Ls gilt also, den weg znm Lharakteristischen
wiederzufinden, das ist der zum Naioen, Natürlichen,
Selbstverständlichen. Ls ist, um ein Beispiel zu nennen,
eine gefülstslähmende Zopfigkeit, zu meinen, die Um-
rahmung eines Fensters könne ein ^aus verschönen.
Das Fenster an sich, der farbige Fleck, den es malerisch
bedeutet: das ist der ästhetische Faktor, der einzig in
Frage kommt. Das ist in jedem gesunden Gesühl
lebendig, wie es die mittelalterliche prosankunst und
ihre edelbürtigen Nachkommen in Sachsen und 5chwa-
ben, in bsessen und an Rhein und Mosel zeigen.
wenn also durchaus an vorbildern studirt werden
soll, so sind dies die werke, an denen der Gewerks-
meister lernen kann. Freilich, wenn er an ihnen nur
kopiren lernt, so bleibt er nur so klug als wie zuvor.
Gr kann nur lernen, mit wie natürlicher, unbesangenster,
gesundester Überlegung die alten Nleister den An-
sorderung des Bauherrn und der Technik Nechnung
getragen haben, er kann nur den Sporn empfangen,
um ebenso selbstsicher und srisch moderne Technik sür
moderne Ansprüche zu verwenden.
Moderne Ansprüche —- ja, wenn die aus innerer
Tmpfindung beruhten! Zch sagte schon oben, daß
wir nicht einmal einen wohnungstypus haben, eine
durchgchende Ursorm für die Benutzungsart unserer
Näume. wir wohnen uns in unsere Näume ein,
aber wir gestalten die Näumeanordnung nicht nach
unserem Bedürsnis. bfier gilt es, daß zunächst die
deutsche Frau sich Gefühl uud Meinung bilde, daß
sie für das kleine Haus die Lage von wohn-, 5chlaf-,
Arbeitszimmer und Rüche in bestimmter Art sordere,
daß sie Gesühl sür das Trauliche, Natürliche und
Sinngemäße habe und vom Trbauer heische. Sie
muß sich abwenden von einer ganzen ^char von
nichtsnutzigen vorurteilen der vornehmheit. Tin hohes
Zimmer gilt für vornehmer als ein niedriges. Gut,
richte Dein Besuchszimmer groß uud hoch ein, obwohl
solch ein Naum schwerer zu heizen, schwerer — für
schlicht bürgerliche Verhältnisse, die hier ja lediglich
in Frage kommen — so zu schmücken ist, daß kein
Gefühl der Gde aufkommt. Aber wer sagt, daß nun
auch die kleinen Zimmer diese übermäßige bjöhe haben
müssen? Nur der Zops der Anschauungen und der
bequeme Trbauer! öofort ist aber durch diese For-
derung allein eine organische Gruppirung auch des
Äußeren bedingt. — Wer sagt, daß ein kleines Zimmer
so große, so hohe Fenster haben muß, wie ein großes?
Nur der Negelstock vom Nkaurermeister! Durch die
oerschiedene Größe der Fenster ist aber sogleich ein
Motio sür eine anmutige Asymmetrie des Äußeren,
für einen lebendigen Nhythmus gegeben. Denn das
Äußere an Deinen unisormirten Nekruten von Fenftern
ist das ledernste Tiktak, das einen aus der Lsaut
langweilen kann. Äeh Dir nur eiumal den Hos der
wartburg oder auch nur das Salzhaus in Frankfurt
am Nlain an: ohne nenneuswerten Schmuck leben
diese wände in edlem Nhythmenspiel, gerade durch
ihre charakteristischen Unregelmäßigkeiten, die so sinn-
voll von dem Znneren des bsauses erzählen! —
wer sagt ferner, daß ein großes Zimmer durch-
aus zwei Fenster, durchaus gleich große Fenster er-
halten muß? Zst es denn nicht zu fühlen, wie viel
wohlthuender eine Lnchtquelle das Zimmer durch-
stutet? — Bedarf man wirklich durchaus des ^piegels
zwischen den Fenstern: warum teilt man ein einziges,
aber verbreitertes Fenftergerüst nicht so ein, daß in
die Nütte ein Spiegelglas eingesetzt werden kann, was
ein ganz reizvolles Nkotiv geben könnte? Und nmß
man sich von den käuflichen vorhängen so abhängig
machen, daß man nur Fenster von nahezu t Nleter
Breite aus 2 U'leter bsöhe brauchen kann? Ordne
die Vorhänge in sreierem Faltenwurf an, so wird sich
auch ein schönes dreiteiliges Fenster mit den üblichen
Vorhängen schmücken lassen! Füge Dich dagegen
lieber nicht der Ungeschicklichkeit des Ulaurermeisters,
der die Fensteraxen nach seiner ledernen Außenseite
teilt und Dir dadurch innen die Fenster so in die
Tcken schiebt, daß oft kein Gerät mehr zwischen
Fenster und U)and stehen kann. Ts ist nichts weniger
als ein Unglück, wenn die Fenster im Äußeren sich
bunt gruppiren. Uilan soll von außen schon die Lage
jedes Zimmers ersehen können." (Schluß solgt.)
