Ist alles bedacht und bemessen auss best,
Daß sich gar nichts dagegen einwenden läßt!"
Doch jetzt — ihr Götter steht mir bei,
Ich glanbe der Teller treibt Hexerei! —:
Die Guten, von denen ich berichte,
verändern plötzlich ihr Angesichte
Und mehren sich und wachsen ringsum
Zu einem großen j?nbliknm,
Und bei den meisten — ich will s nur gestehn!
Zst mir's, als hätt ich sie schon gesehn.
Gesichter mit Brillen ans Adlernasen,
Gesichter wie Lustballons ausgeblasen
vom Gdem Uttnervas — Gesichter seh ich,
Die kenne, wie das A B G ich:
Ulit 2lugen, voir Feuerblitzen umzüngelt
Gder genialischen Locken umkringelt,
Und jetzt, — o Zeus, wird's immer noch bunter?
Zetzt seh ich mich selber mitten darunter!
Lin jeder aber — was soll's nur sein? —
Lsält in der Hand ein Tellerlein,
Lin jedes nach Lin e, Spinnbein und Uler
Gar genau bemessen nach strengster Lex:
Die gcben sie alle der Reih nach herum
Und wiegen die Häupter ernst und stumm
Und richten sie mit kritischen Blicken
Und räuspern sich wohlgefällig und nicken
Und sehen sich alle der Neih nach an
Und munkeln: „Nun seht mal, was der nicht kann:
Zst alles erdacht und ermessen auss best,
Daß sich gar nichts dagegen einwenden läßt!"
Da fühlen sie sich, wie sie so parlirt,
Zm tiessten Seelengrund berührt,
Und jedem ist's als ob ihm brennt
Zm Leibe so etwas wie ein Talent.
F. N.
Lprecksaal.
(Anter sncblicver verantwortung der Linsendcr.)
Zn F>achen: Bunt oder eiilfarbig.
U)enn ich zusammensasse, was j?aul Schumann
aus meine Lrörterungen erwidert, so erhalte ich: Daß
sich der verzicht aus die Farbe nicht aus den allge-
meinen Grundlagen der Uuilst entwickebt lasse; daß
volle Naturwahrheit uitd künstlerische Wirkung einan-
der nicht ausschließen, wie Donatellos bunte Uzzano-
büste und Burckhardts Ukeinung davon beweise; daß
unserem Stilgesühle auch bei Bemalung der Bild-
werke Rechnung zu tragen sei, insosern, als das
Ukaterial erkenntlich bleibeit könne; daß auch Ge-
inälde, wie farbige Bildwerke, durchaus voit ihrer
Ausstellung abhängig seien, was doch nur gegen die
letzteren als Vorwurs eiitgeweitdet war; und daß
endlich die Bemalung lticht zu einer Derrohung der
s)lastik sühren müsse, sondern nur „könne". Aus all
diesen Darleguitgen leitet Schumamt die Berechtigmtg
farbiger Bildwerke her.
Zch muß gestehen, daß mir der erste dieser Sätze
nicht mit Notwendigkeit aus Schumaitits Darlegungen
hervorzugehen scheint. Tr versährt durchaus will-
kürlich, wenn er der Gruppe: Zeichnung, einsarbige,
zweisarbige, vollsarbige Gemälde, das unbemalte, ge-
tönte und sarbige Bildwerk gegenüberstellt. Die
werke der ersteu sind rein mit den Atttteln einer
Aunst dargestellt, als welche Farbe mit Licht und
Schatten anzusehen sind. Bei den andern, die doch
dem Kultus der Form dienen sollen, bringt Lchumann
mit einem Male ein hier ganz sreindes Glement -
die Farbe — hinein. Die deutliche Grenze, die ich
für die bildenden Rünste gegen die Natur hin ver-
lange, besteht zwischen ihnen ganz sicherlich. Anleihen
der einen bei der andern sind, was sie im Leben
sind: keine Bereicherungen. Die Nlalerei nähert sich
der jAastik am meisten im Rarton (vergl. Tornelius),
der die iLrscheinungen gleichmäßig farblos giebt, und
nur schattirt, um Formen herauszuheben. Die j)lastik
der Ntalerei im Nelies. Ls giebt nicht durchaus
wirkliche Formen (im künstlerischen Linne), sondern be-
dient sich der verkürzung, um sie als solche erscheinen
zu lassen.
Ls ist zweckmäßig und notwendig, für jede Runst
sich innerhalb der Grenzen ihrer besonderen Mittel
zu halten. Da liegen ihre größten und sichern Lr-
solge. Der ist der beste Maler, im Sinne der Aus-
nutzung seiner Runstmittel, sür den die welt aus
lauter Farbenslecken besteht; der beste Bildner, der
nur Formen sieht. Unser Gehirn ist garnicht im
Ltande, Form und Farbe zusammen gebührend zu
apperzipiren. Lrst ihre Trennung ermöglicht uns,
die ganze Lchönheit des Geschaffenen zu erfassen.
Zch süge damit meinen srüheren Behauptungen
einige neue hinzu, die Lchumann vielleicht wie jene
in Frage stellen wird. Der Naum gestattet mir nicht,
sie durch notwendigerweise weitgreisende Beweis-
sührungen zu stützen. Zch kann daraus um so leichter
verzichten, als ich diesen Teil meiner Darlegungen
ausdrücklich als Lpekulationen bezeichnet habe, von
denen ich nicht verlangte, daß sie solchergestalt Zemand
überzengen müßten.
Nkeine Behauptung, größte Naturähnlichkeit eines
Nunstwerks sei bedenklich, weil sie zum vergleich mit
der Natur herausfordere, nennt Lchumann einen selbst-
gemachten Lcheingrund. Zch kann das nicht zugeben.
Ie natürlicher ein Merk ist, um so störender empfinden
wir den Nkangel wirklichen Lebens. Das erzeugt
einen Zwiespalt in uns, der keine rechte Freude aus-
kommen läßt, und sich bis zum Lchreckhastem steigern
kann. wachsfiguren wirken aus diesem Grunde auch
nicht, wie Lchumann meint, natürlicher, sondern un-
natürlicher, als bemalte. Lassen sie uns doch anr leb-
haftesten den Bruch zwischen anscheinendem Leben und
Leblosigkeit empfinden. Lchumann vertauscht dann
(meine) Naturähnlichkeit mit Naturwahrheit und bringt
als Beweis, daß sich diese wohl mit großartigster
Auffassung vereinigen lasse, Donatellos bemalte Büste.
Zch muß zunächst im 2lllgemeinen verwahrung da-
gegen einlegen, daß man aus einzelnen Nunstwerken
die Berechtigung einer gleichartigen Gattung ableiten
will. IVagners Merke, die Lchuniann ansührt, werden
gewiß mit Necht bewundert. Daß damit eine Aus-
drucksweise geschaffen wäre, in der auch andere
schaffen können, eine neue Art, glaube ich nicht.
Nkichel Angelos Runst hatte üble Folgen, nicht, weil
man ihn salsch verstand, sondern einsach, weil man
ihn nachahmen wollte.
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