Lrstes /Idärz-Dett tS9t.
U. Stück.
Lrscbeint
Derausgeber:
FerdLnand Nvenarius.
Kesrellpreis:
vierteljährlich 21/z Mark. ^
Die Ikedensurt vonr
ichtwarck, der ebenso feinfühlige wie seiires
Zieles bewußte und thatkräftige Direktor
der bsamburger Ruusthalle, berührte dort
füngst in einein Vortrage eiuen f?unkt, deu
wir heut ein weuig hervorheben wolleu.
tt)as bekoinnien wir nicht au Ausbrüchen des
Zornes zu hören, so etwa führt' er unter andereni
aus, wenn wir ruhig durch eiue nioderne Ausstellung
wandeln! Da hören wir sagen: „Don der Aunst
verlange ich", „die Runst soll und niuß", und seder
vollendet den Satz nach seineu Bedürfnissen nud Neig-
ungeu. Derartige j)hrasen sind die Überreste einer
vergangenen Epoche, da an den kleiueu deutscheu
Universitäten, in deneu es Runst gar uicht giebt, eiu
professor der Ästhetik aus der Tiese seines Gemütes
heraus klar gelegt hat — eiu sür alle Nkal! — was
die Uunst ist und soll. Der Gaug der Uultur ist über
diese Gelehrten hiuweg geschritten. Wir wissen heute,
daß Niemand je gewußt hat, was die Uuust inuß
uud soll. wir erkenuen in der Runst eine im letzteu
Grunde unbegreisliche Äußerung des Nlenschengeistes,
iu immer neuen Lormen aufblüheud wie eine s)flauze.
Der Ästhetiker aus der alteu Schule gehört der Ner-
gaugenheit an, aber die Formelu, die er gexrägt,
sind noch in Rurs in allen Schichten, zu denen die
Äunde uoch uicht gedrungeu, daß die Nlünzgattung
eingezogen ist. Das gilt auch von der s)hrase:
„Vou der Runst verlange ich!" lVer hat zu ver-
laugen? Doch wohl die Auust selber. wer sich ihr
anmaßlich naht, dem schließen sich die Thüreu des
Verständnisses. Nicht Schulmeisterei souderu chin-
gebung ist der Schlüssel. Sie sehen aus der eiueu
Seite eineu biedern Nlanu, der iu seinem Beruse die
Tage verbringt, am Sonntag seine Zeit der Runst-
betrachtuug widmeu. <Lr sucht den leichten Geuuß,
zur vertiefuiig hat er weder Zeit, Rrast noch 2lu-
„Lwecke" der Ikunst.
leituug, gar uicht zu redeu vou der Begabuug, die
auch sür das bloße Verstäuduis uötig ist. was ihm
nicht ohne Weiteres angenehm ist, wird rüeksichtslos
verdammt. Zst er eiumal au eine Runstweise ge-
wöhut, so giebt es keiuen tiesereu chasser jedes Ningens
nach neueu Formen. Das siud die ehrlicheu Brutusse,
die alle Tage bereit sind, den rettenden Täsar zu
ermorden. Ans der andern ^eite steht der ringende
Rüustler, iu dem die neue Zdee wächst. Tr könnte
schaffeu in der herkömmlicheii Weise, wenn er wollte,
denn sie hat ihre Formel und hat ihr j?ublikum.
Aber er sieht die Wahrheit iu dem neuen j)rinzip,
das noch jenseits der Greuze liegt, bis zu der das
Verstäuduis des publikums reicht, und nuu quält er
sich mit Iverkeu, die ihm Niemand abkaust, wenn
sie uicht eiu Nlitleidiger siir eine Verloosuug erwirbt;
nun sührt er ein darbendes Dasein, seiuer Trkeuntnis
zu Liebe, während ihm alle Güter des Daseius winkten,
wenn er das Gxfer seiuer Uberzeugung briugen wollte.
Dies ist das Loos aller derer, die Neues augestrebt,
uud wir sollteu vor dem moralischeu Mut, der dazu
gehört, Nespekt haben. Statt dessen wird der juuge
Nünstler, der eigene und ueue Mege zu gehen ver-
sucht, mit Gist und Geiser versolgt. Ts scheiut eiu
historisches Gesetz zu sein, daß es so hergehen muß.
Alle Lrsahrungeu haben uus bisher uicht besonneuer
gemacht. Uud doch gehört nicht viel Anschauuugs-
vermögen dazu, um zu erkenneii, daß jede Generatiou
ihre eigene Nunst macht und die Nunst jeder Geue-
ration verschieden ist vou der jeder andern. Ts giebt
keineu sesten j)uukt, bei dem uun ein sür allemal
verharrt wird. Nehmen wir eiu Beisxiel aus der
Nkusik. NLozart wurde seiuerzeit von der Rritik, die
an ältere Formen gewöhut war, ebenso höhnisch
empsaiigeu wie Wagner. Daim wurde uud blieb er
Ulassiker, aber die Tntwiekeluug ist über ihu weiter-
U. Stück.
Lrscbeint
Derausgeber:
FerdLnand Nvenarius.
