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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 11 (Augustheft 1930)
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Ullmann, Hermann: Zwischen gestern und morgen
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Soessl, Otto: Die Bärin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0328

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müssen. Dabei kommk man freilich leichker an Grenzen — zumal wenn man
von äußerer UnfreiheiL auf allen Seiken gehemmk ift wie wir und zehnfach
so viele Auswege suchen muß wie die andern.

DerJüngere: So wäre also auch heute doch ein Sinn in der Gefchlechter-
folge? Zwifchen der Vorkriegsgeneration, die leHten Endes ungläubig war,
weil sie allzusehr an sich glaubte, und nns, die wir so wenig an uns glauben,
aber sehr viel Glaubensbereitfchaft in uns tragen — ftände also gewissermaßcn
jene Zwifchengeneration, die den alten platten, genügsamen Forkfchrittsglauben,
die M.-W.-Sicherheit zusammenbrechen sah und das Leben selbft als heilig
empfinden lernte. Und wir wären nun daran, die Geftaltung diefes
heiligen Lebens zu unternehmen, unter Schonung seiner GeseHe, mit
Ehrfurcht und Demut, ohne jene platte Überheblichkeit der leHten Vorkriegs-
zeit, die jeHt bei den „Siegern" und in der „Neuen Welt" noch lebk.

Der Ältere: So seh ich es. Und wenn Sie mich so verftehen, ift es ein
Zeichen dafür, daß wir nicht blindlings und fubjektiv träumen, sondern Wirk-
liches ertaften.

Der Iüngere: Jch fühle, Sie haben rechk.

Der Altere: Dann wollen wir Alkeren, nicht Alken, gern diejenigen sein,
die Tore aufgeftoßen haben, damit andere hindurchgehen.

Die Bärrn

Nvoelle

Von Otto Stoessl

^>rftaunt findet man sich nach langer Fahrt durch das Waagtal plöHlich
^-^vor dem gewaltigen Gebirgsftocke der hohen Takra, der anders, als wir
es von den 2llpen her gewohnt find, nämlich ohne Vorläufer, nngegliedert,
ein einziger Riesenblock, aufgeworfcn ift. Gegen lUorden bieket die großartige
Mauer SchuH vor den kalten Winden. Deshalb sind am Fuße des Massws,
noch am Rande der wenig gelichteten Urwälder, an den bequemen Abdachun-
gen zur Zipser Ebene viele kleinere und größere Kurorte errichtet, die zu allen
Jahreszeiten von Kranken aufgesucht werdcn, oder von Gesunden, die Sport
treiben oder sich bloß unterhalten wollen. Man vermißt eigentliche größere
Ortfchaften und selbft einzelne Siedlungen von Bauern. Es mag ja Gehöfte
geben, aber sie sind wohl mitten im Wald verfteckt oder in kleinen Mulden
des Gebirges.

Wie fremd das Bild und wie überrafchend, wenn man von den hochgelegenen
Terrassen der prunkvoll eingerichteten Hotels oder Sanatorien inmitten über-
eleganter Gäfte, unker Klängen der Jazz- oder Zigeunermusik, in einem Ge-
wimmel auffallender Damen und Herren in den sonft einsamen, großartig
unverbildeten Raum hinausblickt! Oben ftrecken sich unter cinem Liefblauen,
leidenfchaftlich leuchtenden Himmel — wir waren im Mai dork — fchroffe
Felsen der Sonne zu, die die grauen Zacken erglühen, den Schnee in den
Schrunden bliHen macht. Hoch reicht der Wald hinauf und wächft tief hinab.
Fn seinen leHten Wellen qnillk er noch, zu Gärten gelichket, über die Bauken
des Badeortes hinweg, die sich seltsam unzuftändig, selbft wic heimatlose Gäfte
mit ihrer aufgedonncrten Allerweltsmodeprachk an seinem Rande aufpflanzen.

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