Gewisse Aunstleistungen sind eben der Ausdruck
einer ganz besonderen Begabnng, die gegen die Negel
verstößt und doch Unanfechtbares liesert. Daß Burck-
hardt von der an bemalten Büsten nicht armen
Nenaissance übrigens selber sagß sie habe dem Uzzano
kein zweites Bildnis an die Seite zu stellen, scheint
mir auch nicht für die Möglichkeit erfolgreicher Ver-
allgemeinerung zu sprechen. Lsinzugerechnet, daß die
Lrage, wie sich neben der bemalten Büste die gleiche
in schönem Marmor ausnehrnen würde, noch offen
bleibt, und daß ihre ursprüngliche Färbung dnrch vier
Zahrhunderte mit einer abstnmpfenden — wahrschein-
lich künstlich garnicht herznstellenden j)atina veredelt
ist. So kann ich diesem einen Beispiel glücklicher
lDirkung der Dolychromie nicht weichen.
Meine Bedenken bezüglich der Berdeckung des
Materials dnrch die Bemalung sucht chchumann nüt
dem bflnweis auf Larben zu zerstreuen, die es durch-
scheinen lassen. Gs handelt sich in dem Lalle wohl
mehr um Tönung, Bemalung ohne Decknng des
Grundes habe ich noch nicht gesehen. Auch so aber
bleibt ein wesentlicher Unterschied zwischen verstandes-
gemäßem Trkennen und Tmpfinden eines N7aterials.
Tine nnt bsunbeersaft übergossene Marmorbüste bleibt
Marmor für meinen Verstand; für meine Lmxfindung
nicht. Das ist, was ich meine nnd gleich anfangs
mehr hätte entwickeln können.
Ich muß bei dieser Gelegenheit zwei Fragen anf-
nehmen, die chchumann in der Zuversicht stellt, daß
sie nicht zu beantworten seien. „U)er", sagt er ein-
mal entrüstet, „verlangt denn volle Bemalung?" und
„U)ie kann man von bunt oder einfarbig reden?
wir behaupten doch nur von Fall zu Fall, ein Bild-
werk könne durch Farbe gewinnen." Letzteres ist zwar
nicht fest formulirt, steht aber deutlich zwischen den
Zeilen. Zu t erwidere ich, daß sich chchumann selbst
auf voll bemalte Bildwerke (der Dresdner chammlung)
bernft, daß er die voll bemalten Arbeiten eines
Berliner Aünstlers an anderer chtelle geschätzt hat nnd
daß die bekannte Ausstellung in der Nationalgalerie,
die darthnn sollte, was die bnnte jlllchHk zn leisten
vermöge, reichlich voll bemalte tVerke enthielt. Das
beweist, daß ich nicht mit chchatten fechte! Zn 2:
Die Nesignation, daß die Bemalung in einzelnen Fällen
doch ersprießlich sein könne, ist ursprünglich nicht vor-
handen gewesen. Bei Lechner, der der Bemalung
zuerst spmpathisch gegenüberstand, später fedoch aufs
nachdrücklichste gegen sie schrieb, und auch bei späteren
Bertretern der Dolpchromie ist keineswegs von einer
Bemalung für einzelne Fälle die Nede, sondern es
heißt ziemlich dentlich: „entweder oder." Die Duldung,
die hierbei gegen farblose Nkeisterwerke geübt ward,
deren wirkung man sich ehrlicherweise nicht entziehen
konnte, habe ich unlogisch genannt, weil ich allerdings
Aus der Kücberei.
meine, daß jede Nunst eine ganz bestinnnte Ausdrucks-
weise hat.
