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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 12 (Septemberheft 1930)
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Anschütz, Georg: Die Synthese der Sinne in der Kunst
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Nötzel, Karl: Bücher über das neue Rußland, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0452

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Jedenfalls entspringt alles das nicht irgendwelchen Launen oder dem Drange, um
jeden Preis Nenes und Sensationelles zu schasfen. Die Probleme wie die praktischen
Durchsllhrungsversuche haben nicht nur eine lange Vorgeschichte, sondern sie beruhen
auf emer lelder vielfach noch verkannten Grundtatsache: Die einzelnen Künsie, wie
wir sie historisch und in der Gegenwart vorsinden, haben zwar verschiedene Mittel
und Methoden; im Grunde aber sind sie wesensverwandt und müssen in ihren
höchsten und abstraktesten Formen wieder zur Synthese sühren.*

GeorgAnschütz, Hamburg

Bücher über das neue Rußland. II.**

^ l < ^enn Jstrati, der keineswegs aus die soziale Rache verzichtet und den Terror
^^^selbstverständlich sindet, zunächst nur diejenigen bolschewistischen Ubel bei
Namen nennt, die den Proletarier tressen und von der Bürokratie ausgehen, und
er nur von hier auS die Einrichtungen als solche berührt und dabei ganz von selber
auf den Gedanken kommt, daß der Bürger sozusagen auch ein Mensch ist, geht der
ehemalige belgische Konsul in Südrußland und gründliche Rußlandkenner Joses
Douillet („M o ö k a u ohne Ma s k e", Verlag für Kulturpolitik, Berlin) eben
vom Maßstab der Menschlichkeit aus und trisst damit unmittelbar die bolschewisti-
schen Einrichtungen als solche. Liest man sein Buch — es sollte in Millionen von
Exemplaren verbreitet sein —, so sragt man sich immer wieder, ob nicht doch der
BolschewiSmus in Bausch und Bogen abzulehnen sei, sosern auch seine höchsten
ideologischen Ziele, wie wirtschastlicher AuSgleich und gesellschastliche Gerechtigkeit,
nur abgeleitete Zwecksetzungen sind im Bergleich zu der einen und einzigen Jdee — der
Menschlichkeit —, gegen die er grundsätzlich verstößt. Wir finden noch keine einheitliche
Stellung zum Bolschewismus und sollten es ausgeben, nach einer solchen zu suchen:
sein Ziel weist allzusehr in die Zukunst hinauS, seine Mittel weisen allzusehr in die Ber-
gangenheit zurück. Betrachten wir die sozialen Mißstände, gegen die er ins Leben
trat, so möchten wir trotz allem in ihm ein Morgenrot erblicken — ersahren wir
dagegen von seinen teuflischen Unmenschlichkeiten, so erscheint er uns als der Äntichrist.
sgedensalls stellt er eine der schwersten Bersuchungen dar, vor welche der seiner sozialen
Verantwortung bewußte Mensch von heute gestellt werden konnte. Jn der ursprüng-
lichen menschlichen Unvollkommenheit sind nicht nur die sozialen llbel an sich begründet,
ofsenbar verhindert sie auch, daß die Menschen ihr Gemeinschastsleben nach einem
vorgesaßten Begriss von Gerechtigkeit gestalten — wenn ihnen dabei die Gewalt
über ihresgleichen eingeräumt wird. Jn der Gewalt liegt ossenbar die Bersuchung.
Wie mächtig diese Versuchung aus die Bollzugsbeamten im heutigen Rußland wirkt
und wie der Bolschewismus im StoizismuS gar nicht mehr möglich ist, dies nach-
gewiesen zu haben, bleibt das Berdienst des früheren Sowjetgesandten Bessedowsky.
Sein Buch („Jm Dienste der Sowjets", Grethlein L Co.) ist eine Tat. Der Ver-
sasser hat sich damit wissentlich das eigene Todesurteil unterschrieben. Bessedowsky
war vordem linker Sozialist-Revolutionär, also grundsätzlicher Terrorist. Er spricht,
das wollen wir uns merken, über die von seiner Partei beschlossene „Hinrichtung"
des deutschen Generals Eichhorn in Kiew (während es tatsächlich ein Meuchelmord

* Dgl. zur Literatur: G. Anschütz, Kurze Einführung in die Farbe-Ton-Forschung, fernsr
I. Band der Farbe-Ton-Forschungen, Leipzig 1927: „Farbenhören und Kunsischaffen",
Heft 2g des „Pclikan", Hannover 1928; „Oas Farbe-Ton-Problem im psychischen Ge-
samtbcreich", Halle a. d. S. lg2g: Abriß der Musikästhetik, Lcipzig igzo; „Die Farbe
alS seelischer Ausdruck", Heft Z7 deS „Pelikan", Hannover igzo. — Vgl. auch Rolf
Grundner, „Bericht über den I. Kvngrcß sür Farbe-Ton-Forschung und über die Sitzungen
der Psychologisch-ästhetischen ForschungSgesellschaft in Hamburg ig27-zo", Hamburg igzo.
" I: Dgl. Kunstwart Juli igzo.

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