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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 4.1890-1891

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Heft 13 (1. Aprilheft)
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Rundschau
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11725#0209

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'H)

Maler Max Rlinger, Franz Stuck und Leopold Graf Ralck-
reuth jetzt eine derartige Sammclausstellung ihrer werke
veranstaltet.

Rlinger, der geniale Maler-Radirer, der phantasievolle,
gedankenreiche Zeichner ist ein unablässig vorwärtsstrcbender,
der zu einer immer vollkommeneren Beherrschung der tech-
nischen Mittel sortschreitet und aus seinem reichen inneren
Leben Merke von bezaubernder Schönheit oder unergründlicher
Tiese mit immer größerem Rönnen gestaltet.

Stuck, einer der talentvollsten unter den Münchener
Iungen, wird von den Linen in ebenso überschwänglicher
weise als Genie gefeiert, wie von den Andern ungerecht-
sertigt verspottet. Die Aritik bewcgt sich ihm gegenüber nnr
in der Forin der Begeisterung oder Lntrüstung. Bon einer
höheren warte aus betrachtet, als der Zinne dcr j)artei, er-
scheint er unzweiselhast als bedeutendes Talent, als ersindungs-
reicher, seinsühliger Aolorist, neben Alinger aber doch nur
als oberslächlich sinnliche Natur. Die Alingerschen bsalbgötter
und chabelwesen wirken naturgewaltig-lebensvoll, die Stuckschen,
trotz ihres saloppen kvesens, dekorativ-antiquarisch.

Ztuck knüxft weder durch seine Stoffe, noch durch die
Art, wie er sie malerisch behandelt, an die wirklichkeit an.
Man könnte ihn also einen „Idealisten" nennen. Ihm steht
Gras Aalckreuth, der neben ihm im Aunstverein ausstellt,
als „Naturalist" gegenüber. Ls ereignet sich nun — und
das macht die Nebeneinanderstellung besonders lehrreich -—
daß der Naturalist den Idealisten an Ideenreichtum weit
übertrisft. Da ich keine Ausstellungsberichte schreiben, sondern
die Trgebnisse der erwähnten Ausstellungen zu möglichst kenn-
zeichnenden Urteilen zusammensassen will, so greise ich nnr
ein einziges der Aalckreuthschen Bilder heraus, als beweis-
krästiges Dokument sür meine Behauptung. Es sind in dem-
selben nicht nur die äußeren, sondern auch Seelenznstände,
die Beziehungen zwischen „Mutter und Aind", mit Tmpfind-
ungstiese und schlichter Naturwahrheit in einer weise über-
zeugend geschildert, daß der Lindruck sern von jeder absicht-
lichen und rührseligen Sentimentalität, ein tief ergreisender
ist. Lbenso ernst und in die Tiese gehend zeigt sich Aalck-
reuth in einer Reihe vorzüglicher Bildnisse.

Lose Klätter

Sinnreicbe Sedanken
bei Betrachtung eines antiken Tontellers.

Liegt vor mir da ein Ding von Thon
Nun eine geschlagene Slunde schon —

Hab doch mich, drüber hiu geduckt,

Noch immer nicht drau satt geguckt!

Zwar glaub ich uicht, daß Iederinaun
Dran was Apartes finden kaun:

's ist eiue antike irdne Scheibe,
was Seltnes aber uicht, beileibe —

Liu Diug, wie's jeder Rampagnahirt
wohl aller wochen mal finden wird.

Nur daß sich souderbar dran erweist
Lin uicht wie er sonst ist autikischer Geist,

Der spricht zum Renuerauge frei
Aus dem Tharakter der Malerei.

Befangnem Blicke köunt sie scheiueu
Ltwail eine Spinne mit acht Beiuen,

Deun von eillem großeu Niittelklex
Lausen nach genau geordneter Lex
Acht brauue Liuien uuverwaudt
Schnurgradeu weges nach dem Naud.

Doch ist dies nicht die einzige Zier,

G nein, deuu aber findet sich hier
Uud aber nach geuau geregelter Lex
Zwischeu jedem Spinubeiupaar uoch ein Ulex:
Nicht eiu gewöhulicher Ulex iudessen,

Bewahre! — genaulichst abgemessen
Zeigt jeder hinten, rechts, links und vorn
Lin regelrecht angesetztes Ljorn,

Und wie der andere Ulex ist der eine
Ganz gleichweit von jedem Spinnenbeine:

Uurz, alles bedacht und bemessen auss best,
Daß sich gar nichts dagegen einwenden läßt.

Mir aber, beseh ich das Ding mir gut,
wird wunderlich dabei zu Nlut:

Nkir ist, als guck als ehrsamer Töpfer
Daraus hervor des werkleins Schöpfer.

Dich seh ich, o jDhilister du,

An würde gleich dem Ukarabu,

U)ie du iu Lrholung zur Feierstund,

Das Lämplein vor dir, am Tischesrund
Thust übsr deinem Teller schwitzen,

Zndeß die Nachbarn im Rreise sitzen

Und sromm berichten so mannicherlei,

was Tages über passiret sei

Und über Ukoral und Tugendlichkeit

Uud gute Schauspieler und schlimme Zeit

Und über Urieg, Uaiser und j)riesterschaft

Ukanch Sprüchlein sprechen voll Lrnst und Rrast.

Auch von der Uunst, der hohen, hehren,

Giebt's manch Sentenzlein dabei zu hären,
wie: daß, bei Licht betrachtet, doch
Sie nur sei etwas seltnes noch,
wenn sie ja freilich gewissermaßen
wohl stets nur Begnadete besaßen,

Als welche — das eben sei ja zu klagen —
Raum noch zu finden in diesen Tagen.

Za, ja, meint einer, stets würd es schlechter,

Die Zeiten machten's, die Zeiten, dächt er,

Und gäb's wo wirklich ein Talent,

Ach Zupiter, wann käm es zu Tnd
Denn jemals mit den täglichen ^orgen?
verkümmern müss' es von heut zu morgen!

Zndessen hast du, still bedacht,

Dein werklein, o Meister, zu Lnde gebracht,

Da wie vom verborgnen Talent sie parlirt,

Fühlst du dich in tiefster Seele berührt.

Dir ist's, als sühr über deinen Änn
Line diöke schwarze wolke hin,

Du sagst „Ia, ja" voll tiefem Schmerz
Und sassest dir sodann ein Herz,

^agst etwas beklommen noch „mit Gunst"

Und reichst das Zeugnis deiner Runst,

Den Teller, nun dem Nachbarn dar,

Der reicht ihn weiter, und, sürwahr,

Lr geht den ganzen Tisch herum,

Und unter beisälligem Gebrumm

Nicken sich alle der Neih nach an

Und sagen: „nun seht mal, was der nicht kann!


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