» Die hcurigen Dariscr Lalons gebeu nach Felix vogt
Anlaß zu zwei interessanten Bemerkungen allgemeinerer Art.
Iänächst sällt die Menge talentvoller lllaler aus Nord - .
amerika auf. „wenn es so sortgeht, werden wir in hundert
Iahren Aunstreisen nach New-b)ork und Lhicago machen
müssen, wie jetzt die Amerikaner nach st>aris oder Akünchen
pilgern. Es zeigt sich hier deutlich, daß man in den Ver-
einigten Itaaten nicht umsonst seit etwa dreißig Iahren die
besten Bilder unserer euroxäischen Maler zu den höchften
jlreisen massenweise angekaust hat, so daß man von berühmten
Meistern, wie Gerome, Bouguereau, Breton, sagen konnte,
sie arbeiten ausschließlich sür Amerika. Diese Aapitalanlage
hat sich als sruchtbar erwiesen, denn Nichts ist so geeignet,
ein schlummerndes Talent zu wecken, wie der Anblick guter
Vorbilder von frühefter Iugend an. Eine zweite Beobachtung
allgemeiner Natnr ist, daß die große Malerei, oder, wenn
man lieber will, die Bemalung großer Flächen an Beliebtheit
zunimmt, dagegen nicht den Weg nimmt, den man vor zehn
Zahren etwa voransgesehen hat. Dainals ging das Etreben
der Aünftler dahin, die Borgänge des täglichen Lebens zu
heroisiren, ihnen die höchsten Ehren des Pinsels zu widmen.
Damals wurden die meisten pariser Mairien mit modernen
Fainilienszenen aus der Arbeitcr- oder Aleinbürgerwelt bemalt.
Beute treffen wir nur noch ein vereinzeltes solches Dekorations-
werk, und nicht eine Fdariser Mairie ist es, die stch dasselbe
bestellt hat, sondern die kleine Gemeinde Les Lila vor den
Thoren der Etadt, der man ihrem rcizenden Nainen nach cinen
poetischeren Geschmaek zugetraut hätte. Die Itosfe, welche
die Maler heutzutage zu großen Darftellungcn anregen, sind
so ziemlich dieselben, die sie ehedem waren, die Religion, die
Geschrchte, die Mythologie, die Allegorie und von modernen
Gegenständen nur das Bchlachtenbild."
Nus der Wücberet.
Ä/r äöelracbtungen übcr äöäukunst. Ium vcrständnis
moderner Architektursragen. von bsans Schlieprnann.
(Berlin, j?olytechnische Buchhandlung A. Beydel, M. 2.) —
Zu dem Lrsreulichsten, was von vorzeichen einer besseren Zeit
die letzten Iahre boten, gehörten sür mich die Aufsätze chans
Echliepmanns. Iunächst sprach doch hier wieder mal Tiner,
dessen Rede nicht hinter eincm Aarren voll gelehrten Ballastes
hinkcuchte, zu dessen Meiterbesörderung nun a l l seine Aräste
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