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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 11 (Augustheft 1930)
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Brock, Erich: Kritische Forderungen des Tages an Thomas Mann
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Dussler, Luitpold: Zur Kritik des Expertenwesens: die Sammlung Schloß Rohoncz in der Neuen Pinakothek in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0380

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im allgememen würde man gewiß niemandem verwehren. Aber eüvas anderes ist es,
wenn man selbst den Krieg nicht mitgemacht hat, mit dem Finger auf bestimmte
Persönlichkeiten zu weisen, von denen man sich zum mindesten vorher hätte versichern
sollen, ob nicht wenigstens der oder jener unter ihnen vor oder nach jener Begegnung
an der Front seinen JNann gestanden habe. Ju Richard Dehmels Mund hätten solche
Vorwürfe eher Gewicht besessen.

Wir werden uns vielleicht damit abfinden müssen, daß von Mann nichtö Großeö und
Echtes mehr kommen werde, eine Voraussage crllerdingö, welche zu denen gehört,
deren Lügenstrafung mit Dankbarkeit angenommen würde. Aber eü liegt bei ihm nicht
am Dichterischen, sondern am Menschlichen, und da ist schwer anzusetzen.

Jndem wir eben die Feder absetzen und von der Arbeit aufblicken, liegen nun schon
wieder zwei Büchlein von Thomas Mann da. Wir greifen mit dem Seufzer darnach:
wenn er doch nur auch in cinderer Hinsicht der Kritik so vorausbliebe, sie so hinter
sich zurückließe! Das eine ist allerdings nicht ganz von ihm, sondern eine schöne neue
Zeitschrift, „Corona" (Verlag der Bremer Presse, München), welche, mit dem rauschen-
den Akkorde bedeutungsvoller Namen einsetzend, von höchst liebevoller Auöstattung,
nur ein wenig Wagemut in ihrem programmatischen Eröffnungsheft vermissen
läßt. Hier hat nun auch ThomaS Mann beigesteuert, ein Bruchstück auü seinem in
Arbeit befindlichen alttestamentlichen Roman, welches mit stirnrunzelnder statistischer
Systematik die Fortpflanzungstätigkeit Jakobs (Jaakobs, bitte) und seiner Frauen
schildert. Abermals nichts. (Man ist also wohl genötigt, dem Ganzen mit gemischten
Gefühlen entgegenzusehen. Wenn ThomaS Mann nun den Libanon auf den Zauber-
berg türmen wird, so kommt niemand mehr darüber hinweg. Erbarmen Sie sich,
Foma Genrichowitsch!) Aber nun kommt es besser. „Mario und der Zauberec"
(S. Fischer, Berlin) ist ein Kabinettstück, um dcswillen seinem Verfasser dieS und
jenes (nicht alles) vergeben sei. Während die Einleitung, obwohl keineswegs ins
Leere gehend, noch einseitige politische Gereiztheit ausswömt und mit dem Hauptteil
nur recht locker zusammenhängt, ist dieser, die Schilderung einer hypnotischen Vor-
führung zu Belustigungszwecken, von wundervollster Virtuosität. Es ist darin etwaö
von dem Widerwillen Gestalt geworden, den ThomaS Mann früher schon gegen
das Gebiet des Dkkulten zum Ausdruck gebracht hatte und der, soweit er nicht
bloß „humaner" und bequem beschränkender Natur ist, sehr diskutabel erscheint.
Und der Zusammenstoß dieseö unheimlich übermächtigen Gebietes unsauberer Mächte
der Tiefe mit einem schlichten, starken und reinen Menschentum führt zu einer grellen
Katastrophe, die unmittelbar packt und überzeugt wie lange nichts aus Manns
Feder. Hier ist alle billige Harmonisierung abgeworfen, hier zelgl er einmal einen
Augenblick wieder, was er kann, und was man von ihm zu fordern berechtigt
ist. Eben darum darf man nichk ablassen, ihn unaufhörlich auf die Verpflichtungen
eineö geistigen Führers der Nation hinzuweisen, der er zu heißen sich gefällt und
vielleicht auch sein könnte. Erich Brock

Zur Kritik des ExPerLenwesens

Die Sammlung Schloß Rohoncz in der Neuen Pinakothek in München

ehr als je scheint in diesem Sommer das Münchner KunstauSstellungöwesen

^in Fluß gekommen zu sein: neben dem osfiziellen Glaspalastprogramm hat
man in besonderem Grad der alten Kunst ein Augenmerk zugewendet, zunächsk in der
wichtigen Schau alter Handzeichnungen der Erlanger Universitätsbibliothek, dann
in der bedeutenden AuSstellung alter kirchlicher Kunst Bayerns der Münchner Resi-
denz, schlicßlich aber in diesen Wochen in der umfangreichen Sammlung „Schloß
Rohoncz", die in der Neuen Pinakvthek gezeigt wird. Dem Leiter der bayr. Staats-

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