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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 10 (Juliheft 1930)
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Lawrence, David Herbert: Die Grenze
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Sieburg, Friedrich: Frankreich-Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0284

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Die Todesangst sprach aus ihm.

Mik einer selksamen Abneigung legke sie die Arme um seine Schultern, um
ihn aufzurichken. Da krak Alan barhäupkig mik gerunzelker Skirn ein. Philipp
legke leise stöhnend seine schwachen Arme um Kakharinas Hals, während
Alan ans Bekk krak, um die Hände des kodkranken Mannes vom Hals seiner
Frau zu lösen.

Der Sterbende öffneke die Lippen zu einem grausigen Todcslächcln, und Ka-
tharina sühlke, wie sein Körpcr unker Zuckungen ins Ienseiks hinüberglitk.
Er war Lok. Auf seinem Gesichk lag das Lächeln eines Diebes, den man auf
frischer Tak erkappt hat.

Alan zog sie fork, zu dem andern Bekk, mik der Liefen Leidenschafk eines
Gakken, der von einer langen Neise heimkehrk.

(2luö dem Nvoelleiibanö „Die Frau, die davon ritt", Fnsel-Verlag, Leipzig)

Frankreich-Deutschland

Von Friedrich Sieburg

^H^enn man das Wesen Frankreichs in vereinfachken Linien aufzeichnek, so
^--^findeL man kaum ein Elemenk, das es mik dem der Ilmwelt verbände,
dafür aber um so mehr Lrennende Kräfke. Es ist die Tragik dieses Landes,
daß alle seine Tugenden und Werke eine die Umwelk ausschließende Kraft
in sich kragen. So wie Johanna den König des Himmels vollständig für den
König von Frankreich in Anspruch nahm, beschlagnahmen ihre heukigen
Nvchfahren die Zivilisakion für sich und lassen nur die Wahl, entweder
ihrcm Geist verpflichkek zu sein oder dem llngeist anheimzufallen. An der
Spitze der Zivilisakion zu marschieren oder, deuklicher gesagk, diese mikderinFrank-
reich heimischen Gesikkung gleichzuseHen, ist die bescheidenste Forderung der
F-ranzosen. Daß Frankreich und die Menschheik zwei sich deckende Begriffe sind,
wird schon in der Bolksschule gelehrk, uud Michelek empfand es als selbstver-
ständlich, seine Einführung in die Ilniversalgeschichke mik der vorweggenom-
mencn Schlußfolgerung zu beginnen, daß sein ruhmreiches Vakerland von nun
an der Pilok des Menschheiksschiffes sei. Tkiemals ist ein Geschichksschreibcr
auf den Gedanken gekommen, die übrige Besahung des Schiffes zu fragen,
ob sie diesen Skeuermann haben wolle. Denn immer war es die Bernunfk,
die zu dieser Bestallung führke; sich ihr zu widerseHen, wäre unvernünfkig
oder verbrecherisch gewesen. Jhr lag und liegk die Überzeugung von der
Pkormalikäk des Menschen und der GeseHlichkeit des geschichklichen Ablaufs
zugrunde. Beide Dokkrinen sind richkig, weil sie französisch sind, sie siud fran-
zösisch, weil sie richkig sind: das ist der denkerische ErkrakL der Suprcmakie
Frankreichs. Historisch gesehen seHk diese Argumentierung nichk mik einer
Tatsache, sondern mit einer Behaupkung oder, freundlicher ausgedrückk, mik
einer Überzeugung ein, daß nämlich die Menschheiksenkwicklung an der antiken
Jdee zu mesfen sei, deren einzig berechkigker Erbe und Bewahrer Frankreich
sei. Diese Inanspruchnahme der Rom-Zdee schuf den Gallikanismus, den
Staak und Skil des Sonnenkönigs, die erste Republik und ihre ForkseHung,
das Kaiserreich; sie schuf die nationale Missionsidee und das Monopol für
Gesiktung, sie schuf nichk zuleHL den Ankagonismus Frankreich-Deukschland.
Dieser GegensaH bestimmk den Zustand und das Schicksal Europas. Pkichk

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