DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1930)
DOI Artikel:Ullmann, Hermann: Paneuropa? Europa!
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0251
XXXXIII. ILSK6LK6
Paneuros>a? Euro^a!
Vori Hermann llllmann
/^2ewöhnlich wird die Krise Europas, die nun allmählich ins allgemeine Be-
^—^wußtsein einkritt, als eine Folge ^ Krieges angesehen. Begreiflich
genug, daß eine so gewalkige Erschütternng sick> als das Wesentliche selbsl
darstellk und nur allmählich selbß wieder als Folge bcgrissen werden kann.
Jn Wahrheit hat der Krieg — natura non kacit saltnin — eine Span-
nung ausgelöst, aber nichk beendet, die lange vorher begann und die in der
einseitig überspiHLen Entwicklung Europas begründet war. Es handelt sich
um jene „episodale" (Sombart) Entfaltung des Hochkapitalismus, jene ein-
malige, nie wiederkehrende Vereinigung von nationalem Jmperialismus und
hochkapiLalistischer Vormacht Europas, um den Abschluß jener machLvoll aus
den FrühzeiLen des Individualismus aufsteigenden, nun schon unschöpferisch
erstarrenden Periode des rationalistischen Liberalismus, der unmittelbar vor
der endgültigen Aufteilung der Erde stand. Bis in die Mitte des neun-
zehnten Jahrhunderts hatten an dieser Entwicklung, abgesehen von den alten
ermatteten Kolonialvölkern: den Spaniern, Portugiesen und Holländern, aktiv
nnr noch Frankreich und England nebst Belgien teil. Italien und vor allem
Dcutschland LraLen sehr spät und unvorbereitet, zu NakionalstaaLcn erst in
der zweiten Hälfte des Iahrhunderts zusammengefaßt, in den WeLLbewerb
der europäischen Bölker um die Welk ein, in einer Zeit, in der die innere
Kraft Europas bereits zu erlahmen begann und außereuropäische Mächte mit
neuen Kräften auf den Plan LraLen: Nordamerika und Asien. Dcr kurze
Aufschwung DeuLschlands zwischen 1870 und igi/j heimst noch die über-
rciche Ernke eines Späthcrbstes mit ein, der, den Völkern kaum bewußt,
schon die Zeichcn des Berfalls LrägL. Was mit Renaissance und Refor-
mation begonnen hatte, also nicht zuleht der Saat deutschen (und ikalieni-
schen) Geistes enLstammte, hatke sich in der hochkapiLalistischen und impc-
rialistischen EnLwicklung Frankreichs und Englands bereits bis zur Er-
maLLung ausgewirkt, als Deutschland, gleichsam in leHLer Stunde, sich ein-
schalteke. Und so wird es von den nichL mehr erobernden, sondern nur noch
unschöpferisch auf die Sichcrung des EroberLen bedachten großen Mächten
als unerlaubte Störung empfunden. Die AufLeilnng des europäischen MachL-
bereiches in der WelL wurde erschwert, zumal die Bereinigken Staaten und
Rußland als halbasiakische MachL von außen andrängten. „Es war (vor
dem Kriegsausbruch) eine Lage, die zum Kern die Frage hatke, was mik diesem
Deutschland, dem doch neben England und den Vereinigten Staaten größten
Welkzentrum kapiLalistischer EuLfalttmg, nun eigentlich geschehen solle, wenn
man die Erde ganz aufkeile" (Alfred Weber.) Ilnd so zeigt sich auö der
Julihefk Igzo (XXXXIII, 10)
209
Paneuros>a? Euro^a!
Vori Hermann llllmann
/^2ewöhnlich wird die Krise Europas, die nun allmählich ins allgemeine Be-
^—^wußtsein einkritt, als eine Folge ^ Krieges angesehen. Begreiflich
genug, daß eine so gewalkige Erschütternng sick> als das Wesentliche selbsl
darstellk und nur allmählich selbß wieder als Folge bcgrissen werden kann.
Jn Wahrheit hat der Krieg — natura non kacit saltnin — eine Span-
nung ausgelöst, aber nichk beendet, die lange vorher begann und die in der
einseitig überspiHLen Entwicklung Europas begründet war. Es handelt sich
um jene „episodale" (Sombart) Entfaltung des Hochkapitalismus, jene ein-
malige, nie wiederkehrende Vereinigung von nationalem Jmperialismus und
hochkapiLalistischer Vormacht Europas, um den Abschluß jener machLvoll aus
den FrühzeiLen des Individualismus aufsteigenden, nun schon unschöpferisch
erstarrenden Periode des rationalistischen Liberalismus, der unmittelbar vor
der endgültigen Aufteilung der Erde stand. Bis in die Mitte des neun-
zehnten Jahrhunderts hatten an dieser Entwicklung, abgesehen von den alten
ermatteten Kolonialvölkern: den Spaniern, Portugiesen und Holländern, aktiv
nnr noch Frankreich und England nebst Belgien teil. Italien und vor allem
Dcutschland LraLen sehr spät und unvorbereitet, zu NakionalstaaLcn erst in
der zweiten Hälfte des Iahrhunderts zusammengefaßt, in den WeLLbewerb
der europäischen Bölker um die Welk ein, in einer Zeit, in der die innere
Kraft Europas bereits zu erlahmen begann und außereuropäische Mächte mit
neuen Kräften auf den Plan LraLen: Nordamerika und Asien. Dcr kurze
Aufschwung DeuLschlands zwischen 1870 und igi/j heimst noch die über-
rciche Ernke eines Späthcrbstes mit ein, der, den Völkern kaum bewußt,
schon die Zeichcn des Berfalls LrägL. Was mit Renaissance und Refor-
mation begonnen hatte, also nicht zuleht der Saat deutschen (und ikalieni-
schen) Geistes enLstammte, hatke sich in der hochkapiLalistischen und impc-
rialistischen EnLwicklung Frankreichs und Englands bereits bis zur Er-
maLLung ausgewirkt, als Deutschland, gleichsam in leHLer Stunde, sich ein-
schalteke. Und so wird es von den nichL mehr erobernden, sondern nur noch
unschöpferisch auf die Sichcrung des EroberLen bedachten großen Mächten
als unerlaubte Störung empfunden. Die AufLeilnng des europäischen MachL-
bereiches in der WelL wurde erschwert, zumal die Bereinigken Staaten und
Rußland als halbasiakische MachL von außen andrängten. „Es war (vor
dem Kriegsausbruch) eine Lage, die zum Kern die Frage hatke, was mik diesem
Deutschland, dem doch neben England und den Vereinigten Staaten größten
Welkzentrum kapiLalistischer EuLfalttmg, nun eigentlich geschehen solle, wenn
man die Erde ganz aufkeile" (Alfred Weber.) Ilnd so zeigt sich auö der
Julihefk Igzo (XXXXIII, 10)
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