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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 4.1890-1891

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Heft 21 (1. Augustheft 1891)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11725#0339

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n



oie Ligenart und die
dieser Beziehnng wird

einein Defizit belastet
vorgänger hinterließ.

Linheit der Rnnstform! Zn
seine Lrbschast allerdings mit

LprecksNAl.

OAntcr sacblicker vcrantwortung dcr Ltnsender.)

Aristokratische und demokratische Runst.

Äe wifien selber, daß noch ein ganzer Sack voll
wichtiger nnd heilsamer Lrwägungen hätte können
ansgeschüttet werden, als 5ie gegen den zornmütigen
Lrguß des Lserrn Ilg in chachen der „volkskunst"
austraten. Gestatten Sie, daß auch ich in diesen Ihren
vorratssack greife, um Ihren Lesern einmal die Auregung
zu geben, sich die Frage vorzulegen, was es denn
wohl mit den so oft vernommenen werturteilen auf
sich habe, wonach die Runst entweder aristokratisch
wäre, ja sein müsse, oder vielmehr demokratisch.

^ie waren, dünkt mich, fast allzu gutmütig, wenn
Sie dem schroffen vertreter des „Aristokratismus" die
Uuterstellung so durchgehen ließen, als betriebe der
„Runstwart" eigentlich die v e rx> ö b e l u n g der Runst.

Ls ist eine widerwärtige moderne Unsitte, auf alle
Fragen des geistigen Lebens die Uubra des politisch-
sozialen j?arteitreibens anzuwenden. Der Dichter soll
Uede stehen, ob er es mit dem bekanntlich rohen,
übermütigen „Iunker" halte, oder mit dem hungern-
den „volke", als ob er es nicht mit beiden zugleich
halten könnte, wenn z. B. der Iunker Bismarck hieße.

Als ob er aber, und das ist die Hauptsache, überhaupt
dazu da wäre, wiewohl ja leider Gottes ihrer Utauche
sich dazu für berufen achten, päpstlicher als der Papst,
kaiserlicher als der Raiser, freisinniger als Gugen
Uichter zu sein. Das ist allemal bloß ein Symptom der
Zeitkrankheit (augenblicklich ist sie der Influenza recht
ähnlich), die immer noch den Namen „Byzantinismus"
trägt, obwohl das Byzanz etwas nördlicher zu suchen
wäre. Diese Leute wollen ja sich fördern, nicht die
Sache, der zu dienen sie vorgeben, noch die j?ersonen,
denen die F-tiefel zu lecken sie so beflissen sind. Der
Rünstler weiß davon im Ganzen nichts.

Sehen wir auf die persöulichen Bekenntnisse großer
Uteister, so werden wir freilich oft, ja fast bei Allen,
auf Äußerungen stoßen, die ein hohes ^elbstgefühl
bekunden, eine stolze verachtung der Uiasse, einen
wirklichen Aristokratismus, aber mit dem Gefühl der
verbaunung, der vereinsamung. Zhr Trost mag die
Devise sein: mon tour vieuclru. Zeder große Rünstler
ist und muß in diesem Änne Aristokrat sein.

Zch will Sie mit der Sammlung solcher Aussprüche
nicht behelligen, aber einen gestatten 5ie mir, Zhnen
mitzuteilen, den Sie noch nicht kennen, da ich ihn —
indiskret genug! — dem j?rivatbriefe eines hochver-
dienten Ntusikers entnehme. Gs ist die Nede von der
Bearbeitung des ^chubertschen D-moll (l)uartetts ü cleux
muius. Da heißt es:

„Für den großen k^aufen existiren diese Formen
freilich nicht: das halte ich aber geradezu für einen
vorzug, weil sich heutzutage tausende von Schmutz-
händen nach Merken vornehmster Art ausstrecken, die
darunter doch nur leiden können. Die Runst demo-
kratisiren zu wollen, widerspricht ihrem Mesen
— unmittelbar offenbart fie fich nur Auserwählten

lT

bleiben, wie es keiner seiner

mittelbar fällt ja dann auf die Mafsen ein Bruch-
teil mit ab."

wir können aber auch die scheinbare Gegenprobe
machen. Mie oft ertönt aus dem Munde großer
Rünfiler die Rlage über den Unverstand des gebildeten
j)ublikums, wie oft die Sehusucht nach der unver-
brauchten Lmpfänglichkeit und naiven Genußkraft des
sogeuannten gemeinen Mannes! Der aristokratische
Rünstlcr, der verächter des Haufens, er will nichts
Besseres zum Llohne,als dasMitschwingen dervolksseele.

Mas ist also im Grunde diese Aristodemokratie?
Meder im politischen verstande Aristokratie oder
Demokratie, noch im ethischen Zchsucht oder j?hilan-
thropie, nein, sie ist das Bewußtsein der göttlichen
Berufung zum Disnste einer höchsten Menschlichkeitsan-
gelegenheit. Der Runst entgegen steht nie und nimmer
das Volk, aber das Banausentum, der gebildete j)öbel.

Sie aber und Ihre Freunde, wenn ihnen das un-
eigennützige Ningen für eine reine und edle volkskunst
als Tendenz der verpöbelnng der teuren aristo-
kratischen Runst ausgelegt wird, mögen sich des Be-
wußtseins getrösten, daß Sie vielmehr so viel an Ihnen
sieht, der vermauschelung der Runst entgegen-
wirken. 3canthippus.

kveil mein Lob in meinem eigenen Blatte immer-
hin beinah wie Tigenlob und daher übel klingt, hätt
ich den letzlen Satz ungern an dieser Stelle gesehen,
berührte er nicht einen j)unkt, den ich in seinem ver-
hältnis zum „Runstwart" etwas beleuchten möchte.
Die Auffassung der Literatur und der Runst als eines
Geschäftes, das im Grunde auch mit denselben Maß-
stäben gemessen werden müsse, wie ein „anderes" Ge-
schäft — welche Nachfrage hat es, was wirft es
ab? — ist unzweifelhaft ein Fluch, unter dem wir
leiden, und die auch von unbefangenen Zuden längst
zugegebene Thatsache, daß er in jüdischen Rreisen ver-
hältnismäßig seltener als Fluch empfunden wird, als
in anderen, erklärt des Herrn Linsenders Ausdruck
„vermauschelung". Aber es sind denn doch auch
noch andere ungünstige Tinflüsse auch unter uns
„Deutschen christlicher Ronfesfion" schon lange recht
wirksam gewesen — deshalb bin ich dafür, daß wir
nicht purtem pro toto zum Bezeichnen der Ursachen
wählen, die mit der Sucht nach dem Liuxus auch die
verwechselung von Luxus uud Schönheit heroorriefen.
lvir find in diesem Blatte bisher ohne Anti-, wie
ohne j?hilosemitismus ausgekommen, wir haben nach
unsern schwachen Rräften versucht, die Sachen selber
zu fördern oder zu bekämpfen, ohne Rückficht darauf,
wer ihre Träger waren, wir haben bei der kvahl
unserer Autarbeiter so wenig nach Nasse, Nationalität
oder Glauben wie nach politischer oder künstlerischer
j)artei gefragl, und so wollen wir's weiter halten.
kvir brächten mit Ausdrücken, wie „vermauschelung",
nur Zu- und Abneigungen in den Rreis unserer Be-
trachtungen, die als Gefühlssachen fernab liegen von
Beweis oder kviderlegung und uns hier weit eher
störten, als förderten. G A.


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