Lrstes April-Dett 1691.
13. Stück.
Lrscbeint
Derausgeber:
zferdinand Avenarius.
Wesrellpreis:
vierteljährlich 2 i/z Mnrk.
Anzeigen: 3 gesp. Nonp.-Zeile 40 ssf. -—-—
Lustspiel
^LA^ZL^iemals vielleicht, sc> lauge sie schon die Brille
hat sich die deutsche Zeituugskritik
ratlos gezeigt, wie, da der „ttukado"
M^^WMvou eiuer englischeu Gesellschaft über uusere
Bühueu geführt wurde. Btau wußte gauz uud gar
uicht, was mau unt ihm aufaugeu sollte. Davou,
daß das eigeutlich ttterkwürdige der Lrscheiuuug uicht
in der Musik uud uicht im Tert liege, souderu dariu,
daß hier seit ttteuscheugedeukeu zum ersteu Blal der
Tauz als Ausdruek, als uumittelbare Tharakteristik
seelischer Reguugeu aus dem deutscheu Theater sich
zeigte, davou, daß hier eiumal gewieseu ward, was
der Tauz als Ruust war — davou saud mau uur
au gauz weuigen Stelleu eiu Tröpscheu homöopathisch
verdüuuter Lrkeuutuis —- ja, es merkteu überhaupt
uur gauz weuige Federmäuuer, daß diese Art vou
Tauz etwas auderes seh als der Tauz iu uusereu
Ballets. Aber uoch etwas war sür deu uubesaugeueu
Zuschauer damals belustigeud uud betrübend. Die
Arch wie die Rritiker die wahrscheiulichkeitsfrage
stellten. Zch habe Berichte geleseu, iu deueu mau
eutrüstet deu „Blödsiuu" tadelte, daß eiu Lseuker zu-
gleich Atiuister und daß überhaupt Tiuer Lseuker seiu
solle, der sich vor dem Blutvergießeu scheut. Mb die
gesellschastlicheu Zustäude des „Atikados" überhaupt
möglich, ob sie kulturgeschichtlich begrüudbar, ob sie
mit echtem Lokalkolorit wiedergegeben seieu — alleu
Trnstes wurde darüber gesprocheu. Die Gesellschast
sührte noch andere possen aus. So seue Verspottuug
des euglischeu Atode-Praerasaeliteutums uud der Atode-
poesieschwärmerei. Da kam eiu poet aus die Bühne,
uud im Gänsemarsch lies ein Dutzeud vou Derehreriuuen
anbeteud hinter ihm her. „Mie uuwahrscheinlich!",
sagteu die Atäuuer der Auustkritik. Zu eiuem auderu
Stück giug dem hohen Bichter bei eiuer Lhescheidung
die Geschichte zu laugsam: hui, wars er alle Akteu
und Posse.
durcheiuauder, sagte, er wolle die Dame heirateu,
spraug vom Aatheder, tauzte wie eiu Rreisel uui die
Augeklagte herum, uud das gauze Gericht hub au
zu tauzeu mit ihm. „Mie uuwahrscheiulich!", sagteu
die Auustbeleuchter. Zu der That, mau kauu es uicht
leugueu: es war uuwahrscheiulich.
Aber ich muß gesteheu: ich hatte bei all dieseu
Uuwahrscheiulichkeiteu durchaus keiue Uulust empfuudeu,
ich hatte gelacht mit dem Muude uud mit dem bserzeu,
ich war aus dem Theater uach bsause gegaugeu ohue
seues höchst uuaugeuehme Gesühl, das sich bei mir
uach dem Auhöreu vou „Lustspieleu" aus der Atoser-
scheu oder Schöuthauscheu Derwaudtschaft regelmäßig
eiustellt — eiu körperlich im Schädel zu spüreudes
Uulustgesühl, das ich schlecht beschreibeu kauu, eiu
Gesühl etwa, als habe mir Tiuer das Gehiru mit
dem Blechlössel weg gelösfelt. Uud es blieb doch
wahr, daß Atosers uud chchöuthaus Uommerzieuräte
uud Assessoreu eutschiedeu uicht so uuwahrscheiuliche
Diuge thateu, wie der Lordoberrichter, der im Gerichts-
saal hüpseud die Amtsrobe schweukte, wie Dameu
aus der besteu Gesellschast, die, eiue hiuter der auderu,
mit deuselbeu Geberdeu der verliebtheit hiuter eiuem
poeteu hertäuzelteu.
Ts lohut sich, der chache etwas uäher zu treteu.
Zch sehe eiuem Atoserschen Lustspiel zu. Tiu
wirklichkeitstreu durch die Auust der Zuszeuiruug
wiedergegebeuer Salou, Ateuscheu iu der Tracht uuserer
Zeit, mit dem kouveutiouelleu Beuehmeu vou Meuscheu
uuserer Zeit, siud dargestellt, daß ich zuuächst die Vor-
stellung gewinue, es sei alles so wie es sich da giebt,
deuu alles giebt sich mit deu Auustmittelu des Realis-
mus. Ts ist osfeubar die Absicht des Dersassers, mich
mitteu iu allerhand Trlebuisse hiueiuzuversetzeu, die
wirklich gescheheu — er erstrebt Zllusiou des IVirk-
licheu. Auch die Lvörter uud Bedeweuduugeu, die
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13. Stück.
