Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1930)
DOI Artikel:
Alverdes, Paul: Von neuerer Tanzkunst: zwei Briefe
DOI Artikel:
Anschütz, Georg: Die Synthese der Sinne in der Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0448

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lesen Sie den bei'gefügken Text, und wenn Jhnen der Kopf dröhnt und fchwirrk, so
fchlagen Sie, wirklich zu einer „Lesnng aus dem Buche der Gefallenen", jene anderen
Texke auf, welche das ei'genkliche und erhabene Tokenmal unserer Generakion bedeuten:
die „Kri'egsbriefe gefallener Skudenken". Si'e finden darin auch nichk die Fanfare
geblasen und den Krieg als eine ununkerbrochene Folge von Husarenstückchen darge-
ftellk, wie es einige lautsprechende Dummköpfe bei unS fchon wieder wahrhaben
wollen. Aber Sie finden darin das edelfte Vermächknis eines jungen Gefchlechkes
von gläubigen Kämpfern und gefaßken Opfern, und von diesen beiden Eigenschaften,
von Gläubigkeik und von Fassung finden Sie seikauf, seitab bei Talhosf nicht ein
einziges Work. Und darum wollen wir es als das Mal unserer Toten uichk gelten
lassen. Jhr Paul Alverdes

Die Synthese der Gmne in der Kunst

Dom I. bi« 2. Oktobcr ßndrt an der Hamburger Universitäk der II. Kongreß für Farbe-Ton-
Forschung slatt. Jn der Ösfentlichkeit find vielsach noch salsche Dorstellungen übcr deren Ziele
und Mekboden im Umlauf. Wir denken dahcr, daß eS für unsece Leser von Jntercsse ift,
cinmal Grundsätzliches von aukhcntjscher Seite zu hören, und gebcn im folgenden einem Autor
das Wort, der an der Bewegung selbft hervorragenden Ankeil hat. (Die Schristleikung)

'd^aß wir für den Bildhauer, den Architekten, den Maler, den Dichker, den Schau-
^^spieler, den Musiker und den Tänzer den einen zusammcnfassenden Namen
„Künftler" verwenden, ift keine bloße Laune unserer Sprache. Die alten Griechen
bezeichneten mit gukem Sinn jeden künftlerifch erlebenden Menschen als „musifch";
sie begrisfen darunter auch die allgemeine innere Bildung, den gefühlsmäßigen An-
ftand. Künftler aller Kategorien erkennk man auch heuke äußerlich als Künftler, ohne
daß die Eigentümlichkeiten der einzelnen Gebieke in jedem Falle zwingend hervorkreken
müßten. Aus besonderen Familien gingen Verkreter der fcheinbar verfchiedenften
Kunftgebieke hervor, was die gemeinsame Anlage verräk. Viele unserer größken
Meifter beherrfchten oder liebten mehrere Künfte zugleich; und die Nomankik von
E. T. A. Hoffmann bis auf Richard Wagner und seine Nachfolger arbeikete auf ihre
Verfchmelzung hin.

Die Verbindung der verfchiedenften Sinnesgebiete in der Kunft ift zunächft eine natür-
liche Angelegcnheit m doppelkem Sinne. Beim primitiven Lebewesen gab es noch
nichk Augen und Ohren gesondert. Jn einer allgemeinen Wahrnehmungsfunktion
vereinigte sich alleS das, was sich alsdann in langer und allmählicher Enkwicklung
differenzierte. Einzelne Sinne erhoben sich dabei zu außerordentlicher Funktion, wäh-
rend andere zurückblieben. Weiker erfolgke bei manchen Lebewesen wieder eine Ver-
kümmerung oder gar Rückbildung, wenn sie einzelne Organe nicht mehr benötigten.
Biele Tiergakkungen sind dem Menfchen von heuke im Sinn für Hören und Sehen,
Riechen, Schmecken und Taften weit voran, ja sie besitzen daneben noch ein Spür-
vermögen für Vorgänge, für kommende Gewitker und Erdbeben, einen Orienkie-
rungssinn auf weikefte Entfernungen, denen gegenüber unsere üblichen ErklärungS-
miktel noch immer versagen. Es wäre merkwürdig, wenn im Menfchen von heute
jede Spur jener ursprünglichen Verbindung verwifchk wäre und nichk mindeftens bei
besonderer Gelegenheik an die Oberfläche des wachen und erlebenden BewußkseinS
träte.

In zweiker Hinsichk ift der Menfch in seiner gesamten Orientierung wesentlich auf
die beiden „höheren" Sinne angewiesen, auf Auge und Ohr. Sie ermöglichen ihm
die Orientierung in seiner Umgebung, die Kenntnisnahme des Anderen, und durch
sie wiederum erfolgt auch letzten Endes die Kundgabe, die Mitkeilung an den Mit-
menfchen. Jn ftändiger ErfahrungSgewohnheik verbinden sich somik gesehene Formen
und Farben mit Geräufchen und Tönen, beide Welken geben sich eine gcgenseitige

384
 
Annotationen