allereinfachste räumliche und zeitliche Verhältnisse vor-
liegen, ehe man von der Lingebung ein poetisches
Bild erwarten dars. Lreilich, während man das
Lrstere thut, wird meistens schon die s)hantasie in die
srischgeschaffene Rlarheit so begierig herbeigesxrungen
kommen, wie ein Raninchen in eine dustende Balatkiste.
So weit meine bescheidenen, persönlichen <Lrsahr-
ungen. Da ich sedoch nicht über private Naturge-
setze versüge, vermute ich, es werde anderswo ähnlich
zugehen. §arl Spltteler (Feltx Tandem.)
Allgemeincres. NundscllNU.
» Den Tod Deinricl) Lebliemnnns zum 2lus-
gangspunkt einer rückschauenden Schilderung über
tzleben und Schaffen dieses Mannes zu nehmen, ist
nicht die Ausgabe des „Runftwarts". LVeilige Sätze
kämen sa auch zu spät, nachdem schon hundert andere
Stimmen jetzt von Schliemann gesxrochen -— eine
erschöxsende TVürdigung sedoch, wie die bVelt der
Gebildeten sie beansxruchen dars, muß die Ausgabe
eines Schliemann gewidmeten eigenen Merkes sein,
das bald kommen möge. Aber zwei Betrachtungen
drängen sich allzu mächtig beim Lsinblick aus Schlie-
mann hervor, als daß wir ihnen nicht worte geben
sollten auch an dieser Stelle.
U)ie lange noch wird es so bleiben — das ist
von ihnen die erste — daß Akademikerdünkel und
Zunstmenschenthorheit aus so vielen und aus trefflichen
aus der deutschen Gelehrtenwelt lasten? N)ir wissen
es ja alle, wie wenig man sich lange, lange Zeit
hindurch bemüht hat, Schliemann zu verstehen, mit
welcher Geringschätzung, mit welchem Gohnlächeln
man aus ihn herabgesehen hat gerade von den Lehr-
stühlen der Männer aus, denen dasselbe am Lserzen
lag, wie ihm. Das IVesen mancher von ihnen schließt
den Verdacht: Bosheit, Neid, Dummheit sei im Spiele
gewesen, von vornherein aus. Aban handelte so,
weil man wie Fleisch und Blut die Ilberzeugung mit
sich trug: wer anders vorgebildet ist, als wir, der
kann ja nichts leisten, der muß ja ein jdsuscher sein.
A7an küßte anbetend das jDergament, man hatte
keine Ahnung von der herrlichen Bildungsmacht, die
das Leben verleiht, der Verkehr und das 2lrbeiten
mit 2Nenschen und mit der Natur, das Umsichschaueu
und Thätigsein, das Beobachten, Vergleichen, Lernen
am wirklichen, goldenen oder ehernen ^ein. Schlie-
manns endlicher Sieg über seine G egner war ein
Sieg des Vollmenschentums über das Lachmenschentüm.
Dürsen wir hoffen, daß durch ihn die bvertschätzung
der aus eigenen Bahnen vorwärts ringenden jDersön-
lichkeit im Vergleich mit dem herkömmlichkeitsgerechten
Normalgebildeten in unserem Vaterlande dauernd er-
höht worden ist?
Und noch eine andere Betrachtung stellt sich ein,
wenn wir Schliemanns gedenken. U)as wüßten wir
von ihm, wenn er srüher von uns geschieden wäre,
damals, als er, immerhin vierzig Iahre alt, doch nur
ein geldverdienender geschickter Geschästsmann war.
Za, hier hat sich einmal „das Talent Bahn ge-
brochen" — weil es mit treuer Liebe zu seinem Ideal
ein Nlenschenleben lang sich zurückdrängen lassen
konnte, ohne zu verkümmern, und weil der Nlann
mittlerweile nicht starb. So gewiß die praktische Be-
sähigung Schliemanns, die ihn so gute Geschäfte in
Indigo und Salpeter machen ließ, dieselbe war, die
ihn in Hissarlik leitete — so sicher wäre sie der wissen-
schast schon seit Iahrzehnten dienstbar gewesen, hätten
dem außerordentlichen Nlann andere Nlittel zur Ver-
sügung gestanden, als seine ehedem so beschränkten
eigenen. U)as hätte er uns geboten, wäre er zwanzig
Iahre srüher seinem eigentlichen Beruf nachgegangen?
Und wie viele unter den wirklichen Talenten haben
als Mensch die Zähigkeit Schliemanns, ohne doch
vielleicht als Talente schwächer zu sein? wahrlich,
gerade Schliemann ist dazu angethan, die Nlacht des
Goldes, die sich ihm wohlthätig zeigte, tief schmerzlich
empfinden zu lassen als eine brutale Gewalt, die viel-
leicht Tausende niederhält, während sie süns Andern
die Uüttel giebt, thun zu kännen, wozu jene nicht
weniger besähigt sind: zum Segen der Nlitmenschen
mit ihrer besten Rraft zu arbeiten.
Dicbtung.