Zch übergehe Schumanns Änßerungen über die
Nllachssiguren und komme zu einein j)assus, der nnch
verwundert hat. IVenn ich Leldmanns ^atz ansühre:
die Larbe ist nichts rein den Dingen Anhaftendes,
hängt von ihrer ganzen Umgebung mit Licht und
^uft ab und kann nur zusammen mit ihnen, wie durch
die Ntalerei, übertragen werden, und ^chumann setzt
hinzu: warum denn das Letztere? Rein chtänbchen
eines Grundes ist angegeben! — so verstehe ich das
nicht. Zch verstehe auch nicht den Schlnß: ein Ge-
mälde bedarf zur vollen Wirknng der richtigen farbigen
Umgebung und des richtigen Lichtes — wie das
farbige Bildwerk. Schumann sieht in dem Falle im
Nunstwerk hauptsächlich ein Dekorationsstück. Ts
giebt Bilder, die wegen ihrer Größe aus einiger
Tntfernung angesehen werden nmssen, so daß man
unwillkürlich ein chtück Umgebung initsieht. b)ler
kann die farbige Ullirkung dnrch die Tönung leiden:
das wäre denkbar. Darans ergiebt sich aber als
Forderung leichthin die Abwesenheit störender Tlemente.
U)erke, deren Ullirkung positiv durch die Umgebung
erst gehoben oder gar hervorgebracht werden soll,
sind untergeordnete. Tin echtes malerisches U)erk
schließt für mich mit dem Nahmen ab. cheine Ullirkung
ist gesichert, wenn es das nötige (tZuantnm Licht von
rechts, von links oder von oben bekommt. Ullahr-
scheinlich wird eine Anfstellung die beste sein. Gnt
sind aber auch die andern. cho ist es aucb beim
Bildwerk, dessen Reize durch wechselnde Beleuchtung
geradezu erst erschöpft werden. Die von mir bean-
standete Bemalung eines bildnerischen Nunstwerks für
eine bestimmte Beleuchtung und farbige Umgebung
müßte wunderliche Früchte zeitigen. Zch weiß übrigens
von einem bemalenden Bildhauer, der, wenn er eine
Büste machen will, erst zum Besteller in die Ullohnung
geht, um sich den jAatz anzuseheu, wo sie steheu soll.
Daß chchumaun für rnein: die Bemalung „müßte"
die plastische Lormeiigebung mit der Zeit verrohen,
nur ein „könne" zugesteht, mag augehen. Seine
chchlußberufung aber auf die Nleiuung der Uunst-
freunde, die geteilt sei in der Neigung für bunt oder
einfarbig, scheint mir gewagt. Die ganze Bewegung
ist nicht etwa die Lolge eines bei Nünstlern oder
Nunstliebhabern rege gewordenen Bedürfnisses nach
Larbe in der jAastik, sondern einer schätzbaren An-
regung von Seiten der historischen Forschung. Das
Dublikum steht darum auch deu bezüglicheu Bestrebungeu
kühl bis aus kherz gegenüber. — Zch möchte zum
chchlusse uoch feststellen, daß Schumann die bsauptfrage
meiuer Trörterungeu ganz bei cheite gelassen hat.
Die heißt: verträgt sich überhaupt die Form mit
der Larbe? Nbit dieser steht und fällt die ganze
Bemalungslehre. Zch kann sie nur verueinen.
Lriedrich Offermann.
Goetbe und dte italieniscbe Ikunsl. Non And reas
kseusler (Basel, (89z). Der Litel dieser kleinen Schrift ist
irreführend, der Verfasser behandelt nur die Stellung Goethes
zur italienischen Aunst während dessen italienischer Reise; da-
durch wird das Theina wesentlich beschränkt und ebenso auch
das Ouellemnaterial. Denn für cheuslers Zweck konnnen
unter diesen Umständen vor allem die gleichzeitigen Ieugnisse
Goethes in ffrage, nicht die Urteile der in den gesammelten
Nlerken sich findenden viel später zusammengestelltcn Italienischen
Reise. bsauptquelle ist das Tagebuch an ffrau von Stein.
