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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 7 (Aprilheft 1930)
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Ullmann, Hermann: Die geistige Krise der europäischen Politik
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Unus, Walther: Die Lage der bildenden Kunst: Anmerkungen über unser Kunstausstellungswesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0069

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Zeit vor dem lndividualistischen Zerfall. Es muß die alte curopäische Sub-
stanz (wohl zu unterscheidcn von den Formen, in denen sie überliefert ist) die
tlreserve an altem volkhaft-lebendigem und letzten Endes religiösem Gemein-
schaftswillen erhalten und aus ihr heraus unter dem Zwange dcr gemcinsamen
Not und Aufgabe neugestaltet werden. Es ist nichk möglich, diesen Konser-
vakivismus, zumal er sich unker sehr ungleichcn Umständen auswirkt und keine
bestimmke Wirkungsform hat, programmatisch zu umschreiben. Die Haupk-
züge zu geben, muß cinstweilen genügen. Der deutsche (und holländische, skan-
dinavische) geistige Konservativismus (außer durch die bekannten deukschen
konservativen Publizisten etwa repräsenkiert durch Hamsun und Verner af
Heidenstam) Lrägt am deutlichsten diese Hauptzüge: ein starkes Wurzeln im
Heimatboden, dann aber eine kolonisatorische, eine hymnisch-glühende Licbe
znm Boden überhaupt, eine seelische Naturnähe, die in allen Zeiten ihres-
gleichen sucht.

-i-

Wie es auch mit dieser jüngsten (und zugleich im Altesten wurzelnden) geistigen
Strömnng in Europa stehen mag: die Diagnose wäre der erste
Schritt zur Heilung Europas. Die Zeit ist wohl noch sern, wo große
Ideen die weiße Menschheit zu ncuen Taken ausrufen: denn „große Jdeen"
sind der Ausdruck von Gesundheit nnd gesammelter Kraft, von Frömmigkeit
und Einsügung in den Willen Gottes. Sie entstchen weder aus rationalisti-
schem Pazisismus noch aus reaktionären Illusionen. Sondcrn nur aus konser-
vakiver Einkehr zu den ewigen Kräftcn und aus schöpferischem Wirken sür
alles Wachsende.

Die Lage der bildenden Kunsi

Anmerkungcn über unser Kunstausstellungswesen
Von Walthcr llnns

^ 1° nveränderlich wie wichtige und notwendigc Gcschehnisse lösen die großen
^^Kunstausstellungen noch immcr einander ab, als sei alles wie vor einem
halben Zahrhundert. llnd dabei übertreibt man kaum, wenn man behauptek,
sie fänden beinahe ohnc Betciligung des Publikums statt. Selbst die Hun-
dertjahrausstcllung der Berliner Kunst konntc dic Menge nur für eincn
einzigen Tag — zu einem Erössnungstce! - herbcilocken, bei der Zehnjahr-
auostellung der Novenibergruppe vcrsagte sogar die sonst so sreundlich
lächelnde Kritik. Man hat dcn geistigen Lcistungen eines Volkcs stets nach-
gesagt, sie wittcrten besser und seiner als andere Organe die wahre innere
Lage der Gegenwart und der nächsten Zukunfk. Wenn das stimmk, können
wir schon auo dcm Stand des Ausstellungswcsens recht vieles klar ablesen.
Die alten bürgerlichen Richtungen eristicren zwar noch, aber sie werden von
Zahr zu Jahr mehr zurückgedrängt und schon dadurch sichklich schwächer und
beschränken sich auf Wiederholungen. Es scheink hierbci gar keine Rolle zu
spielen, ob die einzelnen Werke gut sind oder nichk. Sie smd aus der Mode;
wie die große und ernste Kunst der holländischcn Klassiker gegen Ende des
siebzehnten Iahrhundcrks aus der Mode kam, wie Alternde sich meist
verlassen sehen und nicht mehr vcrstandcn werden. Da es sich jeht nur um

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