* Ueber die MUederbelebung alter Mörter
hielt Dr. Rarl Ulüller in Dresden einen vortrag,
der mancherlei zum Verständnis auch dichterischer
Leistungen wertvolles brachte. Zum Lrsatze der ent-
behrlichen Fremdwörter werden jetzt vielsach und mit
Necht, so führte der Vortragende nach dem Berichte
des „Dr. A." u. A. aus, mundartliche Ausdrücke vor-
geschlagen und eingesührt. Noch näher liegt es, die
alten, guten wörter der Uluttersprache wieder in ihr
altes Necht einzusetzen, die dereinst den Fremdwörtern
oder unschönen oder jetzt auch verbrauchten Neu-
bildungen j?latz machen mußten. Der Gedanke ist
nicht neu. Schon der alte Schottel spricht ihn aus
(t6 7 3), ebenso R. ^tieler (t6dt), Leibnitz, Bodmer,
Lserder, Bürger, Zean j)aul, Z. Grimm. Freilich muß
man sich vor lächerlich wirkenden, altertümlichen
wörtern hüten, wie Lhegespons, Gelahrtheit, wittib.
Lächerlich aber wirken die worte, die noch eben im
Begriffe stehen, zu veralten, die bereits selten, die im
allgemeinen auch schon erloschen und nur noch inner-
halb gewisser Rreise unter besonderen Umständen ge-
bräuchlich und zulässig sind. Dies ist wackernagels
Lrklärung der altertümlichen wörter (anhero, was-
maßen, absonderlich, ein Lrkleckliches usw.). Alter-
tümlich ist aber nicht mit alt und veraltet zu verwechseln;
und das veraltete wort kann immer wieder lebens-
fähig werden. Nannte doch Adelung vor hundert
Zahren solgende wörter als veraltet und lächerlich:
behagen, beginnen, anheben, Brachfeld, breßhaft, Fehde,
sromm, fürbaß, bieder, gehaben, weiland, Nteisterschaft;
und w. A. Teller empfiehlt um dieselbe Zeit u. a.
folgende veraltete wörter wieder aufzunehmen: sich
beraten, erkunden, hausen, heischen, peinigen, raunen,
verbriefen, verdüstert sein, wähnen, zeihen, gäng und
gäbe, für und sür, fortan, Armspange, Filz, Satzungen,
))rüfstein, Sangmeister usw. Alte wörter sind solche,
die mit dem Begriffe, den sie ausdrücken, zugleich
verschwunden sind, die man also für gewöhnlich nur
deshalb nicht gebraucht, weil die bezeichnete Sache
selbst für uns nicht mehr vorhanden ist, die man aber
gleich wieder gebrauchen muß, so wie auch der Begriff
— us -
liegen, ehe man von der Lingebung ein poetisches
Bild erwarten dars. Lreilich, während man das
Lrstere thut, wird meistens schon die s)hantasie in die
srischgeschaffene Rlarheit so begierig herbeigesxrungen
kommen, wie ein Raninchen in eine dustende Balatkiste.
So weit meine bescheidenen, persönlichen <Lrsahr-
ungen. Da ich sedoch nicht über private Naturge-
setze versüge, vermute ich, es werde anderswo ähnlich
zugehen. §arl Spltteler (Feltx Tandem.)
Allgemeincres. NundscllNU.
» Den Tod Deinricl) Lebliemnnns zum 2lus-
gangspunkt einer rückschauenden Schilderung über
tzleben und Schaffen dieses Mannes zu nehmen, ist
nicht die Ausgabe des „Runftwarts". LVeilige Sätze
kämen sa auch zu spät, nachdem schon hundert andere
Stimmen jetzt von Schliemann gesxrochen -— eine
erschöxsende TVürdigung sedoch, wie die bVelt der
Gebildeten sie beansxruchen dars, muß die Ausgabe
eines Schliemann gewidmeten eigenen Merkes sein,
das bald kommen möge. Aber zwei Betrachtungen
drängen sich allzu mächtig beim Lsinblick aus Schlie-
mann hervor, als daß wir ihnen nicht worte geben
sollten auch an dieser Stelle.
U)ie lange noch wird es so bleiben — das ist
von ihnen die erste — daß Akademikerdünkel und
Zunstmenschenthorheit aus so vielen und aus trefflichen
aus der deutschen Gelehrtenwelt lasten? N)ir wissen
es ja alle, wie wenig man sich lange, lange Zeit
hindurch bemüht hat, Schliemann zu verstehen, mit
welcher Geringschätzung, mit welchem Gohnlächeln
man aus ihn herabgesehen hat gerade von den Lehr-
stühlen der Männer aus, denen dasselbe am Lserzen
lag, wie ihm. Das IVesen mancher von ihnen schließt
den Verdacht: Bosheit, Neid, Dummheit sei im Spiele
gewesen, von vornherein aus. Aban handelte so,
weil man wie Fleisch und Blut die Ilberzeugung mit
sich trug: wer anders vorgebildet ist, als wir, der
kann ja nichts leisten, der muß ja ein jdsuscher sein.
