Lrstes 3mü-Dett 1891.
17. Ltlick.
Lrscbelnt
ani Anfang und in der Mitte
Derrrusgeber:
zferdumnd Aveuurius.
Kegrellpreis:
vierteljähriich 2 t/g Mark.
Zitbrg.
DievvlSsensckMlickeUdetbode in der modernenDicbtung
s ist erstaunlich, welche verwirrung der Be-
griffe die moderue Literaturbeweguug da-
durch hervorgerufeu hat, daß sie iu der
Sucht, alle bisherigeu Gesetze der Asthetik
zu stürzeu, überall das dieseu widersxrecheude, deu
Gegeusatz, das Gxtrem dazu als ihr Priuzip aufstellte.
Alau ueigte dazu, eiumal alles vollstäudig umzu-
kehreu. Keiue These der moderueu Dichtuug ist iu-
desseu der ueueu Literatur so verhäuguisvoll gewordeu
wie die Oerkehruug des 8atzes, daß Kuust uud IVisseu-
schaft etwas durchaus verschiedeues seieu, iu deu,
daß beides dasselbe, daß die Kuust uur eiu besouderer
Zweig der wisseuschast sei.
Zwar beginut mau bereits jetzt, iu der ueuesteu
j)hase der moderueu Literatureutwickluug, gegeu jeue
letztere Auschauuug krästig Frout zu macheu, aber
uoch immer hat mau ihre Fesselu uicht abgestreist.
Thatsächlich vermischt mau Misseuschast uud Dichtuug
uoch iu verwirrtester weise, uud viele uoch möchteu
die Runst gauz uud gar zu eiuer physiologischeu oder
psychologischeu Diszixliu umgestalteu, viele, auch
wenu mau absieht vou deujeuigeu, die uoch immer
aus den „objektiveu" Naturalismus uud Zolas romau
experimeutul schwöreu.
Ts ist sehr bezeichueud sür die küustlerische Nat-
losigkeit, die bei Begiuu der ueueu Literaturrichtuug
Herrschte, daß Zola iu dem augeführteu IDerke die
8ätze eiues mediziuischeu Gelehrteu aus desseu Luche
„lutroeluctiou ü I'otuäe äe la mecliciue experimeutale"
meisteus wörtlich aus deu Nomau auweudet uud deu
Uuterschied zwischeu Wisseuschast uud Auust derartig
außer Acht läßt, daß er sageu kauu: IDir (die Nomau-
schriftsteller) müsseu mit deu Tharaktereu, mit deu
teidenschasteu, mit deu meuschlicheu uud sozialeu
Thatsacheu so operireu, wie der Themiker uud der
j)hysiker mit deu uuorgauischeu Rörxeru, wie der
j?hysiologe mit deu orgauischeu operirt. Nach Zola
ist die ueue Dichtuug eiue lormule scieutiücfue, eiue
wisseuschastliche Formel, uud seiue Nachahmer uud
Nachsolger siud derselbeu Meiuuug. Aud weuu eiue
ueuere (uicht die obeu erwähute ueueste!) Nichtuug
im Gegeusatz Zu Zola, der uur das äußere Nlilieu
des Aleuscheu iu seiu Gesichtsseld gezogeu hatte, uuu
die iuuereu Dorgäuge der 8eele vor allem berüek-
sichtigte, so war diese Neueruug doch uur eiu wechsel
des Gegeustaudes, keiu IDechsel des jDriuzips. War
Zola soziologischer Achxsiologist, so wurde LZourget,
oer Hauptvertreter der ueueren Neivegung, individueller
j?chchologist, Zch weiß wohl, daß Zola iu seiueu
Nomaueu uicht uur Gelehrter, souderu sehr ost eiu
echter Nüustler ist, aber das letztere ist er sast wider
seiueu Millen, sicherlich aber wider seiu Sxstem. Da-
gegeu ist Bourget durchaus eiu Dozeut, der uichts
als uuser wisseuschastliches Zuteresse (dieses sreilich
iu hervorrageudem Nlaße) zu erregeu versteht. Nlau
vergleiche eiumal „Nu crime cl'umour" uiit Lazarus'
„Lebeu der 8eele" oder mit Nlautegazzas j?hysiologieu
uud die Ähulichkeit der wisseuschastlicheu Nlethode
wird jedem iu die Augeu spriugeu.
Das bjauptstück der Dichtuug, das Nüustlerische,
das, was sie vou der IDisseuschast uuterscheidet, das
sehlt ebeu bei diesem Nomauschriststeller. Ts sehlt
ihm die Lähigkeit, seiue Gedaukeu uus so ius Gesühl
übergeheu zu lasseu, daß wir bald berauscht, bald er-
schüttert dem Ladeu der Lsaudluug solgeu. Bourget
uud viele audere der moderueu Dichter weudeu sich
mit ihreu Merkeu au deu Derstaud des Liesers, sie
gebeu ihm Trkeuutuis, keine Tmpfiuduug, sie schaffeu
NAsseuswertes, keiue Gesühlswerte, sie siud Lehrer,
keiue Nüustler, Neduer, keiue Sänger.
