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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 4.1890-1891

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Heft 10 (2. Februarheft 1891)
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Sprechsaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.11725#0164

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S!


Sprecksaal.

CAnter sacblicber verantwortung vcr Linsender.)


„Romantik" als Schimxfwort.

Ich übertreibe nicht: wenn Sie in Berlin oder
auch in Dresden einen ehrlichen Menschen, der nicht
aanz phantasie- und xoesieverlassen ist, nnmöglich
machen wollen, so brauchen )vie gar nichts weiter zu
thnn, als ihm das kuriose IDörtlein „Bomantiker"
anzuhängen. Ich weiß wohl, es sind schon dieke
Bücher über Bomantik, über die sog. romantische
^chule, geschrieben worden, und es giebt ossenbar
Leute, die sich redlich bemühten, sieb bei dem worte
auch etwas zu denken. Doch das sind tempi passnti,
und es wäre „romantisch" im Sinne der heutigen
Rritikaster — Aritikastraten, wortwitzelte s?aul Schön-
seld neulich sehr glüeklich —, wenn Sie den Anspruch
erhöben, sie sollten versuchen, irgend einen hastbaren
Sinn damit zu verbinden. Ls genügt ihnen, daß sie
ein beguemes ^chimpswort gesunden haben, wegen
dessen sie keiner geradezu aus Beleidigung belangen
kann. was sie im Grunde ihres Lserzens meinen,
das kann uns der alte Goethe sagen, denn der
dumme Unsug ist in der That gar nicht so ganz nen.
Goethe also (s. Bd. 2 9, t6H der Tottaschen ^lusg.
in 3 6 Bdn. t86?) sagt: „ . . . . so ist die Menge
gleich sertig, wenn sie alles, was dunkel, albern,
verworren, unv erstän d li ch ist, romantisch
nennt."

Gs ist kein Zweisel, daß der Alte hiernach die
meisten unserer so mächtig gescheiten Literatoren zn
dieser gleich sertigen Aäenge zählen würde.
Aber den ganzen Umsang und Znhalt des Schimpf-
wortes hat er lange nicht erschöpst. Ls ist, wie das
hebräische Alphabet, mit dem ein lustiger ^tudent
einmal ein Lischweib, eine sog. „Aalmutter" aus dem
Spittelmarkte in die Gnge trieb: Sie 2llexh! tvie
Beth, Sie Gimol, Sie Daled! Sie Lseh! )vie Maf!
nsw. Recht etwas Böses glaubt man gesagt zu
haben, wenn man vom „Nebeln und Schwebeln" des
Romantikers redet. wie so ist das romantisch?
Lin anderes ist kveltslucht des Nomantikers. Lr
haßt die ehrliche Arbeit. Rpropos, ^ie wissen doch,
daß nur in Berlin eigentlich gearbeitet wird, vom
Süddeutschen nun gar wird nur romantisch geduselt
und dergl.? Lr ist mystisch, am liebsten katholisch.
bsäufig ist „romantisch" bloß synonpm mit „alt-
modisch." ^o nehmen es die Gutherzigen unserer

ganz Modernen. Don Nealismus hat der Nomantiker
keine blasse Ahnung. Ginmal ist er v a t e r l a n d s l o s,
(so ist die bekannte, ost ausgemutzte „Blaue Blume" in
ders?oefie derSpanier, bei denZtalienernund Mrientalen
zu lhaus), das andere Akal wird ihm das beschränkt-
Nationale, der )vinn sür unsere Gigenart in Sprache
und Ätte, in Necht und Glauben, zum Tadel. ^luch
davon schon wußte Goethe. „Das Romantische, sagt
er, tritt an Leben, )vitte und Neligion heran, daher
Näuttersprache und )?andesgesinnung sjllatriotis-
mus! wir emxsehlen das Mort dem deutschen Bxrach-
vereine) sür romantisch gelten."

vor Allem jedoch ist der Romantiker ties unsitt-
lich. U?ie er arbeitsscheu ist, so haßt er die j?slicht,
die bürgerliche Sitte, hu! Lrlaubt ist, was gesällt,
das ist seine Devise. Gr sxottet über alles Deilige,
sogar über die wohlthätige j?olizei und den volks-
erziehenden Drill der Naserne. Lr setzt das eigene
Zch als den Näittelpunkt der Nllelt, die eigne sünd-
liche Lust als moralischen Gesetzgeber. Nsw., Usw.
— mit Linem Nllorte, er ist ein entsetzliches Scheu-
sal, vorne ein Löwe, in der NAtte Ziege und hinten
ein Drache.

k)abe ich zu viel gesagt? Lragen ^>ie mal z. B.
bei Zulian ^>chmidt an. Gott habe ihn selig, aber
von s?oesie wnßte seine Seele so viel, wie der Gsel
vom Lautenschlagen.

