Lrstes' Dezemberbett 1S90.
5.
Ltück.
Lrscbeint
Derausgeber:
zferdinand Nv>enar1us.
Kcsrellpreis:
Vierteljährlich Zi/z Mark.
4. Zabrg.
Kunt oder
ie verfechter der Anschauung, daß die Lild-
uerei sich eiuzig mit der Zorur zu beschäftigeu
habe, wareu iu deu letzteu Iahreu eiuiger-
maßen ius Gedräuge gekommeu. Meuigsteus
wurde überall mit großer Lebhaftigkeit gestritteu, ob
uus die farblose plastik uicht etwas schuldig bleibe
uud ob das bilduerische Auustwerk uicht Lorm uud
Zarbe vereiuigen köuue. Au kräftigeu Beweismittelu
fehlte es auf beideu Seiteu uicht, uud die Lutscheiduug
schieu schließlich Geschmackssache. theute ist es wieder
ziemlich ruhig gewordeu. Umso eher wird au Stelle
gefühlsmäßiger Gmpöruug oder Begeisteruug die
ruhige Grwäguug treteu köuueu.
Gius der beliebtesteu Schlagwörter der vergaugeueu
Zeit war das vou der Miederbelebuug der autikeu
jdolychromie, dereu Daseiu aus Spureu vou Farbe
au alteu Bildwerkeu uud maucherlei audereu Diugeu
gefolgert wurde. <Ls brauchte uuseru Geschmack —
wenu ihm die Farbe iu der plastik soust zuwider
wäre — keineswegs zu bestimmeu, daß Griecheu uud
Zludere ihre Bildwerke vielfarbig zu bemaleu pflegteu.
Mhue Zweifel gäbe es aber der Bemaluugstheorie
eine kräftige Stütze. LVas um Alles iu der IVelt
beweisen deuu aber — uud wäreu es auch huudert
— antike Statuen mit Farbenresten, oder geschichtliche
Überlieferuugen von polychromeu Merken? Nichts,
als daß im Altertum auch bemalt ist, wie heute be-
malt wird, uud in der Neuaifsancekuust bemalt wurde.
Gder was ergiebt der Nachweis farbiger Giebel-
felder und buuter oder goldelfeubeiuerner Aultusfigureu?
IVie kaun mau Schöpfuugeu, die dekorativeu uud
andereu Gesetzeu uuterlagen, ius Feld führeu, wo es
* lvir unterbreiten diesen Aufsatz zur Lröffnung eines
Meinungsaustausches — denken alfo auch die verfechter
eines ihm entgegengefetzten Standxunktes zu Gehör zu bringen.
K.-L.
einkarbig?*
fich um die Auust im Gauzeu haudelt, also auch um
werke, die, ohne Beziehuug zur Umgebuug, reiu
um ihrer selbst LVilleu da fiud?
Gauz auders läge die Sache, weuu mau die Frage
befaheu müßte: haben die Griecheu deu höchsteu
Ausdruck iu der Auust uur mit LsiÜe der Farbe er-
reicheu zu köuueu geglaubt? Davou kauu aber uicht
die Rede seiu. Akau braucht uur die spitzigeu Be-
merkuugeu des fAiuius über die ^tatueubemaler zu
leseu, oder im Luciau zu blätteru, um eiuzuseheu,
daß die geprieseuen Bildwerke des 2lltertuuis weiß
wareu; — daß bemalte Statueu aufgeuommeu wUrdeu
wie jetzt — als Lrperimeute, die wohl eiumal leid-
lich geliugeu köuueu, ohue jedoch Negelu zu ergebeu.
Beiseite also mit deu Grüudeu, die uns die
autiquarische Forschuug bieteu soll, um die Bemaluugs-
theorie zu rechtfertigeu. Vielleicht giebt es aber
audere, bessere? IVir wolleu seheu. —
lveuu es wahr wäre, daß der ästhetische Neiz
eiues Bildwerks durch die Farbe erhöht würde, so
hätte die farblose plastik ihre Aufgabe uicht gauz
erfüllt, sie wäre ein — achtuugswerter Zrrtum.
IVir hätteu das absouderliche Schauspiel, daß eiue
Ruust zu beispielloser Blüte gelaugt wäre, wie
im Alterum uud der Neuaissauce, ohne ihre eigeut-
liche Ausdrucksweise klar erkauut zu habeu. Diese
Nousequenz erscheiut zwar selbst deu Verteidigern der
j?olychroiuie ;u stark, uud mau spricht darum zuweileu,
duldsam uud etwas uulogisch, vou eiuem friedlicheu
Nebeueiuauder beider Nichtuugeu — sie ergiebt sich
aber mit Notweudigkeit. IVelches ist deuu nuu eigeut-
lich die Aufgabe der j?lastik, der Nuust überhaupt?
Sieht mau vou deu uutergeordueten Tendeuzeu ab,
die sich jeweilig der Ruust bemächtigeu, so läßt sich
aus den mauuigfaltigen Bestrebuugeu uur das ableiteu,
daß sie uus zu der IVelt voller Niäugel uud bsenmumg
65 —
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Ltück.
