das Gegensätzliche und sagt: „nicht wir — Ihr".
Die studirende Iugend aus dein Bauernstande kehrt
von den Universitäten heim ohne Lhrfurcht vor dem
zopfigen gelehrten wesen, ohne Lhrgeiz ivich der
üblichen gelehrten Laufbahn, ohne Verlangen nach
den Gütern, die das Bürgertuin bieten kann, unter
Landoolk, bewußt als Bauer, standesstolzer, als da sie
auszog. Sie fühlt sich als deu bessern cklloff, dessen
Zeit kominen wird. Aber es ist nicht Bauernart, sich
zu verhasten, man kanu warten, man kann erst vege-
tiren, wie dieBäter vegetirten. In dieser Ifinsicht zeichnet
Garborgs Schilderung der „Bauernstudeuten" in seinem
Buch gleichen Namens eine srühere ^tufe, die sich
für einzelne Teile der Bauernbevölkerung noch bis
in unsere Tage erheben kann; es ist die schlechtge-
nährte Bauerndemokratie, die in seinem Buch als
Alodell gedient. Aber überall dort und in Schweden,
Dänemark fängt der Bauer an, sich als Aristokrat
cr(2K
dem Städter gegenüber zu fühlen und sich der Mög-
lichkeit auch eiuer reingeistigen Überlegenheit be-
wußt zu werden. Die Bedingungen, anf denen diese
Lntwicklung des nordischen Baueru beruht, hier auf-
zuzählen, würde zu weit führen.
Das süngste Schriftstellergeschlecht des Nordens
zählt nicht wenig Bauernsöhne zu den seinigen, und
sie waren es, die die modernsten probleme aufgriffen
und der ini Sinken begriffenen, großen skandinavischen
LHteraturperiode noch einmal aushalfen. Alehrere der
eigenartigsten skandinavischen Maler, die abseits vom
wege gingen, sind auch Bauernsöhne. Beiden ist die
Frische des Blicks, sene Naivetät, die angeborene vor-
urteilslosigkeit ist, eigen. Tin neuer Stand steigt empor
und bereitet sich zur kherrschaft. <Line Lntwicklung,
die mit ihrem Schwerpunkt dem Bauernstande zustrebte,
wäre eine durchaus germanische Lrscheinung. Für
Frankreich, für Nußland wäre sie undenkbar.
L. /Ilöarbolm.
Nundsckau.
Tdeater.
x MicbtigerL Scl.mupiel-NuMil)rungcn. XH.
wilhelm Lsenzens „kseilige Lkisabeth" wurde ran der
lVorniser Volksbühne vorgeführt. „Das hiesige Publikmn,"
berichtet die „Aöln. Z.," „stand der nierkwürdigen lheiligen
anfangs etwas skeptisch und zurückhaltend gegenüber, und die
beiden Vorstellungen warcn deshalb nicht so zahlreich besucht.
wie es wünschenswcrt gewesen wärc. Ictzt aber bcginnt die
Stimmung wärnier zu werden. Inuner lautcr crtönte der
Beifall, der am Schlusse zu einein förnilichen Sturni wurde, wie
cr in unserni ffesthausc noch nicht gchört worden. Es ist gewis;
ein erfreuliches Ieichen, daß in unserer inodernen Zeit, in
der sich in der Kunst iinnier mehr (?) ein zynisch-naturalistischer
Geist breit machen will, noch 2lufführungen so idealer Art
wie die wormser mit Lrfolg unternommen werden köiinen.
Ideal ist nicht nur der dargestellte Gegenstand, fondern auch
die Art der Darstellung selbst. Im allgemeinen ist darauf
verzichtet, die Grtlichkeiten, an denen sich die einzelnen Teile
der chandlung abspielen, in realistischer lVeise znr Anschauung
zu bringen. Doch kommt die neugestaltete lVormser Bühne
der jdhantasie so weit zu chülfe, daß sie durch gemalte kfinter-
gründe die betreffenden Grtlichkeiten wenigstens andeutet,
was von überraschendem Trfolg gewesen ist. Sowohl die
lhinterbühne als die Vorderbühne ist mit einem solchen gemalten
sdrospekt versehen, von denen der vordere zugleich als Borhang
zur Abschließung der chinterbühne dient. Der tiefer liegende
Borraum, aus dem Trexpen auf die Vorderbühne führen,
schiebt sich bis hart an die vordersten Zuschauersitze vor und
entbehrt jeder Dekoration. Indem nun diese verschiedenen
Bühnen abwechselnd die Schauplätze der chandlung abgeben,
ist eine große Alannigfaltigkeit geboten und ein sehr leichter
Bzenenwechsel ohne Ilnterbrcchung der Bandlung verstattet.
