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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 7 (Aprilheft 1930)
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Der Begleiter. Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0040

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lächelte ein Lächeln, das Kyrill so schauerlich dünkLc, als lege sich ihnr cine unge-
heurc Haud würgend um denHals. Dieses Lächcln war wie ein Peitschenhicb,
der ihn in blinde sinnlose Fluchk Lreibcn sollkc. Er versuchke sein Pferd herum-
zurcißen, das Tier weigcrke sich, oder vielmehr, die Bewegung Kyrills war ohne
Krafk, das Tier fühlke dcn Druck des Zügels nichk. Er wollke es mik deu
Sporcn vorwärks bringcn, seine Glieder gehorchken ihm nichk. Dann schien
das Pferd in einen makken siranchelnden Galopp zu fallen, ohnc indessen
von dem Fußgänger fortzukommen, der unaufhalksam forkschritk. Kalke Schauer
licfen Kyrill über den Rücken, er kannke den Zusiand aus Träumcn, da man
einer Vcrfolgung zu enkrinnen suchk und die Füße hebcn sich nichk oder die Erde
Ivird weich und die Füße findcn keincn Halk, man läufk in Todcsangst und
kommk nichk von der Skelle. So war seHL das strauchelnde Pferd an den
surchkbaren Fußgänger wie angekektek, die Gruppe bcwegke sich durch den strö-
menden Regen dahin, Kyrill verlor jedes Gefühl fürZeik und Wirklichkcit.
Gegen Abend aber hakken die Bewohner der Garnisonstadk ein selksames Schau-
spiel: cin müdes Pferd kam langsamen Trabes heran, mik hängendeni Zügel,
dcr Reiker schwankkc im Sakkel, durchnäßk, bügellos, irren Blickes ins Leerc
starrend — vor dem Hause des Rikkmeisters blieb das Tier stehen und es
fanden sich Leuke, die Kyrill aus dem Sakkel hoben und der Pflege seines
Burfchen und rines rasch herbeigerufenen Arzkes übcrgaben. Der Krankc ver-
fiel in Raserei.

Nach mehrcren Skunden hefkigen Fiebers, in denen Kyrill mik verzweiflungs-
vollen Berwünschungen und 2lnklagen gegen den Gokk gewükek hakke, der ihn
mit so unfaßlicher Grausamkcik durch das Grauen seiner allmächkigen und
grenzenlosen Gegenwark in KrankheiL und Wahnsinn gekricben, überkam ihn
cin Zustand erschöpfkcr Ruhe, cr fiel in Schlaf und an sein Bekt sehke sich
ein lieblicher Traum. Er sah ein Mädchen in schwarzem Kleid auf dem Bekk-
rand sihen und zu einem Mann sprechen, der nachdenklich vor ihr stand, und
Kyrill crkannte die Skimme der Zigeunerin. Der Mann hakke das Ausseheu
eincs Arzkes. Das Mädchcn erzählke eine selksame Liebesgeschichke, dic Kyrill
bekannt vorkam, es war als häkke er sie selbst vor Zeiken crlebk. Die Liebcs-
geschichke ging über in den Berichk ciner rührenden und nichk minder selksamen
Pilgerfahrk. Die Erzählerin sprach von eincr Geldsumme, die ihr von ihrer
Mukker abgenommen worden sei; sic habe darum zu Fuß gehen und sich durch-
betteln und durchhungern müssen, so wäre sie cndlich gekommen. Kyrill fühlke
das Glück gleichsam körpcrlich von dem Scheikel zu den FußspiHen hin- und
wiederrieseln, er streckke die Hand aus, cr fühlke eine Hand in der seinen und
fühlke, daß er lächelke... Dic Erzählerin hielk plöHlich innc, weil ihre Hand
gefaßk und gedrückk wurde, sie wandke sich zum Schlafenden, sah ein Lächcln
auf seinem Gesichk erscheinen und glaubke dcn Klang ihrcs Namens deutlich
in der Skille des Zimmers zu vernehmen. Dann erkalkcte dic Hand des Schla-
fenden, das Lächeln aber blieb ftehen und nach einer Weile stellke der Arzk
fest, daß das Leben den Körper verlassen habe.

Das Mädchen soll späker auf Befragen des Arzkes die Absichk geäußerk
haben, nichk in die große Skadk zurückzukehren, sondern sich im Süden einem
der wandernden Stämme ihres friedlosen Geschlechkes anzuschließen.

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