Das bsauptersorderuis zu eiuem echteu Nüustler,
daß er uus welt uud Nleuscheu im Lichte seiuer
2Z7 -
— S)
17. Ltlick.
Lrscbelnt
ani Anfang und in der Mitte
Derrrusgeber:
zferdumnd Aveuurius.
Kegrellpreis:
vierteljähriich 2 t/g Mark.
Zitbrg.
DievvlSsensckMlickeUdetbode in der modernenDicbtung
s ist erstaunlich, welche verwirrung der Be-
griffe die moderue Literaturbeweguug da-
durch hervorgerufeu hat, daß sie iu der
Sucht, alle bisherigeu Gesetze der Asthetik
zu stürzeu, überall das dieseu widersxrecheude, deu
Gegeusatz, das Gxtrem dazu als ihr Priuzip aufstellte.
Alau ueigte dazu, eiumal alles vollstäudig umzu-
kehreu. Keiue These der moderueu Dichtuug ist iu-
desseu der ueueu Literatur so verhäuguisvoll gewordeu
wie die Oerkehruug des 8atzes, daß Kuust uud IVisseu-
schaft etwas durchaus verschiedeues seieu, iu deu,
daß beides dasselbe, daß die Kuust uur eiu besouderer
Zweig der wisseuschast sei.
Zwar beginut mau bereits jetzt, iu der ueuesteu
j)hase der moderueu Literatureutwickluug, gegeu jeue
letztere Auschauuug krästig Frout zu macheu, aber
uoch immer hat mau ihre Fesselu uicht abgestreist.
Thatsächlich vermischt mau Misseuschast uud Dichtuug
uoch iu verwirrtester weise, uud viele uoch möchteu
die Runst gauz uud gar zu eiuer physiologischeu oder
psychologischeu Diszixliu umgestalteu, viele, auch
wenu mau absieht vou deujeuigeu, die uoch immer
aus den „objektiveu" Naturalismus uud Zolas romau
experimeutul schwöreu.
Ts ist sehr bezeichueud sür die küustlerische Nat-
losigkeit, die bei Begiuu der ueueu Literaturrichtuug
Herrschte, daß Zola iu dem augeführteu IDerke die
8ätze eiues mediziuischeu Gelehrteu aus desseu Luche
„lutroeluctiou ü I'otuäe äe la mecliciue experimeutale"
meisteus wörtlich aus deu Nomau auweudet uud deu
Uuterschied zwischeu Wisseuschast uud Auust derartig
außer Acht läßt, daß er sageu kauu: IDir (die Nomau-
schriftsteller) müsseu mit deu Tharaktereu, mit deu
teidenschasteu, mit deu meuschlicheu uud sozialeu
Thatsacheu so operireu, wie der Themiker uud der
j)hysiker mit deu uuorgauischeu Rörxeru, wie der
j?hysiologe mit deu orgauischeu operirt. Nach Zola
ist die ueue Dichtuug eiue lormule scieutiücfue, eiue
wisseuschastliche Formel, uud seiue Nachahmer uud
Nachsolger siud derselbeu Meiuuug. Aud weuu eiue
ueuere (uicht die obeu erwähute ueueste!) Nichtuug
im Gegeusatz Zu Zola, der uur das äußere Nlilieu
des Aleuscheu iu seiu Gesichtsseld gezogeu hatte, uuu
die iuuereu Dorgäuge der 8eele vor allem berüek-
sichtigte, so war diese Neueruug doch uur eiu wechsel
des Gegeustaudes, keiu IDechsel des jDriuzips. War
Zola soziologischer Achxsiologist, so wurde LZourget,
oer Hauptvertreter der ueueren Neivegung, individueller
j?chchologist, Zch weiß wohl, daß Zola iu seiueu
Nomaueu uicht uur Gelehrter, souderu sehr ost eiu
echter Nüustler ist, aber das letztere ist er sast wider
seiueu Millen, sicherlich aber wider seiu Sxstem. Da-
gegeu ist Bourget durchaus eiu Dozeut, der uichts
als uuser wisseuschastliches Zuteresse (dieses sreilich
iu hervorrageudem Nlaße) zu erregeu versteht. Nlau
vergleiche eiumal „Nu crime cl'umour" uiit Lazarus'
„Lebeu der 8eele" oder mit Nlautegazzas j?hysiologieu
uud die Ähulichkeit der wisseuschastlicheu Nlethode
wird jedem iu die Augeu spriugeu.
Das bjauptstück der Dichtuug, das Nüustlerische,
das, was sie vou der IDisseuschast uuterscheidet, das
sehlt ebeu bei diesem Nomauschriststeller. Ts sehlt
ihm die Lähigkeit, seiue Gedaukeu uus so ius Gesühl
übergeheu zu lasseu, daß wir bald berauscht, bald er-
schüttert dem Ladeu der Lsaudluug solgeu. Bourget
uud viele audere der moderueu Dichter weudeu sich
mit ihreu Merkeu au deu Derstaud des Liesers, sie
gebeu ihm Trkeuutuis, keine Tmpfiuduug, sie schaffeu
NAsseuswertes, keiue Gesühlswerte, sie siud Lehrer,
keiue Nüustler, Neduer, keiue Sänger.
Das bsauptersorderuis zu eiuem echteu Nüustler,
daß er uus welt uud Nleuscheu im Lichte seiuer
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