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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 10 (Juliheft 1930)
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Popp, Joseph: Das Kleinhaus und seine Einrichtung
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0309

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Jahrhunderten der gleiche geblieben ist und, von geringen physi'ognomischen Wand-
lungen abgesehen, sich in Amerika, Spanien, auf dem Balkan usw. wiederholt. Aus
der Gegenwart wird an guten und schlechten Lösungen das Ästhetische und Praktische
wirksam aufgewiesen, wie die Proben in unserer Bilderbeilage zeigen. Wie auch
einfachste Einrichtungen Brauchbarkeit und Berlässigkeit mit Behaglichkeit verbinden,
wie selbst im bescheidensten Heim heute für verhältnismäßig geringe Mittel wieder
guter Hauörat möglich ist, behandelt Harbers im Schlußkapitel, in dem bei jedem
abgebildeten Stuck, vom Besteck bis zur kompletten Einrichtung, Hersteller und Preis
angegeben werden. Wir bringen daraus als Beispiel ein ganz billiges Service und
die Möbel von Prof. Hoene samt einem erheiternden Gegenstück. I. Pp.

Umschau

Ernst Haider

s^rnst Haider, der nunmehr Vierzigjäh-
^rige, hat in seinem künstlerischen Schaf-
fen einen Punkt errei'cht, an welchem ein
erstes Rückwärtsschauen die Zusammen-
fassung der Kräfte für neueS Borwärts-
schauen, Vorwärtsschreiten bedeutet. So
war es innerlich begründet, daß der Mün-
chener Kunstverein vor kurzem eine Sam-
melauöstellung seiner bisherigen Arbeiten
oeranstaltete. Wir hatten ein Anrecht
öarauf, dieses Werk eimnal im ganzen
überblicken zu können, und vor allem be-
stand dieses Anrecht für ihn selbst. So
klärte sich das Urteil über ihn und man-
ches Schlagwort konnte endgültig fallen.
Ernst Haider ist, um ihn gleich im gan-
zen zu nehmen, der Künstler, auf den kein
Schlagwort paßt! Da steckte vor allem
noch ein Axiom in vielen Gemütern. Es
lautete: „der Sohn seineS großen Va-
ters." Recht verstanden, besteht dieses
Wort und wird bestehen bleiben, denn nie-
mand schuldet ihm mehr beglückten Dank
als Ernst Haider selber. Aber seine Kunst
damit abzustempeln, geht heute nicht mehr
an. Er ist längst den Weg geschritten, den
sein vom Vater verschiedenes Wesen
schreiten mußte. Hat er auch seine Größe
noch nicht erreicht, so ist er doch auf an-
dere Weise über ihn hinauSgekommen.
Aber auch damit wird man beiden nicht
gerecht; man sollte sie überhaupt nicht
mehr vergleichen.

Die Höhe, auf welcher Ernst Haider
heute steht, ist zäh errungen. Den verfüh-
rerischen Reizen der Bravour widerstanö
er siegreich. Es ist der gesunde Kern in
ihm, der ihn nicht über den billigen Effekt,
sondern einzig über das gediegene, ehr-
liche Können sein Ziel suchen läßt. Sein
künstlerisches Temperament ist gezügelt

und beherrschk. Moden in der Kunst, die
ihre Jünger so leicht mitreißen, gehen
spurloö an ihm vorüber. Keiner, aber
auch gar keiner der vielen Jsmen paßt
auf ihn. Und selbst wenn man seine Kunst
als „heimatverwurzelt" bezeichnen will,
reiht man sie schon allzu bestimmt ein,
denn auch der Erdgeruch kann zur Mode
werden. Alles Gute dankt seine Kraft
dem mütterlichen Boden, die Wurzeln
bleiben ihm verbunden. Aber die Krone
des Baumes greift darüber hinaus in die
Luft. Er lebt nicht um seiner Wurzeln,
sondern um seiner Früchte willen.

Diese organifche Entwicklung in Haiders
Schaffen ist auch der Grund, weshalb
er die Mittel, seine künstlerischen Ziele
zu erreichen, den inneren Erfordcrnissen
des Gegenstandes freier, beweglicher an-
znpassen weiß als einer, der in einer be-
stimmten Kunstrichtung gebunden ist. Der
Uberblick über seine Graphik sowohl als
auch über die Gemälde zeigt es immer wie-
der. Vergleicht man etwa die Porträtzeich-
nungen seines Vaters, Leopold Webers,
Albert Schweitzers, so wird diese Elasti-
zität in der Anwendung der geeigneten
Mittel cbenso anschaulich wie bei der Ge-
genüberstellung etwa der innigen Stock-
dorfer Winterlandfchaft, der ganz archi-
tektonisch, monumental und geradezu far-
ben-asketisch gehaltenen Hochgebirgsbil-
der, der unerreicht schönen, tief gefühlten
Murnauer Abendlandschaft und deö m
allen Farben jubelnden Herbstes im Jsar-
tal. Auch die Frauenbildnisse, von öenen
dasjenige seiner Gattin hier wiedergege-
ben ist, beweisen jene ehrlich-ernste Ein-
fühlung, welche die Wahl der Mittel be-
stimmt und auf „Effekte" verzichtet, weil
sie äußerlich bleiben müssen und daher
der Darstellung des inneren Wesens eineS
Menschen nur Abbruch tun.

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