N?as ist also Nomantik? Line unendlich viel,
daher nichtssagende vokabel, die sich hente als
Schimpswort im Änne jenes studentischen „Du Alexh!"
muß gebrauchen lassen.

U)as sie aber instinktiv hassen, die jlliepenbrinks,
das ist die jlloesie selbst.

Nnd so schließe ich mit dem )cenion eines
modernen j?oeten, den zu nennen mir die Bescheiden-
heit verbietet: Nomantik.

Aus das Gebild der Nlusen
Tragen sie stillen Groll;

Sie können's nicht verknusen,

Sie wissen nicht, was es soll.

Doch muß man Namen geben,

So haßt sich's ganz samos;

Sie schelten's Nomantik eben,

Nleinen, nnn seien sie's los.

^anthi p x ns.

Leitungsscbau.

* bedeutet Kesprecbung von Linzelwerken, Z-: biidlicbe Lrläuterung dcr Nutsätze oder Keigabe von Kildnissen.

Diebtung. („Nener Stil II. neue Schönheit") Pfütze-Grotte-
witz, Mag. 6. — (Gedanken über „Nolksdichtung") Eigen-
brodt, T. N. 27. — (Grillparzer) Goldfchmidt, Gwart 2;
Lit. Merkur sff; F. A. v. kvinterfeld, Röln. Z. )5; Prölß,
Lpz. I., w. B. 5. — (L. T. A. bsoffmann) A. Godin,
M. N. N. 36. — (pichler) David, westerm. Mh. -^t3. —
(Liliencron) Busfe, Lit. Bl. 2. — (Tolstoj) Bistram, Dr.

Z. 2;ff. — (T. als Nramatiker) Schugay, Dtsch. Tgbl. 62.

— (^euillet) Reyher, Gwart 3. — („Galante Bücher")
Bahr, Gwart 2.

Tbeater. (Grillparzer n. d Theater) Müller-Guttenbrunn,
Mag. 5. — (Flora Iungmann) si Morin, D. B.-Rsch. ;8.

— (A. Alein) f Aloß, ebd. t". — (Schaufpielen eine Aunst)
Th. Alt, ebd.

^cZ, V e r k e l> r.

L. 1K. in 111. Mir können Ihnen mit besten Gewisfen
für den bewußten Zweck die unter Leitnng von Borgmann
stehende „Malerinnen-Schule" in Aarlsruhe empsehlen. Nach
Linziehung durchaus zuverlässiger privater Trkundigungen ist
dieses Institut durchaus ernst geleitet; es wird von den
Damen FlAß verlangt, sie lernen aber auch Tüchtiges.

G. 1K. in Ihrem Wunsch kommt ein neues Unter-
nehmen des nnermüdlichen Aürfchner entgegen. Seine thalb-
monatsfchrift „Ans fremden Zungen" (Berlag der Deutfchen
Derlagsanstalt in Btuttgart) ist guten Übersetzungen gewidmet.
Das erste bseft (mit Beiträgen von Zola, Loxpve, Muida und
Tolsioj) macht den erfreulichsten Lindruck.

(s!

Lin Lplelplan Mr das deutscbe Tbeater, von Lugen wolff. Illundsebau. Allgemeineres.
„Die Moderne". Theater. wichtigere Lchauspiel-Aufführungen, VII. Mufik. jdeter Gasts Vper
„kheimliche Liebe". wagner in Frankreich. Der Begriff „Musikalifch". Bildende Rünste. Aarl Stauffer-Bern si.
Lrnest Meissonier si. Rie Runst auf den öffentlichen jAätzen Berlins. Sprecbsaal- Aanthippus: Romantik als Schimpf-

wort. Leltuilgsscbau. verkebr.
 
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