entwickelt. Das kommt nur daher, daß die j)hantasie
am schon körperlich Gewordenem leichter und krästiger
weiterspinnt. Äe kann aber auch salsche Fäden daran
spinnen, das beweist die Thatsache, daß vortresfliche
Aunstentwürse, „Runstideen", so leicht verdorben wer-
den bei der Aussührung.
wir wiederholen: waltet ein allgütiger Dater über
uns, der Allem, was ist, und so auch der Äunst einen
Zweck gesetzt hat, so sind doch wir Menschen nicht
im Stande, diesen Zweck zu verstehen, und wir han-
deln Unrecht, wollen wir nur, was gerade uns, den
Sprechenden, als hoch und hehr erscheint, als das
allein Lsohe und Lserrliche hinstellen. Daß die reinsten
Aunstwerke, die wir besitzen, nicht von rNenschen in
absichtsvoller Weise zwecks einer bestiinmten Mirkung
geschaffen sind, das serner wissen wir, und so werden
wir wohl thun, auch in diesem Sinne nicht immer
nach einem Zwecke zu sorschen. Die Frage: „hat denn
die Runst keinen Zweck?" wäre sreilich ebenso irrig;
auch sie nähme eine Beziehung an, die nicht besteht.
«Lin Lonnenausgang hat auch weder einen Zweck,
noch hat er keinen, er hat aber eine wirkung aus
uns und er ist selber eine wirkung. Line wirkung
auf uns h a t auch die Runst, weil sie die wirkung i st
von seelisch Bedeutungsvollem in anderen Wenschen,
das sich sür unsere Seele offenbart. Geben wir
uns diesem nicht unbesangen hin im Genuß, und vor-
aussetzungslos sragend nach seiner Beschaffenheit in
in der Rritik, legen wir vielmehr den wlaßstab eines
„Zweckes" an, von dem wir nichts wissen, so machen
wir uns von Ansang an einer falschen Fragestellung
schuldig.
DLcbtunq. UNdScl) A U.
* Dermann Nllmers' siebenzigsten Geburtstag
seierten vor Allem die Nordwestdeutschen, sür deren
Familien das Allmerssche „Warschenbuch" ein rechtes
bjeiinats- und k^ausbuch ist. Als Dichter ist Allmers
„ein Mann des vorigen Geschlechts", einer von
denen, die vor allem überall die Lchönheit suchten,
sür den Reiz des Tharakteristischen aber nur
dann voll empsänglich waren, wenn es ffch zugleich
formal wohlgesällig darstellte. wir dürsen mit unserer
Überzeugung nicht zurückhalten: die Allmerssche poesie
zeigt uns in der Mehrzahl ihrer Gaben das wesen
der Lpigonendichtung, nur in einigen findet recht
ursprüngliches Lmpffnden auch ein recht eigenes wort.
Das meiste ist vornehm, sein, liebenswürdig, aber
ohne recht sesselnde Ligenart. Nun, wer daran denkt,
wie vielen jungen und alten Leelen Allmers durch
sein begeistertes wort vom Wund durchs Ghr oder
vom Buch durchs Auge (man denke an seine „Nö-
mischen Schlendertage" !) das bserz sür Lchönes weiter
geöffnet hat, der würde sein wirken sür ein reich
gesegnetes halten müssen, auch wenn er den Dichter-
lorbeer nicht mit gar reichem Itaube um seine Ltirne
grünen sähe.
