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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 4.1890-1891

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Heft 23 (1. Septemberheft 1891)
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Rundschau
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11725#0371

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Bei vielen der beliebtesten Italiener feblt auch dieser ver- !
dünnte Geist, und man muß annebmen, daß er gleichermaßen i
denen fehle, die in Malern wie Oinea, Andreatti, Lhierici,
Brancaccio die Träger emer nationalen italienischen Aunst
erblicken. Ich sehe — auch bei dem in der letzten Zeit so
viclsach gepriesenen Brancaccio — allensalls einen nationalen
Gcschästsgeist, aber keine nationale künstlerische Rrast. Rünst-
lerische Krast und ernstes Strebm zeigt sich dagegen in hohem
Maße bei Gola, chilipxini, !vegantini, überhaupt bei
den hier vorzüglich vertretenen Mailändern.

Die Franzosen, die man nicht zu den romanischen
Nationen rechnen sollte, weil bei ihnen durchaus das gallische
Tlement vorherrscht, sind mit ihrer cupiäitLs remm novLrum
die beständigen Anreger. Ts sind hier in einer kleinen rück-
schauenden Ausstellung alle diejenigen vorgeführt, die in den
letzten Iahrzehnten mehr oder weniger bedeutend die curoxäische
Kunst beeinslußt haben. Neben ihnen die Neuesten, Niele
aus dem diesjährigen Alarsseldsalon, hcrvorragend Besnard,

Boldini und der Lkandinavier Zlnders Zorn, der inmitten
dieser chranzosen in seiner gesunden Frische mich an den Aus-
spruch erinnert, daß man als Argonaut neuer Ideale zu
allererst Lines nötig habe: die große Gesundheit, eine solche,
welche man nicht nur hat, sondern auch beständig erwirbt
und erwerben muß, weil man sie immer wieder preis giebt,
xreis geben muß.

Auch in der außergewöhnlich wertvollen Zammlung von
lVerken der sdlastik stehen neben dem deutschen Adols childe-
brand, der mit einer Zonderausstellung von zwanzig lVerken
vertreten ist, und einzelnen Franzosen, die Nordgernianen,
besonders Belgier und Lkandinavier an der Lpitze.

cherman Lichseld.

Nachschrist. Nach Lrössnnng der Ausstellung sind
zu den schon erwähnten Sammelausstellungen noch hinzuge-
kommen, solche von ch. A. von Uaulbach und von Lenbach.
Unter den Werken des letzteren sesselt besonders ein geist-
sprühender „Döllinger".

Auf Zeite 328 (Aw. IV, 2 t) soll in der ersten Zpalte
Zeile 2 von unten statt „Albthal" stehen: „Taunuslandschast"
und in der zweiten Spalte Zeile to von unten soll es statt
„denen an Lichtsülle" heißen: „dem an Lichtfülle".

Zum Scbwindel mit nlten äLildern teilt der „Dr.
A." das solgende Nislörchen mit, als typisch sür viele
ähnliche. „lVurde da vor kurzem von einem «altrcnommirten>
chause in fL. die Versteigerung einer alten berühmten Samm-
lung angekündigt. Der Auktionskatalog erschien uud war in
schönster Mrdnung. Tbcnso verlies der erste Versteigerungs-
tag ohne jeden Zwischensall. Am zweiten Tage war iin Laale
ein Bildnis, angeblich von Franz chals, ausgestellt, das nicht
zur Sammluug gehörte und nicht im Rataloge verzeichnet
war: ein kostbares Stück mit der vollständigen Unterschrist
des berühmten bjarlemer Nteisters, was bekanntlich äußerst
selten ist. Die Urteile der anwesendcn hervorragenden Renner
lauteten sreilich übercinstimmend sehr bös: Schwindell Ge-
meine Fälschungl Reine Spur von Franz chalsl pariser