Lrscbeint
Derausgeber:
zferdinand Nv>enar1us.
Kcsrellpreis:
Vierteljährlich Zi/z Mark.
4. Zabrg.
Kunt oder
ie verfechter der Anschauung, daß die Lild-
uerei sich eiuzig mit der Zorur zu beschäftigeu
habe, wareu iu deu letzteu Iahreu eiuiger-
maßen ius Gedräuge gekommeu. Meuigsteus
wurde überall mit großer Lebhaftigkeit gestritteu, ob
uus die farblose plastik uicht etwas schuldig bleibe
uud ob das bilduerische Auustwerk uicht Lorm uud
Zarbe vereiuigen köuue. Au kräftigeu Beweismittelu
fehlte es auf beideu Seiteu uicht, uud die Lutscheiduug
schieu schließlich Geschmackssache. theute ist es wieder
ziemlich ruhig gewordeu. Umso eher wird au Stelle
gefühlsmäßiger Gmpöruug oder Begeisteruug die
ruhige Grwäguug treteu köuueu.
Gius der beliebtesteu Schlagwörter der vergaugeueu
Zeit war das vou der Miederbelebuug der autikeu
jdolychromie, dereu Daseiu aus Spureu vou Farbe
au alteu Bildwerkeu uud maucherlei audereu Diugeu
gefolgert wurde. <Ls brauchte uuseru Geschmack —
wenu ihm die Farbe iu der plastik soust zuwider
wäre — keineswegs zu bestimmeu, daß Griecheu uud
Zludere ihre Bildwerke vielfarbig zu bemaleu pflegteu.
Mhue Zweifel gäbe es aber der Bemaluugstheorie
eine kräftige Stütze. LVas um Alles iu der IVelt
beweisen deuu aber — uud wäreu es auch huudert
— antike Statuen mit Farbenresten, oder geschichtliche
Überlieferuugen von polychromeu Merken? Nichts,
als daß im Altertum auch bemalt ist, wie heute be-
malt wird, uud in der Neuaifsancekuust bemalt wurde.
Gder was ergiebt der Nachweis farbiger Giebel-
felder und buuter oder goldelfeubeiuerner Aultusfigureu?
IVie kaun mau Schöpfuugeu, die dekorativeu uud
andereu Gesetzeu uuterlagen, ius Feld führeu, wo es
* lvir unterbreiten diesen Aufsatz zur Lröffnung eines
Meinungsaustausches — denken alfo auch die verfechter
eines ihm entgegengefetzten Standxunktes zu Gehör zu bringen.
K.-L.
einkarbig?*
fich um die Auust im Gauzeu haudelt, also auch um
werke, die, ohne Beziehuug zur Umgebuug, reiu
um ihrer selbst LVilleu da fiud?
Gauz auders läge die Sache, weuu mau die Frage
befaheu müßte: haben die Griecheu deu höchsteu
Ausdruck iu der Auust uur mit LsiÜe der Farbe er-
reicheu zu köuueu geglaubt? Davou kauu aber uicht
die Rede seiu. Akau braucht uur die spitzigeu Be-
merkuugeu des fAiuius über die ^tatueubemaler zu
leseu, oder im Luciau zu blätteru, um eiuzuseheu,
daß die geprieseuen Bildwerke des 2lltertuuis weiß
wareu; — daß bemalte Statueu aufgeuommeu wUrdeu
wie jetzt — als Lrperimeute, die wohl eiumal leid-
lich geliugeu köuueu, ohue jedoch Negelu zu ergebeu.
Beiseite also mit deu Grüudeu, die uns die
autiquarische Forschuug bieteu soll, um die Bemaluugs-
theorie zu rechtfertigeu. Vielleicht giebt es aber
audere, bessere? IVir wolleu seheu. —
lveuu es wahr wäre, daß der ästhetische Neiz
eiues Bildwerks durch die Farbe erhöht würde, so
hätte die farblose plastik ihre Aufgabe uicht gauz
erfüllt, sie wäre ein — achtuugswerter Zrrtum.
IVir hätteu das absouderliche Schauspiel, daß eiue
Ruust zu beispielloser Blüte gelaugt wäre, wie
im Alterum uud der Neuaissauce, ohne ihre eigeut-
liche Ausdrucksweise klar erkauut zu habeu. Diese
Nousequenz erscheiut zwar selbst deu Verteidigern der
j?olychroiuie ;u stark, uud mau spricht darum zuweileu,
duldsam uud etwas uulogisch, vou eiuem friedlicheu
Nebeueiuauder beider Nichtuugeu — sie ergiebt sich
aber mit Notweudigkeit. IVelches ist deuu nuu eigeut-
lich die Aufgabe der j?lastik, der Nuust überhaupt?
Sieht mau vou deu uutergeordueten Tendeuzeu ab,
die sich jeweilig der Ruust bemächtigeu, so läßt sich
aus den mauuigfaltigen Bestrebuugeu uur das ableiteu,
daß sie uus zu der IVelt voller Niäugel uud bsenmumg
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