LpreckSÄÄl.
CNntcr sacblicber vcrantwortung dcr Linsender.)
In Sachen: „Runst nnd Schule".
I,t seinem Aussatze über „Runst und Schule"
(Rw. IV. 2) hat s?aul Schumann iit sehr dankens-
werter und einleuchtender weise einerseits die Not-
wendigkeitz attderseits die Manier des Aunstunterrichts
auseinandergesetzt. Im Verlause der Darlegung komntt
er auch aus nteinen 2lrtikel in der „Neuen deutschen
Schule" (t890, II, 4) zu sprechen. Ich freue mich,
daß Schumanit in dein Lsauxtxunkte mit mir über-
einstimmt. Lr äußerte sodann, daß zur kulturgeschicht-
lichen Ilnterstützung auch eine „ästhetische Betracht-
ungsweise" kommen muß. Ich bin vollkommen der
Aleinung des bserrn versassers und habe dies auch
in meinem «Lssay kurz ausgesxrochen, indem ich be-
tonte, die Rünstler müßten ihrer geistigen Indivi-
dualität nach durchgesxrochen werden. Daß Schu-
ntann nicht ganz erkannt hat, was ich damit sagen
wollte, ist wohl mehr meine Schuld, als die seiuige.
Ich war durch deu mir zu Gebote stehenden Raum
gezwungen, eine möglichst knaxxe Ausdrucksweise zu
wählen und überdies schrieb ich die Abhandlung vor
etwa zwei und einem halben sZahre auf einer Studien-
reise — unter Durchsxrechung der „geistigen Indivi-
dualität" verstehe ich, kurz gesagt, Lrklärung der
speziellen künstlerischen Ligenart eines Nleisters. Gs
würde z. B. bei Thorwaldsen u. a. sein Neliefstil er-
läutert werden müssen, da dessen Besonderheit zu dem
künstlerischen Besitztum eben dieses Bildhauers gehört.
Tiuem etwas ernsteren Alißverständnis finde ich
jedoch meine folgenden IVorte ausgesetzt. Ich sage
(S. t56 a. a. G.): „Die Zahleu und Daten müssen
nur das Geripxe abgeben; ebenso ist es sehr über-
flüssig, die Schüler mit technischen, gelehrten
Ausdrücken bekannt zu machen, die nur dazu dienen,
Gberflächlichkeit und Geschwätzigkeit zu erzieheu".
Schumann rexlizirt darauf, indem er meine Ansicht
hinsichtlich der technischen Ausdrücke als „grundfalsch"
bezeichnet und folgendermaßen fortfährt: „IVie will
ich denn mein Runstverständnis bethätigen, wenn ich
z. B. für die Bildhauerei nichts weiß von Nhythmus,
Tbenmaß, Linienführung, malerischer und rein xlastischer
Auffassung, cvtil, Nlanier, Rompofition usw.? IVie
wollen wir denn die oberflächliche Schwätzerei über
Zdealisnms und Nealismus ausrotten, wenn wir
nicht schon die Zugend über den ganz relativen, sich
entwickelnden und unficheren IVert dieser Worte auf-
klären?" Ts wird mir niemals in den Sinn komnien,
die Nichtigkeit diefer Behauxtung Schumanns im
Geringsten anzufechten, aber ebensowenig bin ich über-
zeugt, daß er im Recht ist, wenn er mir derartige
Gedanken unter Beziehung auf meinen oben zitirten
Aussxruch zur Last legt. „Technische Ausdrücke" sind
mit andern IVorten Benennungen, welche sich aus
der „Technik" entwickelt haben, aus ihr entflossen
sind. Nhythmus, Linienführung, malerische, xlastische
Auffafsung usw. sind Begriffe, welche sich aus dem
durch technische und geistige Arbeit hergestellten Runst-
werk ableiten. Zch habe nur sagen wollen, daß es
überflüssig ist, einen „G>'innasiasten" — denn mein
Aufsatz war für eine höhere Schule geschrieben —
mit „technischen Ausdrücken" bekannt zu machen, wie
z. B. chaltung eines Bildes, xastöse Nlalerei, breite
