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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1930)
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Stoessl, Otto: Erinnerung an Anton Faistauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0099

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XXXXIII.

Erinnerung an Anton Faisiauer

Von OkLo Skoessl

leHten Kriegsjahr erschienen in ciner Aussiellung der „Kunstschau" —
^)so nannte sich die Vereinigung der jungen österreichischen Maler um
Klimt — die Werke von Egon Schiele und AnLon Faistauer. Auch
Kokoschka, an Jahren nur wenig älter, doch längst über Öfterreich hin-
ausgelangL, zählLe zu dieser Gruppe, war indes, gewissermaßen zeiL- und orLs-
srei durch seine magische Seelendarstellung im Bildnis, bereits ein euro-
päischer Name und Meister. Schiele uud Faistauer aber wirkten da-
mals zuglcich ueu und in ihrer EigenarL kroh aller Iugend festumrissen, in
eiuer sonst allgemeinen KaLastrophe erfreuliche menschliche, künstlerische, öster-
reichische Hosfnungen. Schiele als grandioser Zeichner vor allem. Unheim-
lich LraLen wie aus dem ZeiLdunkel uralkgotische ElemenLe mit visionärer
Mächtigkeik hervor, schon in den FormaLen ungeheuerlich und zwingend, we-
niger durch die Farbe, die, noch mit der Struktur im Kampf, gleich einem
untcrdrückten BekennLnis nur in einzelnen schüchternen odcr gewaltsamen Mo-
menten hervorbrach. Dagegen offenbarte sich Faijlauer als Maler schlechkhin,
freundlich und freudig, und seine Bilder machken, obgleich im Inhalt und
Ausdruck, in der Anschauungsweise offenkundig den französischen Impres-
sionisten verwandL, also damals zeitlich „modern", den Eindruck von Iügend-
frische und meisterlicher KrafL, reif in ihrer blühenden warmen Farbe, in
ihrer schön znsammengehaltenen Form, in ihrer klaren BerLeilung und Ord-
nung. Die beiden jungcn Leute waren durch diese Ausstellung miL einem
Schlage berühmt.

Jn Schieles Atelier lernte ich diesen — er wurde nach wcnigen Monaten von
der Grippe weggerafft —, einen einfachen, wienerischen, still sarkastischen,
schüchtcrnen, befangenen, hochaufgeschossenen Iüngling kennen, der schier noch
wie ein Bursch wirkte; und alsbald Lrak Faistauer ein, sein völliger Gegen-
saH: cin stolz gemessener, doch freundlicher, weltoffener und weltkluger, ele-
ganL, ja aristokraLisch anmutender Mann. Die HerkunfL aus altem Bauern-
geschlccht, die Bergeistigung des GesichLs durch Begabung, des Körpers durch
Kränklichkeit und angeborene ZartheiL wirkten in seiner schon beim ersten Blick
höchst anziehenden Erscheinung zusammen. Die schmächtige, zierliche GestalL
Lrug ciucn schmalen, gleichsam nach oben erschlossenen, streng gesammelten, hoch-
gehaltenen Kopf mik edel ansgeprägten Zügen. Eine breite Skirn, eine
scharfe, schön gezeichnete Nase, sinnende, manchmal jäh aufbliHende Augen,
ein ausdrucksvoller Mund miL dünnen Lippen boten einen durch eigene be-
stimmende KrafL, sowie durch die bildende MachL der Zeiten verfeinerten
bäuerischen KonLur, malerisch und seelisch vielfach „übergangen" und verkiefL,

Maiheft Igzo (XXXXIII, 8)

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