Kesrellpreis:
vierteljährlich 21/z Mark. ^
Die Ikedensurt vonr
ichtwarck, der ebenso feinfühlige wie seiires
Zieles bewußte und thatkräftige Direktor
der bsamburger Ruusthalle, berührte dort
füngst in einein Vortrage eiuen f?unkt, deu
wir heut ein weuig hervorheben wolleu.
tt)as bekoinnien wir nicht au Ausbrüchen des
Zornes zu hören, so etwa führt' er unter andereni
aus, wenn wir ruhig durch eiue nioderne Ausstellung
wandeln! Da hören wir sagen: „Don der Aunst
verlange ich", „die Runst soll und niuß", und seder
vollendet den Satz nach seineu Bedürfnissen nud Neig-
ungeu. Derartige j)hrasen sind die Überreste einer
vergangenen Epoche, da an den kleiueu deutscheu
Universitäten, in deneu es Runst gar uicht giebt, eiu
professor der Ästhetik aus der Tiese seines Gemütes
heraus klar gelegt hat — eiu sür alle Nkal! — was
die Uunst ist und soll. Der Gaug der Uultur ist über
diese Gelehrten hiuweg geschritten. Wir wissen heute,
daß Niemand je gewußt hat, was die Uuust inuß
uud soll. wir erkenuen in der Runst eine im letzteu
Grunde unbegreisliche Äußerung des Nlenschengeistes,
iu immer neuen Lormen aufblüheud wie eine s)flauze.
Der Ästhetiker aus der alteu Schule gehört der Ner-
gaugenheit an, aber die Formelu, die er gexrägt,
sind noch in Rurs in allen Schichten, zu denen die
Äunde uoch uicht gedrungeu, daß die Nlünzgattung
eingezogen ist. Das gilt auch von der s)hrase:
„Vou der Runst verlange ich!" lVer hat zu ver-
laugen? Doch wohl die Auust selber. wer sich ihr
anmaßlich naht, dem schließen sich die Thüreu des
Verständnisses. Nicht Schulmeisterei souderu chin-
gebung ist der Schlüssel. Sie sehen aus der eiueu
Seite eineu biedern Nlanu, der iu seinem Beruse die
Tage verbringt, am Sonntag seine Zeit der Runst-
betrachtuug widmeu. <Lr sucht den leichten Geuuß,
zur vertiefuiig hat er weder Zeit, Rrast noch 2lu-
„Lwecke" der Ikunst.
leituug, gar uicht zu redeu vou der Begabuug, die
auch sür das bloße Verstäuduis uötig ist. was ihm
nicht ohne Weiteres angenehm ist, wird rüeksichtslos
verdammt. Zst er eiumal au eine Runstweise ge-
wöhut, so giebt es keiuen tiesereu chasser jedes Ningens
nach neueu Formen. Das siud die ehrlicheu Brutusse,
die alle Tage bereit sind, den rettenden Täsar zu
ermorden. Ans der andern ^eite steht der ringende
Rüustler, iu dem die neue Zdee wächst. Tr könnte
schaffeu in der herkömmlicheii Weise, wenn er wollte,
denn sie hat ihre Formel und hat ihr j?ublikum.
Aber er sieht die Wahrheit iu dem neuen j)rinzip,
das noch jenseits der Greuze liegt, bis zu der das
Verstäuduis des publikums reicht, und nuu quält er
sich mit Iverkeu, die ihm Niemand abkaust, wenn
sie uicht eiu Nlitleidiger siir eine Verloosuug erwirbt;
nun sührt er ein darbendes Dasein, seiuer Trkeuntnis
zu Liebe, während ihm alle Güter des Daseius winkten,
wenn er das Gxfer seiuer Uberzeugung briugen wollte.
Dies ist das Loos aller derer, die Neues augestrebt,
uud wir sollteu vor dem moralischeu Mut, der dazu
gehört, Nespekt haben. Statt dessen wird der juuge
Nünstler, der eigene und ueue Mege zu gehen ver-
sucht, mit Gist und Geiser versolgt. Ts scheiut eiu
historisches Gesetz zu sein, daß es so hergehen muß.
Alle Lrsahrungeu haben uus bisher uicht besonneuer
gemacht. Uud doch gehört nicht viel Anschauuugs-
vermögen dazu, um zu erkenneii, daß jede Generatiou
ihre eigene Nunst macht und die Nunst jeder Geue-
ration verschieden ist vou der jeder andern. Ts giebt
keineu sesten j)uukt, bei dem uun ein sür allemal
verharrt wird. Nehmen wir eiu Beisxiel aus der
Nkusik. NLozart wurde seiuerzeit von der Rritik, die
an ältere Formen gewöhut war, ebenso höhnisch
empsaiigeu wie Wagner. Daim wurde uud blieb er
Ulassiker, aber die Tntwiekeluug ist über ihu weiter-