n Zn Lsamburg ist derLenatssekretär OtW Delkelle
gestorben, „bekannt durch seine archivalischen Ltudien
und Bücher zur Gamburgischen Geschichte", wie die
Tagesblätter vernrelden. Denen, die ihn in seinem
Lchreiben wirklich kennen gelernt haben, war er noch
aus einem andern Grunde bekannt. Nlan lese ein-
mal sein Buch „Von unehrlichen Ceuten" und man
zeihe mich der Übertreibung: Beneke war ein Weister
der Lrzählkunst, der, hätt er's werden wollen,
ein s)rosadichter geworden wäre, vor dem man den
Üut ziehen dürste. Ls ist eine 2lnschaulichkeit, Rlar-
heit, wärme, Rrast in seiner Lrzählungsart, die be-
wundern muß, wer sie genießt. Übrigens hat Beneke
vor langer Zeit auch „Gedichte" herausgegeben, und
es waren sehr strenge Nritiker unter denen, die
manche davon anch sür wirkliche poesie hielten. Lo
der Ltrengste der Ltrengen in dieser Beziehung,
Theodor Ltorm; er vertrat Beneke in seinem „Lsaus-
buche."
Lrzäblende Dicbtungen. VII.
Liner alten Iugenderinnerung, dem „Naturwissenschast-
lichen wanderverein", der in den siebziger Iahren das Llb°
thal und die Gründe uin Dresden auf- und abstreifte, hat
wolsgang Airchbach seinen neuen Roman gewidinet, den
Roman in drei Büchern „Der weltfahrer" (Dresden, pierson).
Dorsitzender jener natursorschenden Gesellschaft von Gym-
nasiasten war der jetzige Leiter des „Kunstwarts", auch der
Schreiber dieser Zeilen hat zwar nicht mitgesorscht, ist aber
inanchinal initgewandert:
„Iung in srischen Frühlingstagen
sind wir in die welt gefahren".
lewpoiL wntLntnr. Zn jenem ersten Zahrzehnt des neu-
errichteten Reiches schien die Naturwissenschaft die Ljerrfchaft
über die Geister sast endgiltig angetreten zu haben. lVir
alle ziehen am Triuinphwagen der Naturwissenschaft, schrieb
wilhelin 5cherer, dessen Aufsteigen auch von jener Welle ge-
tragen wurde. was lVunder, wenn der Gyinnasiasten-
enthusiasinus Darwin feierte als den Löser des lVelträtsels und
allen Idealismus abthun wollte — aus lauterem Idealismus?
lVie die poesie bestehen wollte in diejer lVelt, die bei strenger
Ronventionalstrafe nur aus Rraft und Stoff bestehen durfte,
kümmerte uns wenig; Iugend ist Trunkenheit ohne lVein,
ist auch Poesie ohne Reim nnd llletrum. Die rcichspatriotische
Dichtung der Dahn nsw. konnte uns nicht viel sein, was
vielleicht manchen wundert, da diese mit lVorten fchnellfertige
Dichtung besonders an jugendliche, leichtentzündliche Gemüter
sich zu wenden scheint. Eine andre neue lveise kam uns aus
Berlin, aus Lindaus neugegründeter „Gegenwart" entgegen
zu der Zeit, da „lllaria und Magdalena" noch Sensationsstück
war. Ligentlich kam die neue lVeise nur über Berlin aus
j)aris, aus dem von deutschen lheeren umringten, von der
Rommune verwüsteten Seinebabel: nur nicht langweilig, nur
nicht zu ernsthaft — letzte, höchste Instanz ift der lVitz, wer
über eine Sache einen lVitz, eine geistreiche Bemerkung ge-
macht hat, hat sie entschieden — das ist weltmännilch und
weltstädtisch. lllehr als ein deutschcr Iournalist hat seitdem
damit, daß er von s)aris mit so viel „Esprit" zu crzählen
wußte, sein Recht, über deutsche Dinge ein lVort mitzureden,
erwiesen. Und von Paris kam uns die unfrohe Botschaft des
Naturalismus, in eine Art System gebracht, erwiesen und
verkörpert durch Zolas Romane, der selber aus dem Iour-
nalistenstande emporgekommen, mit der Firigkeit und Findig-
keit des Reporters hinter den verschiedensten Stoffen und
Problemen her war. Ein Band führt in die Schnapskneipe,
der andere in die Schatten des gotischen Domes; ein Band
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