Das Ligentümlichste, was bei dem neuen ffestspiele versucht
wurde, war die Anwendung von Doppelszenen, in denen das,
was räumlich voneinander entfernt, aber gleichzeitig geschieht,
auch gleichzeitig vor unsern Augen dargestellt wird. Dem
Drama wird dadurch ein symphonischer Lharakter gegeben,
und Lindrücke ganz neuer 2lrt sind ermöglicht. So ist es z. B.
von ergreifender AArkung, wenn uns auf der Binterbühne in
einem farbenkräftigen Bilde der Tod des Landgrafen Ludwig z
im fernen Italien dargestellt wird und wir zu gleicher Zeit
auf der Dorderbühne seine geliebte Gattin sehen, deren Name
das letzte lDort des Sterbenden ist."
Benrik Ibsens „Rronprätcndenten" wurden auf dem
Berliner lüchanspielhause gcgeben.
„Aönig Tverre hatte dereinst mit Bilfe der Birkenbeine,
der Nationalgesinnten, die eine Zeit lang aus Mangel an
Aleidung sich in Lirkenrinde hüllen mußten, den Thron
errungen und die Gcgcnpartei, dcn mächtigen Alerus und
scine Anhänger, die Bagler (Arummstäbler) gedcmütigt. Aber
die halbe Ruhe, die unter ihm und seinem 5ohne, der kaum
zwei Iahre regierte, im Lande herrschte, war nur eine Ruhe
der Trschöpfung. Die jdarteien blieben einander in Rüstung
gegenüber, und die Tinzelfehden hörten niemals anf. Trotz-
dem wurde chakon, Aönig Sverres Tnkel, von beiden jdarteien
zum Aönig ausgerufen, als seine lNutter Inge durch die
ffeuerxrobe Zeugnis für die Abstammnng chakons von Tverre
abgelegt hatte. Iarl Tkule aber, der in Norwegen die
Regentschaft geführt hatte, gab nur widerwillig die langgeübte
Gewalt aus den chänden. Immerhin hätte er sich in
fcin Geschick gefügt, hätte nicht der ränkesüchtige Bischof
Nikolas von Gpslo verstanden, Zweifel an der legitimen
Geburt chakons in Tknles Brust zu erregen. Da erhebt er
das Banner der Tmpörung und läßt sich gleichfalls zum
Aönige küren. Und das Glück ist anfangs auf seiner 5eite,
aber als Triumphator fühlt er gleichwohl sich nicht. Bon
chakon hat er dereinst den »Aönigsgedankcn gehört. ganz
Norwegen müsfe in ein einigcs, brüderliches Volk umgegofsen
werden. Und der neue Gedanke läßt Tkule nicht mehr los,
cr selbst will ihn verwirklichen. Aber diese Aneignung einer
fremden Idee ist eine innere Lüge, aus der ihrem Vertreter
kein dauernd Lseil ersprießen kann. Nur der wahre Trzeuger
des Gedankens ist auch berufen, ihn auszuführen, nur cr hat
das Recht, Aönig zu sein. DAe in Ibsens »Nordischer Beer-
fahrt« ist auch in den »Aronprätendenten« der Ttoff, die kfand-
lung eine steile Mauer, die es mühsam zu übersteigen gilt,
will man zu dem allgemein menschlichen Gehalt des Dramas
gelangen. Und auch technisch ist das U?erk nicht eben meister-
lich aufgebaut. In den ersten drei Akten steht der Bischos
Nikolas derart im Vordergrunde, daß sie eigentlich ein Tchau-
spiel sür sich bildcn; und nur die beiden Tchlußakte bilden
z das Drama: ksakon und Tkule. Die Größe, die trotzdem das
lverk atmet, seine sdoesie und scine UArkung gehen einzig
und allein von der Tharakteristik aus, von der Zeichnung der
drei chauptgestalten Nikolas, Skule, chakon. In diesem
— 277 —
Die studirende Iugend aus dein Bauernstande kehrt
von den Universitäten heim ohne Lhrfurcht vor dem
zopfigen gelehrten wesen, ohne Lhrgeiz ivich der
üblichen gelehrten Laufbahn, ohne Verlangen nach
den Gütern, die das Bürgertuin bieten kann, unter
Landoolk, bewußt als Bauer, standesstolzer, als da sie