chabrikat von gestern! usw. Das hinderte aber nicht, daß das
Bild bei der Versteigerung als Nr. 5Zd eingeschoben und bis
zu t6 000 lNark in die ksöhe getrieben und zugeschlagen wurde.
von den anwesenden Vertretern der öfsentlichm Sammlungen
zu Amsterdam, Berlin, Aöln, jdaris, 5chwerin usw. hatte
sreilich keiner auch nur einen Psifferling geboten; Lrstcher
war bserr — sagen wir — Rriegsrat Lj. in Z. Armer be-
trogener Ariegsrat! wird mancher Leser denken. Die Sache
liegt aber anders. Der bserr — Ariegsrat denkt nicht daran,
Bilder sür seineu j)rivatbesitz zu kaufen. Lr hat den be-
rühmten Franz chals vielleicht nicht einmal gesehen und be-
kommt ihn überhaupt nicht in die chände. bserr - Ariegs-
rat I). ist überhaupt dem Renner als ein geriebener Bilder-
agent vorgestellt, während ihn der harmlose Nichtkenner sür
einen reichen 5ammler halten mag. Der chranz lhals wandert
denn auch nicht nach Z., sondern ganz einfach in das Magazin
des cherrn cL. zurück; und wenn dieser unvorsichtig ist, so sieht
ihn da auch wohl einmal ein Besucher der betreffenden Auktion
wieder, der dann höchlichst verwundert sein wird, wenn er
eben den Rummel nicht kennt. Zn welchem Zwecke dient
denn nun aber diese ganze Spiegelfechterei? Die Versteigerung
hat nur den Ivert einer Tause! Zwei, drei Iahre ruht der
neugebackene chranz ksals. Inzwischen ist in den bekannten
Runstzeitschristen «Der Sammler», «Runstchronik» usw. ganz
wahrheitsgemäßig berichtet worden: Männliches bezeichnetes
Bildnis von Franz chals (oder vielleicht gar: angeblich von
chranz chals) ging weg sür t^ooo Mark. Da wird eine neue
Versteigerung vielleicht wieder in T., vielleicht auch in j)aris
oder sonstwo angekündigt. Im Auktionskatalog steht wieder
ein männliches Bildnis von Franz kjals verzeichnet; diesmal
aber mit dem gewichtigen Zusatze: ging tbyo bei der Ver-
steigerung von der Anoll in sür t^ooo Mark weg. Aus
diesen Aöder beißt nnn eher ein Aunstsammlcr an, der nicht
ties in die Geheimnisse des Runsthandelschwindels eingeweiht
ist. Das Bild hat ja nun schon eine Geschichte. es steht ihm
ein urkundlicher Beweis für seine Lchtheit in jenem Ver-
sieigerungsberichte zur Seite Vielleicht wird der ganze Schwindel
auch zweimal mit steigender Raussumme in 5zene gesetzt, ehe
das Bild in die rechten chände eines — gründlich betrogenen
Aunstsammlers gerät, der dann natürlich aus die Lchtheit
seiner jDariser Lroute Stein und Bein schwört. Solche Dinge
geschchen bei dcn Versteigerungen berühmter Zammlungen;
ein bekannter Aunsthistoriker, der kein Blatt vor den Mund
zu nehmen psiegt, bezeichnete das Verfahren in einem Falle,
dem er beiwohnte, schlechtweg als modernen Straßenraub.
Dic Lehre, die der unerfahrene Aunstsreund von dem Lrzählten
entnehmen mag, ist, daß er sich vor eingeschobenen Nummern
bei Versteigerungen besonders in acht zu nehmen hat, und
daß er auch den Verweisen auf srühere Versteigerungen mit
Nißtrauen begegnen soll. In jedem Falle empfiehlt es sich,
zu untersuchen, ob nicht ctwa jene erste Versteigerung nur
eine Tause sür spätere Gimpel gewesen ist. Leider ist es
recht schwer, dem ganzen Schwindel, der in voller Gffentlichkeit
vor sich geht, strafrechtlich zu Leibe zu gehen."

Nus der Wückerei.

Soziale Scbrikteu. In soeben in deutscher Uebcr-
setzung (bei L. Fischer in Berlin) erschienenen „sozialen Be-
trachtungen" behandelt Gras Leo Tolstoj mit bitterböser
Latire und unter allen Anzeichen tiesster Lrregung das Thema
„Geld!" Zolas neuester Roman, der fast den gleichen Titel
sührt, ist erst kürzlich in dicsen Blättern angezeigt worden.
Ls kann kein deutlicheres Zeugnis geben sür den Untcrschicd
zwischen dem, was die heutige Aunst erstrebt, die der not-

wendige Ausdruck der geschichtlich gewordenen Verhältnisse
von heute ist, und dem, was die Runst von ehedem erstrebte,
als diese Beschästigung zweier der bedeutendsten Schriststeller
mit dcm Problem des „Geldes". Das riesenhaste Zlnwachsen
dcr Nacht des Rapitalismus, die gewaltige Reaktion gegen
sie durch die soziale Gährung allerwärts — das sind die
bciden Gewitterwolken, die von verschiedenen chimmelsgegenden
her so düstcr emporwachsen, daß sie die blaue Aetherwelt

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