Immerhin zieht loeusler hie und da auch Stellen bei, die
diesen xrimären Mert nicht besitzen, was der Beweisführung
nicht zum Nutzen gereicht. Das Lrgebnis der schöngeschriebenen
und klar durchdachten Abhandlung faßt sich dahin zusammeu:
Goethe tritt mit den von der Äntike hergeholten Naßstäben
an die italienische Runst heran; so kommt für ihn die Skulxtur
204 -
einer ganz besonderen Begabnng, die gegen die Negel
verstößt und doch Unanfechtbares liesert. Daß Burck-
hardt von der an bemalten Büsten nicht armen
Nenaissance übrigens selber sagß sie habe dem Uzzano
kein zweites Bildnis an die Seite zu stellen, scheint
mir auch nicht für die Möglichkeit erfolgreicher Ver-
allgemeinerung zu sprechen. Lsinzugerechnet, daß die
Lrage, wie sich neben der bemalten Büste die gleiche
in schönem Marmor ausnehrnen würde, noch offen
bleibt, und daß ihre ursprüngliche Färbung dnrch vier
Zahrhunderte mit einer abstnmpfenden — wahrschein-
lich künstlich garnicht herznstellenden j)atina veredelt
ist. So kann ich diesem einen Beispiel glücklicher
lDirkung der Dolychromie nicht weichen.
Meine Bedenken bezüglich der Berdeckung des
Materials dnrch die Bemalung sucht chchumann nüt
dem bflnweis auf Larben zu zerstreuen, die es durch-
scheinen lassen. Gs handelt sich in dem Lalle wohl
mehr um Tönung, Bemalung ohne Decknng des
Grundes habe ich noch nicht gesehen. Auch so aber
bleibt ein wesentlicher Unterschied zwischen verstandes-
gemäßem Trkennen und Tmpfinden eines N7aterials.
Tine nnt bsunbeersaft übergossene Marmorbüste bleibt
Marmor für meinen Verstand; für meine Lmxfindung
nicht. Das ist, was ich meine nnd gleich anfangs
mehr hätte entwickeln können.
Ich muß bei dieser Gelegenheit zwei Fragen anf-
nehmen, die chchumann in der Zuversicht stellt, daß
sie nicht zu beantworten seien. „U)er", sagt er ein-
mal entrüstet, „verlangt denn volle Bemalung?" und
„U)ie kann man von bunt oder einfarbig reden?
wir behaupten doch nur von Fall zu Fall, ein Bild-
werk könne durch Farbe gewinnen." Letzteres ist zwar
nicht fest formulirt, steht aber deutlich zwischen den
Zeilen. Zu t erwidere ich, daß sich chchumann selbst
auf voll bemalte Bildwerke (der Dresdner chammlung)
bernft, daß er die voll bemalten Arbeiten eines
Berliner Aünstlers an anderer chtelle geschätzt hat nnd
daß die bekannte Ausstellung in der Nationalgalerie,
die darthnn sollte, was die bnnte jlllchHk zn leisten
vermöge, reichlich voll bemalte tVerke enthielt. Das
beweist, daß ich nicht mit chchatten fechte! Zn 2:
Die Nesignation, daß die Bemalung in einzelnen Fällen
doch ersprießlich sein könne, ist ursprünglich nicht vor-
handen gewesen. Bei Lechner, der der Bemalung
zuerst spmpathisch gegenüberstand, später fedoch aufs
nachdrücklichste gegen sie schrieb, und auch bei späteren
Bertretern der Dolpchromie ist keineswegs von einer
Bemalung für einzelne Fälle die Nede, sondern es
heißt ziemlich dentlich: „entweder oder." Die Duldung,
die hierbei gegen farblose Nkeisterwerke geübt ward,
deren wirkung man sich ehrlicherweise nicht entziehen
konnte, habe ich unlogisch genannt, weil ich allerdings
Aus der Kücberei.
meine, daß jede Nunst eine ganz bestinnnte Ausdrucks-
weise hat.