auszog. Sie fühlt sich als deu bessern cklloff, dessen
Zeit kominen wird. Aber es ist nicht Bauernart, sich
zu verhasten, man kanu warten, man kann erst vege-
tiren, wie dieBäter vegetirten. In dieser Ifinsicht zeichnet
Garborgs Schilderung der „Bauernstudeuten" in seinem
Buch gleichen Namens eine srühere ^tufe, die sich
für einzelne Teile der Bauernbevölkerung noch bis
in unsere Tage erheben kann; es ist die schlechtge-
nährte Bauerndemokratie, die in seinem Buch als
Alodell gedient. Aber überall dort und in Schweden,
Dänemark fängt der Bauer an, sich als Aristokrat
cr(2K
dem Städter gegenüber zu fühlen und sich der Mög-
lichkeit auch eiuer reingeistigen Überlegenheit be-
wußt zu werden. Die Bedingungen, anf denen diese
Lntwicklung des nordischen Baueru beruht, hier auf-
zuzählen, würde zu weit führen.
Das süngste Schriftstellergeschlecht des Nordens
zählt nicht wenig Bauernsöhne zu den seinigen, und
sie waren es, die die modernsten probleme aufgriffen
und der ini Sinken begriffenen, großen skandinavischen
LHteraturperiode noch einmal aushalfen. Alehrere der
eigenartigsten skandinavischen Maler, die abseits vom
wege gingen, sind auch Bauernsöhne. Beiden ist die
Frische des Blicks, sene Naivetät, die angeborene vor-
urteilslosigkeit ist, eigen. Tin neuer Stand steigt empor
und bereitet sich zur kherrschaft. <Line Lntwicklung,
die mit ihrem Schwerpunkt dem Bauernstande zustrebte,
wäre eine durchaus germanische Lrscheinung. Für
Frankreich, für Nußland wäre sie undenkbar.
L. /Ilöarbolm.
Nundsckau.
Tdeater.
x MicbtigerL Scl.mupiel-NuMil)rungcn. XH.
wilhelm Lsenzens „kseilige Lkisabeth" wurde ran der
lVorniser Volksbühne vorgeführt. „Das hiesige Publikmn,"
berichtet die „Aöln. Z.," „stand der nierkwürdigen lheiligen
anfangs etwas skeptisch und zurückhaltend gegenüber, und die
beiden Vorstellungen warcn deshalb nicht so zahlreich besucht.
wie es wünschenswcrt gewesen wärc. Ictzt aber bcginnt die
Stimmung wärnier zu werden. Inuner lautcr crtönte der
Beifall, der am Schlusse zu einein förnilichen Sturni wurde, wie
cr in unserni ffesthausc noch nicht gchört worden. Es ist gewis;
ein erfreuliches Ieichen, daß in unserer inodernen Zeit, in
der sich in der Kunst iinnier mehr (?) ein zynisch-naturalistischer
Geist breit machen will, noch 2lufführungen so idealer Art
wie die wormser mit Lrfolg unternommen werden köiinen.
Ideal ist nicht nur der dargestellte Gegenstand, fondern auch
die Art der Darstellung selbst. Im allgemeinen ist darauf
verzichtet, die Grtlichkeiten, an denen sich die einzelnen Teile
der chandlung abspielen, in realistischer lVeise znr Anschauung
zu bringen. Doch kommt die neugestaltete lVormser Bühne
der jdhantasie so weit zu chülfe, daß sie durch gemalte kfinter-
gründe die betreffenden Grtlichkeiten wenigstens andeutet,
was von überraschendem Trfolg gewesen ist. Sowohl die
lhinterbühne als die Vorderbühne ist mit einem solchen gemalten
sdrospekt versehen, von denen der vordere zugleich als Borhang
zur Abschließung der chinterbühne dient. Der tiefer liegende
Borraum, aus dem Trexpen auf die Vorderbühne führen,
schiebt sich bis hart an die vordersten Zuschauersitze vor und
entbehrt jeder Dekoration. Indem nun diese verschiedenen
Bühnen abwechselnd die Schauplätze der chandlung abgeben,
ist eine große Alannigfaltigkeit geboten und ein sehr leichter
Bzenenwechsel ohne Ilnterbrcchung der Bandlung verstattet.
