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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 4.1890-1891

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1891)
DOI Artikel:
Mielke, Robert: Streifzüge auf Gartenbauausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11725#0344

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Lvveites August-Dett 1S91.

Scbiclc i»c§

22.Stück.

Lrscbeint

am Anfang und in der Ntitte

Derausgeber:

zferdiuand Twenarius.

Kestellpreis:

! vierteljährlich 2 r/z Mark.

Llreikzüge uuk Gartenbmimisstellungen.

line frische Brise weht durch alle Zweige
unseres künstlerischen und gewerblicheu
Lebeus. Die Schranken, die uoch vor
eiuigen Iahreu Runst und Gewerbe trennten,
sind gesallen; in inniger Berühruug stehen beide und
schöpfen frische Rräste aus dem Nährboden, der sie
einst beide hat groß werden lassen, aus der ewig
sungen Natur. Mit dieser Lutwickelung geht auch
die der Gartenkunst ^and in Lsand. Sie beschränkt
sich uicht mehr daraus, Blatt zum Blatt zu sügen,
Baum an Baum zu pflanzeu, sondern sie entsaltet
ihre Schwingen in stolzerer Lebensfülle, indem sie das
Liuzelue und Gekünstelte mehr und mehr auf-
giebt zum Besten des Ganzen und Rünstleris chen.
Sie flndet so auch ihren j)latz als vermittelndes Glied
in der Neihe der Schwesterkünste, unterliegt aber da-
bei ebenso den Gesetzen aller Runst wie diese. Sie
hört aus Runst zu sein, wenn sie blos Natur sein
will, sie wird zur Spielerei, wenn sie die Gesetze der
Natur unberücksichtigt läßt.

Die Ziele des Gartenbaues sind rein künstlerische,
wo er nur ideale Zwecke kennt. Und seine Bestreb-
ungen sind in hohem Maße geeignet, in verbindung
mit anderen Rünsten das Auge zu ersreuen. So dem
engen Begriffe des ksandwerks entwachsend, steht die
Gartenbaukunst vermittelnd in den Gebieten des Rünst-
bereiches da, umschlingt sie und wirkt befruchtend
aus fle ein. Form, Farbe und Proportion sind, wie
in der Runst überhaupt, so auch in der Gartenkunst
die Grundlagen, und Größe des ^tils wie malerische
Romposition sind ihre letzten Folgerungen. Gs ist ein
fast unendlicher Neichtum von Grscheinungen, den die
Natur uns in der Gartenkunst bietet, und zwar sast
unmittelbar, ohne daß der Rünstler neue Formen
dasür zu erfinden hat. Darum ist sie aber auch eiue
wohlthuende Lrgänzung zu jener Runst, die sich ihre

Formen in höherem Niaße als jede andere bildende
Runst erst selber schafft, zur „gesrorenen Nlusik" der
Baukunst. Zst letztere das starke, männliche s)rinzip,
welches hier in trotzigen Gewölben, dort in stolzen
Säulenhallen oder in übermütigen Nokoko-sdavillons
zum Ausdruck gelangt, so erstere die weibliche, ver-
schönende Lrgänzung dazu, die im reizvollsten wechsel
und in gefälliger Zwanglosigkeit die ^tarrheit toten
Nlaterials aushebt. Die Baukunst wirkt zunächst durch
Proportion und Linie, die Gärtnerei durch Form und
Farbe. Das deutet zugleich die Beschränkung beider
aus ihr ureigenstes Gebiet an, das keine verlassen
dars, salls sie nicht als Zerrbild ihrer selbst erscheinen will.

Lines der wirksamsten Nüttel der Landschaftsgärtnerei
ist die wafferkunst. Zede Vorstellung assoziativer
Schönheit sucht in dem Bilde des wassers das leben-
spendende und selbst lebensvolle Glement. Das Tote
wird durch das wasser lebendig, das Bewegungslose
bewegt, das Farblose in buntem wechsel mit Farben
umkleidet. Das Nauschen und Nturmeln, das j)lätschern
und Tosen scheinen die geheimnisvollen Stimmen der
Unterwelt zu sein, die das goldige Licht der Gberwelt
begrüßen. Alle Stimmungen vermag das wasser
auszudrücken. ^ier in träger Ruh die Unergründlich-
keit des Seins, dort in sausender ksast den Übermut,
hier in kosender Frische den Liebreiz, dort in stolzer
Beschaulichkeit ein edles Selbstbewußtsein. Der
schaffende Rünstler dars das wasser in sein Bereich
ziehen, aber er muß dem unruhigen Llemente ein be-
ruhigendes Gegengewicht verschaffen. Bildet die
Architektur den Nahmen des wafferlebens, so muß
sie Ruhe und zwingende Folgerichtigkeit erkennen
lassen, und die belebende und zugleich belebte Manze
wird zur Vermittlerin zwischen ihr und der bewegungs-
reichen welle.

wir können auch im Gartenbau zwei Richtungen


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