Zch übergehe Schumanns Änßerungen über die
Nllachssiguren und komme zu einein j)assus, der nnch
verwundert hat. IVenn ich Leldmanns ^atz ansühre:
die Larbe ist nichts rein den Dingen Anhaftendes,
hängt von ihrer ganzen Umgebung mit Licht und
^uft ab und kann nur zusammen mit ihnen, wie durch
die Ntalerei, übertragen werden, und ^chumann setzt
hinzu: warum denn das Letztere? Rein chtänbchen
eines Grundes ist angegeben! — so verstehe ich das
nicht. Zch verstehe auch nicht den Schlnß: ein Ge-
mälde bedarf zur vollen Wirknng der richtigen farbigen
Umgebung und des richtigen Lichtes — wie das
farbige Bildwerk. Schumann sieht in dem Falle im
Nunstwerk hauptsächlich ein Dekorationsstück. Ts
giebt Bilder, die wegen ihrer Größe aus einiger
Tntfernung angesehen werden nmssen, so daß man
unwillkürlich ein chtück Umgebung initsieht. b)ler
kann die farbige Ullirkung dnrch die Tönung leiden:
das wäre denkbar. Darans ergiebt sich aber als
Forderung leichthin die Abwesenheit störender Tlemente.
U)erke, deren Ullirkung positiv durch die Umgebung
erst gehoben oder gar hervorgebracht werden soll,
sind untergeordnete. Tin echtes malerisches U)erk
schließt für mich mit dem Nahmen ab. cheine Ullirkung
ist gesichert, wenn es das nötige (tZuantnm Licht von
rechts, von links oder von oben bekommt. Ullahr-
scheinlich wird eine Anfstellung die beste sein. Gnt
sind aber auch die andern. cho ist es aucb beim
Bildwerk, dessen Reize durch wechselnde Beleuchtung
geradezu erst erschöpft werden. Die von mir bean-
standete Bemalung eines bildnerischen Nunstwerks für
eine bestimmte Beleuchtung und farbige Umgebung
müßte wunderliche Früchte zeitigen. Zch weiß übrigens
von einem bemalenden Bildhauer, der, wenn er eine
Büste machen will, erst zum Besteller in die Ullohnung
geht, um sich den jAatz anzuseheu, wo sie steheu soll.
Daß chchumaun für rnein: die Bemalung „müßte"
die plastische Lormeiigebung mit der Zeit verrohen,
nur ein „könne" zugesteht, mag augehen. Seine
chchlußberufung aber auf die Nleiuung der Uunst-
freunde, die geteilt sei in der Neigung für bunt oder
einfarbig, scheint mir gewagt. Die ganze Bewegung
ist nicht etwa die Lolge eines bei Nünstlern oder
Nunstliebhabern rege gewordenen Bedürfnisses nach
Larbe in der jAastik, sondern einer schätzbaren An-
regung von Seiten der historischen Forschung. Das
Dublikum steht darum auch deu bezüglicheu Bestrebungeu
kühl bis aus kherz gegenüber. — Zch möchte zum
chchlusse uoch feststellen, daß Schumann die bsauptfrage
meiuer Trörterungeu ganz bei cheite gelassen hat.
Die heißt: verträgt sich überhaupt die Form mit
der Larbe? Nbit dieser steht und fällt die ganze
Bemalungslehre. Zch kann sie nur verueinen.
Lriedrich Offermann.
Goetbe und dte italieniscbe Ikunsl. Non And reas
kseusler (Basel, (89z). Der Litel dieser kleinen Schrift ist
irreführend, der Verfasser behandelt nur die Stellung Goethes
zur italienischen Aunst während dessen italienischer Reise; da-
durch wird das Theina wesentlich beschränkt und ebenso auch
das Ouellemnaterial. Denn für cheuslers Zweck konnnen
unter diesen Umständen vor allem die gleichzeitigen Ieugnisse
Goethes in ffrage, nicht die Urteile der in den gesammelten
Nlerken sich findenden viel später zusammengestelltcn Italienischen
Reise. bsauptquelle ist das Tagebuch an ffrau von Stein.
Immerhin zieht loeusler hie und da auch Stellen bei, die
diesen xrimären Mert nicht besitzen, was der Beweisführung
nicht zum Nutzen gereicht. Das Lrgebnis der schöngeschriebenen
und klar durchdachten Abhandlung faßt sich dahin zusammeu:
Goethe tritt mit den von der Äntike hergeholten Naßstäben
an die italienische Runst heran; so kommt für ihn die Skulxtur
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