A7an küßte anbetend das jDergament, man hatte
keine Ahnung von der herrlichen Bildungsmacht, die
das Leben verleiht, der Verkehr und das 2lrbeiten
mit 2Nenschen und mit der Natur, das Umsichschaueu
und Thätigsein, das Beobachten, Vergleichen, Lernen
am wirklichen, goldenen oder ehernen ^ein. Schlie-
manns endlicher Sieg über seine G egner war ein
Sieg des Vollmenschentums über das Lachmenschentüm.
Dürsen wir hoffen, daß durch ihn die bvertschätzung
der aus eigenen Bahnen vorwärts ringenden jDersön-
lichkeit im Vergleich mit dem herkömmlichkeitsgerechten
Normalgebildeten in unserem Vaterlande dauernd er-
höht worden ist?
Und noch eine andere Betrachtung stellt sich ein,
wenn wir Schliemanns gedenken. U)as wüßten wir
von ihm, wenn er srüher von uns geschieden wäre,
damals, als er, immerhin vierzig Iahre alt, doch nur
ein geldverdienender geschickter Geschästsmann war.
Za, hier hat sich einmal „das Talent Bahn ge-
brochen" — weil es mit treuer Liebe zu seinem Ideal
ein Nlenschenleben lang sich zurückdrängen lassen
konnte, ohne zu verkümmern, und weil der Nlann
mittlerweile nicht starb. So gewiß die praktische Be-
sähigung Schliemanns, die ihn so gute Geschäfte in
Indigo und Salpeter machen ließ, dieselbe war, die
ihn in Hissarlik leitete — so sicher wäre sie der wissen-
schast schon seit Iahrzehnten dienstbar gewesen, hätten
dem außerordentlichen Nlann andere Nlittel zur Ver-
sügung gestanden, als seine ehedem so beschränkten
eigenen. U)as hätte er uns geboten, wäre er zwanzig
Iahre srüher seinem eigentlichen Beruf nachgegangen?
Und wie viele unter den wirklichen Talenten haben
als Mensch die Zähigkeit Schliemanns, ohne doch
vielleicht als Talente schwächer zu sein? wahrlich,
gerade Schliemann ist dazu angethan, die Nlacht des
Goldes, die sich ihm wohlthätig zeigte, tief schmerzlich
empfinden zu lassen als eine brutale Gewalt, die viel-
leicht Tausende niederhält, während sie süns Andern
die Uüttel giebt, thun zu kännen, wozu jene nicht
weniger besähigt sind: zum Segen der Nlitmenschen
mit ihrer besten Rraft zu arbeiten.
Dicbtung.
* Ueber die MUederbelebung alter Mörter
hielt Dr. Rarl Ulüller in Dresden einen vortrag,
der mancherlei zum Verständnis auch dichterischer
Leistungen wertvolles brachte. Zum Lrsatze der ent-
behrlichen Fremdwörter werden jetzt vielsach und mit
Necht, so führte der Vortragende nach dem Berichte
des „Dr. A." u. A. aus, mundartliche Ausdrücke vor-
geschlagen und eingesührt. Noch näher liegt es, die
alten, guten wörter der Uluttersprache wieder in ihr
altes Necht einzusetzen, die dereinst den Fremdwörtern
oder unschönen oder jetzt auch verbrauchten Neu-
bildungen j?latz machen mußten. Der Gedanke ist
nicht neu. Schon der alte Schottel spricht ihn aus
(t6 7 3), ebenso R. ^tieler (t6dt), Leibnitz, Bodmer,
Lserder, Bürger, Zean j)aul, Z. Grimm. Freilich muß
man sich vor lächerlich wirkenden, altertümlichen
wörtern hüten, wie Lhegespons, Gelahrtheit, wittib.
Lächerlich aber wirken die worte, die noch eben im
Begriffe stehen, zu veralten, die bereits selten, die im
allgemeinen auch schon erloschen und nur noch inner-
halb gewisser Rreise unter besonderen Umständen ge-
bräuchlich und zulässig sind. Dies ist wackernagels
Lrklärung der altertümlichen wörter (anhero, was-
maßen, absonderlich, ein Lrkleckliches usw.). Alter-
tümlich ist aber nicht mit alt und veraltet zu verwechseln;
und das veraltete wort kann immer wieder lebens-
fähig werden. Nannte doch Adelung vor hundert
Zahren solgende wörter als veraltet und lächerlich:
behagen, beginnen, anheben, Brachfeld, breßhaft, Fehde,
sromm, fürbaß, bieder, gehaben, weiland, Nteisterschaft;
und w. A. Teller empfiehlt um dieselbe Zeit u. a.
folgende veraltete wörter wieder aufzunehmen: sich
beraten, erkunden, hausen, heischen, peinigen, raunen,
verbriefen, verdüstert sein, wähnen, zeihen, gäng und
gäbe, für und sür, fortan, Armspange, Filz, Satzungen,
))rüfstein, Sangmeister usw. Alte wörter sind solche,
die mit dem Begriffe, den sie ausdrücken, zugleich
verschwunden sind, die man also für gewöhnlich nur
deshalb nicht gebraucht, weil die bezeichnete Sache
selbst für uns nicht mehr vorhanden ist, die man aber
gleich wieder gebrauchen muß, so wie auch der Begriff
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