Lrscbeint
Derausgeber:
zferdinand Avenarius.
Wesrellpreis:
vierteljährlich 2 i/z Mnrk.
Anzeigen: 3 gesp. Nonp.-Zeile 40 ssf. -—-—
Lustspiel
^LA^ZL^iemals vielleicht, sc> lauge sie schon die Brille
hat sich die deutsche Zeituugskritik
ratlos gezeigt, wie, da der „ttukado"
M^^WMvou eiuer englischeu Gesellschaft über uusere
Bühueu geführt wurde. Btau wußte gauz uud gar
uicht, was mau unt ihm aufaugeu sollte. Davou,
daß das eigeutlich ttterkwürdige der Lrscheiuuug uicht
in der Musik uud uicht im Tert liege, souderu dariu,
daß hier seit ttteuscheugedeukeu zum ersteu Blal der
Tauz als Ausdruek, als uumittelbare Tharakteristik
seelischer Reguugeu aus dem deutscheu Theater sich
zeigte, davou, daß hier eiumal gewieseu ward, was
der Tauz als Ruust war — davou saud mau uur
au gauz weuigen Stelleu eiu Tröpscheu homöopathisch
verdüuuter Lrkeuutuis —- ja, es merkteu überhaupt
uur gauz weuige Federmäuuer, daß diese Art vou
Tauz etwas auderes seh als der Tauz iu uusereu
Ballets. Aber uoch etwas war sür deu uubesaugeueu
Zuschauer damals belustigeud uud betrübend. Die
Arch wie die Rritiker die wahrscheiulichkeitsfrage
stellten. Zch habe Berichte geleseu, iu deueu mau
eutrüstet deu „Blödsiuu" tadelte, daß eiu Lseuker zu-
gleich Atiuister und daß überhaupt Tiuer Lseuker seiu
solle, der sich vor dem Blutvergießeu scheut. Mb die
gesellschastlicheu Zustäude des „Atikados" überhaupt
möglich, ob sie kulturgeschichtlich begrüudbar, ob sie
mit echtem Lokalkolorit wiedergegeben seieu — alleu
Trnstes wurde darüber gesprocheu. Die Gesellschast
sührte noch andere possen aus. So seue Verspottuug
des euglischeu Atode-Praerasaeliteutums uud der Atode-
poesieschwärmerei. Da kam eiu poet aus die Bühne,
uud im Gänsemarsch lies ein Dutzeud vou Derehreriuuen
anbeteud hinter ihm her. „Mie uuwahrscheinlich!",
sagteu die Atäuuer der Auustkritik. Zu eiuem auderu
Stück giug dem hohen Bichter bei eiuer Lhescheidung
die Geschichte zu laugsam: hui, wars er alle Akteu
und Posse.
durcheiuauder, sagte, er wolle die Dame heirateu,
spraug vom Aatheder, tauzte wie eiu Rreisel uui die
Augeklagte herum, uud das gauze Gericht hub au
zu tauzeu mit ihm. „Mie uuwahrscheiulich!", sagteu
die Auustbeleuchter. Zu der That, mau kauu es uicht
leugueu: es war uuwahrscheiulich.
Aber ich muß gesteheu: ich hatte bei all dieseu
Uuwahrscheiulichkeiteu durchaus keiue Uulust empfuudeu,
ich hatte gelacht mit dem Muude uud mit dem bserzeu,
ich war aus dem Theater uach bsause gegaugeu ohue
seues höchst uuaugeuehme Gesühl, das sich bei mir
uach dem Auhöreu vou „Lustspieleu" aus der Atoser-
scheu oder Schöuthauscheu Derwaudtschaft regelmäßig
eiustellt — eiu körperlich im Schädel zu spüreudes
Uulustgesühl, das ich schlecht beschreibeu kauu, eiu
Gesühl etwa, als habe mir Tiuer das Gehiru mit
dem Blechlössel weg gelösfelt. Uud es blieb doch
wahr, daß Atosers uud chchöuthaus Uommerzieuräte
uud Assessoreu eutschiedeu uicht so uuwahrscheiuliche
Diuge thateu, wie der Lordoberrichter, der im Gerichts-
saal hüpseud die Amtsrobe schweukte, wie Dameu
aus der besteu Gesellschast, die, eiue hiuter der auderu,
mit deuselbeu Geberdeu der verliebtheit hiuter eiuem
poeteu hertäuzelteu.
Ts lohut sich, der chache etwas uäher zu treteu.
Zch sehe eiuem Atoserschen Lustspiel zu. Tiu
wirklichkeitstreu durch die Auust der Zuszeuiruug
wiedergegebeuer Salou, Ateuscheu iu der Tracht uuserer
Zeit, mit dem kouveutiouelleu Beuehmeu vou Meuscheu
uuserer Zeit, siud dargestellt, daß ich zuuächst die Vor-
stellung gewinue, es sei alles so wie es sich da giebt,
deuu alles giebt sich mit deu Auustmittelu des Realis-
mus. Ts ist osfeubar die Absicht des Dersassers, mich
mitteu iu allerhand Trlebuisse hiueiuzuversetzeu, die
wirklich gescheheu — er erstrebt Zllusiou des IVirk-
licheu. Auch die Lvörter uud Bedeweuduugeu, die
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