jAnselführung, elegante Nleißelführung, zu starkes
Benutzen der Naspel, nicht genügende Anwendung
des Ziselireisens, zu starke Abdrehung, gestelzte Nixxeu)
stark ausladende Verkröxfungen, Tntasis, Schwalben-
schwanzverbindung u. s. f. Solche termiui sind auf
einer höheren Unterrichtsanstalt für Rnaben und
Nlädchen völlig, oder wenigstens so sehr, wie nur
irgeud möglich zu vermeiden. Selbst auf Nniversitäten
sollten in den Rollegien, welche publics für alle Fakul-
täten gelesen werden, derartige Bezeichnungen thun-
lichst vermieden werden. Zch weiß aus Trfahrung,
wie gut man auch ohne solche gelehrten, in der That
nur für den Lachmann geeigneten Benennungen aus-
kommen kann und andererseits, wie entsetzlich man
gexeinigt werden kann, wenn man dieselben in
Galerien usw. von Laien hören muß, die sich auf
die Renntnis dieser und ähnlicher fachmännischer Aus-
drücke etwas einbilden und sie in Folge dessen so oft,
wie sie nur irgend anwendbar sind, benutzen.
Da ein ^ehrer, wie gesagt, in einer Schule so
gut wie ganz ohne eine I)eranziehung von zum Teil
ziemlich schwierig zu erklärenden technischen Bezeich-
nungen auskommen kann, fo muß ich auch heute noch
es als überflüssig und schädlich bezeichnen, wenn sie
gebraucht werden, ohne mich im Geringsten gegen
ästhetische Trklärungen, wie sie Schumann angiebt,
aussxrechen zu wollen. Der Verfasser schreibt aber
ferner (S. 20 seines Aufsatzes): „ueben den ästhetischen
und kulturgeschichtlichen Bemerkungen sind dabei auch
Trläuterungen der Technik als höchst wertvoll nicht
zu vergesseu. Der chchüler muß vom Bilden in Thon,
vom Gießen in Gips und Bronze, vom Treiben und
Arbeiten in Nlarmor einen vollen Begriff erhalten.
Selbstverständlich ist es, daß dieser Unterricht möglichst
vor den Runstwerken selbst, also in den Nluseen zu
erteilen ist; sind solche nicht vorhanden, so müssen
einzelne Gixsabgüsse und Abbildungswerke aushelfen.
Ghne Anschauungsmittel würde der ganze Unterricht
unnütz sein". So sehr ich wünsche, daß eine solche
Unterweisungsmethode einmal herrschen möge, so sehr
muß ich bezweifeln, daß auf dem angegebenen IVege
dieselbe zu verwirklicheu ist. Zn den Nluseen, vor
den fertigen Runstwerken kann man einem Laien,
einem Rinde, so gut wie gar keinen Begriff von
der Technik geben. Schon einzig die allmähliche
Lserstellung eines Bildes, einer )vtatue ist unendlich
schwer, einem Rinde an dem vollendeten Iverke klar
zu machen, geschweige denn Gießen und Treiben.
IVill man solche Ziele erreichen, so muß man in die
„Fabriken" gehen. Und hat man gar nur Bilder-
bogen zur I^aud, so wird man am besten thun, still-
zuschweigen. Der tziehrer kann oberflächliche Trklär-
ungen geben, wie gemalt, wie Farbe gerieben und
angerührt wird, den Unterschied von Temxera und
Gel erläutern, versuchen, eine Anschauung zu geben,
wie ein Gewölbe sich zusammenbauen und halten
soll, und derartige Allgemeinheiten mehr; aber dar-
über hinaus darf man fraglos nicht gehen. N)ird
allerdings Görings Nlethode einmal IVirklichkeit,
dann darf man derartiges riskiren; denn sein Schul-
xlan sieht Besuche von Ateliers, Fabriken usw. vor —
bei unseren jetzigen Tinrichtungen darf man jedoch
die erwähnten Versuche nur mit der allergrößten
Vorficht vornehmen.
— 13S —