Das Ligentümlichste, was bei dem neuen ffestspiele versucht
wurde, war die Anwendung von Doppelszenen, in denen das,
was räumlich voneinander entfernt, aber gleichzeitig geschieht,
auch gleichzeitig vor unsern Augen dargestellt wird. Dem
Drama wird dadurch ein symphonischer Lharakter gegeben,
und Lindrücke ganz neuer 2lrt sind ermöglicht. So ist es z. B.
von ergreifender AArkung, wenn uns auf der Binterbühne in
einem farbenkräftigen Bilde der Tod des Landgrafen Ludwig z
im fernen Italien dargestellt wird und wir zu gleicher Zeit
auf der Dorderbühne seine geliebte Gattin sehen, deren Name
das letzte lDort des Sterbenden ist."
Benrik Ibsens „Rronprätcndenten" wurden auf dem
Berliner lüchanspielhause gcgeben.
„Aönig Tverre hatte dereinst mit Bilfe der Birkenbeine,
der Nationalgesinnten, die eine Zeit lang aus Mangel an
Aleidung sich in Lirkenrinde hüllen mußten, den Thron
errungen und die Gcgcnpartei, dcn mächtigen Alerus und
scine Anhänger, die Bagler (Arummstäbler) gedcmütigt. Aber
die halbe Ruhe, die unter ihm und seinem 5ohne, der kaum
zwei Iahre regierte, im Lande herrschte, war nur eine Ruhe
der Trschöpfung. Die jdarteien blieben einander in Rüstung
gegenüber, und die Tinzelfehden hörten niemals anf. Trotz-
dem wurde chakon, Aönig Sverres Tnkel, von beiden jdarteien
zum Aönig ausgerufen, als seine lNutter Inge durch die
ffeuerxrobe Zeugnis für die Abstammnng chakons von Tverre
abgelegt hatte. Iarl Tkule aber, der in Norwegen die
Regentschaft geführt hatte, gab nur widerwillig die langgeübte
Gewalt aus den chänden. Immerhin hätte er sich in
fcin Geschick gefügt, hätte nicht der ränkesüchtige Bischof
Nikolas von Gpslo verstanden, Zweifel an der legitimen
Geburt chakons in Tknles Brust zu erregen. Da erhebt er
das Banner der Tmpörung und läßt sich gleichfalls zum
Aönige küren. Und das Glück ist anfangs auf seiner 5eite,
aber als Triumphator fühlt er gleichwohl sich nicht. Bon
chakon hat er dereinst den »Aönigsgedankcn gehört. ganz
Norwegen müsfe in ein einigcs, brüderliches Volk umgegofsen
werden. Und der neue Gedanke läßt Tkule nicht mehr los,
cr selbst will ihn verwirklichen. Aber diese Aneignung einer
fremden Idee ist eine innere Lüge, aus der ihrem Vertreter
kein dauernd Lseil ersprießen kann. Nur der wahre Trzeuger
des Gedankens ist auch berufen, ihn auszuführen, nur cr hat
das Recht, Aönig zu sein. DAe in Ibsens »Nordischer Beer-
fahrt« ist auch in den »Aronprätendenten« der Ttoff, die kfand-
lung eine steile Mauer, die es mühsam zu übersteigen gilt,
will man zu dem allgemein menschlichen Gehalt des Dramas
gelangen. Und auch technisch ist das U?erk nicht eben meister-
lich aufgebaut. In den ersten drei Akten steht der Bischos
Nikolas derart im Vordergrunde, daß sie eigentlich ein Tchau-
spiel sür sich bildcn; und nur die beiden Tchlußakte bilden
z das Drama: ksakon und Tkule. Die Größe, die trotzdem das
lverk atmet, seine sdoesie und scine UArkung gehen einzig
und allein von der Tharakteristik aus, von der Zeichnung der
drei chauptgestalten Nikolas, Skule, chakon. In diesem
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