Dett tSSt.



2O.Ltück.

Lrscbcint

Derausgeber:

zferdiuaud Nveuurius.

Kestellpreis: j

vierteljährlich 2t/z Mark.

„volkskunst".

eder Aritiker kennt die unangenehme Stimln-
ung, in der er sich übersinssig vorkommt. Lin
Gedankengang ist ihm so selbstverständlich
geworden, daß er glaubt, er müsse auch
allen Anderen selbstverständlich sein, die sich nicht un-
gewöhnlicher Beschränktheit erfreuen. So und so viel
Iahre lang hat man für eine Idee gefochten, setzt
denkt man an die tOindmühlen des seligen Spaniers
und wirst verdrießlich die Feder auf den Tisch. Alan
blättert in Zeitungen. Da, richtig, da schreibt schon
wieder Giner über dieselbe Sache. Natürlich im
gleichen Sinne, jeder Vernünstige denkt ja so. Akan
liest weiter. Mas, der Mann denkt anders, und du
kennst ihn von früher her doch als einen vernünftigen
Mann? chnrrah, so ist's — xlötzlich ist man wieder
vergnügt und lebendig; man ist d o ch noch nicht ganz
überflüssig mit seiner Aritisirerei, man hat noch et-
was zu thun.

Zch danke lherrn Or. 2llbert Zlg in wien dafür,
daß er seinerseits mir durch einen Aufsatz in der
„j?resse" jenes lästige Saure-Gurkenzeits-Gefühl ver-
trieben hat.

Lr that es nicht durch einen Zlngriff auf mich
selber. Ich weiß nicht einmal, ob er mich der Nolle
des Esels würdigte, den man meint, wenn man den
Sack schlägt. Sein Aufsatz ist die kritische verdamm-
ung der „Beiträge zu einer Volksknnst", die, von
O. Schwindrazheim herausgegeben, jetzt in chambnrg
bei Garl Griese erscheinen, einer veröffentlichung, die
ich zwar für trefflich halte, an der ich aber durch keiner-
lei Aäitarbeit beteiligt bin. weil jedoch nach Lorm
wie Inhalt die Ilgsche Kritik ganz ungewöhnlich
kennzeichnend ist für den Aampf der Geister um ein
großes Nulturgebiet, um die Aunstübung in chandwerk
und Gewerbe, weil ich wenig Äußernngen kenne, an
denen sich klarer sehen ließe, was hier „Andere" und

was „wir" wollen — deshalb bitte ich meine Leser
zn gestatten, daß ich den Zlgschen Aufsatz abdrucke
nnd kurz bespreche. Gr lautet:

„Nnter dem Titel: «Beiträge zu einer Bolks-
kunst» vcrsendet die ksainburger verlagsanstalt T. Griese
zwei kseftchen, welche sich «volkstiimliches, kunstgewerbliches
Grgan» nennen. Ts sind so jämmerliche, diinne, mit elenden
charbendrucken ausgestattete kseftchen, daß unsere Leser wohl
zu der ffrage berechtigt wären, aus welchem Grunde hier in
einem Referat über die neuesten kunstgewerblichen Literatur-
Trscheinuugen derlei jdlunder besprochen werde, neben welchem
der Büchermarkt ja eine Überfülle des si>rächtigsten darbiete?
Das armselige Unternehmen gibt mir aber Gelegenheit, mich
über einige falsche Gesichtsxunkte auszusprechen, welche heut-
zutage immer häusiger, die Begriffe zu verwirren, an der
Gberfläche bemerkbar werden und auch von diesen Beiträgen
zu einer volkskunst kolportirt erscheinen. In dem bekannten
Tone des gebildeten Buchhandlungs-Aommis, der heute ja
zum geistigen Lhorageten der deutschen Massenbildung auf
Subskription und Abonnement geworden ist, wird uns in der
Linleitung mitgeteilt, daß im modernen Runststreite immer
vernehmlicher ein «Rampsruf» ertöne, ein «5chlagwort», das
alle «Zukunftsträume» einen werde, um unsere Uunst zu ge-
stalten, wie sie fein sollte — der Ruf: «kffe Bolkskunst!»
Diese herrliche Runst wird sein eine freudige Dienerin, die
dem Ärmsten Freude spendet, zugleich auch eine allherrschende,
erhabene Rönigin, ein stolzer, grünender Baum, im volks-
herzen wurzelnd usw. Iene Aunst der Zukunft, an deren
Aufbau Männer wie Rembrandt als Lrzieher (I). Avenarius,
die Aämpen des Runstwarts und Andere arbeiten usw.

Um diese wundersame künftige volkskunst fchaffen zu
helfen und unser Runsthandwerk von «Luxus, Zopf und
jdhilistertum» zu befreien, folgen nun einige geradezu miserable
jdsianzenzeichnungen, Lntwürfe von Tifchdeckchen, zu einem
pfeifenbret, jdhotographieständern, Tellern und Schmucksachen
— alles so schmachvoll gezeichnet und kolorirt, daß keiner






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