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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 10 (Juliheft 1930)
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Umschau
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Zeitung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0318

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ischen Völkern. Das Volkslied ist eben
die „mnsikalisch-literarische Kultur des
Analphabetismus". Unter den Slawen
selber haben die Völker, die es am späte-
sten zu einer Kunstliteratur brachten: Rus-
sen, Balkanslawen und Slowaken, die
herrlichste Dolksdichtung heroorgebracht.
Das können wir heute seststellen, da uns
Paul Eisner in einer wahrhast monu-
mentalen Sammlung von Volksliedern
aller slawischen Stämme zum ersten Mal
einen wirklichen Überblick gab über die-
ses bis dahin nur sehr lückenhaft behaw-
delte Kunstgebiet. Die Ubertragungen sel-
ber erstreben vor allem getreue Nach-
ahmung des Rhythmus. Sie sind „ini
guten Sinne wortgetreu". Der „locken-
den Versuchung deS Fortdichtens" wnrde
widerstanden. Sprachliche, ja bildnerische
Unebenheiten, die ja so kennzeichnend
sind für das Volkslied, wurden mit
vollem Rechte beibehalten. Da zu diesen
zweisellos einwandsreien Grundsätzen noch
ein ausgesprochenes dichterisches und
sprachliches Einsühlungsvermögen hinzu-
tritt, ist es dem Versasser tatsächlich ge-
lungen, uns die künstlerische Wesensart
der sehr von einander abweichenden sla-
wischen Volksindividualitäten im Gewan-
de unserer Sprache nachempsinden zu
lassen. Wir erblicken ein weiteres Ver-
dienst dcs Versassers darin, daß er durch
seine Nachdichtung uns lehrt, unser eige-
nes Volkslied tieser zu würdigen. Nicht
nur das: bei den oft mit Händen zu grei-
fenden Zusammenhängen des Volksliedes
mit den ganzen geschichtlich-politischen und
den geographisch-natürlichen Schicksalen
eines Dolkes bereichern solche Sammlun-
gen, ganz abgesehen von den Liedinhalten,
allein schon durch die im Liede eingenom-
mene innere Haltung auch noch in hohem
Maße unsere völkerkundlichen und völker-
psychologischen Erkenntnisse.

Berücksichtigt wurde von Eisner vor allem
das lyrische Volkslied — wenn auch die-

ser Begriss gerade der slawischen Volks-
kunst gegenüber nicht engherzig gesaßt
werden darf, da sür manche Slawen,
vornehmlich sür die Großrussen (die be-
gabtesten und mit der reichsten und pla-
stischsten Sprachc ausgerüsteten von
allen) gerade die, fast möchte man sagen:
chemische Mischung von lyrischen mit epi-
schen und sogar dramatischen Elcmenten
kennzeichnend ist. Auch die epische Klein-
kunst sand in diesem Band Aufnahme.
Ausgesthlossen blieb nur die eigentlich epi-
sche Volkspoesie: die großrussischen Byli-
nen und die Heldenlieder der Balkan-
slawen.

Zusammenfassend dürsen wir die Arbeit
Eiöners als ein Ereignis in der Volkslie-
dersorschung bezcichnen. Man hätte eS
in unserer Zeit der Spezialsorschung über-
haupt nicht mehr sür möglich gehalten,
daß ein Einzelner ein so gewaltiges Ge-
biet noch zu beherrschen und in vieler Hin-
sicht etwas bereits Abschließendes zu geben
vermag. Darüber hinaus wirkt sein Buch
geradezu beglückend. Ein begnadetes Ein-
fühlungsvermögen in sremdes Lebenöge-
sühl und eine sicher außergewöhnliche Be-
herrschung der eigenen Sprache ermög-
lichten es ja dem Versasser, jene im
Dolkslied ewig lebendigen und alleö ver-
lebendigenden schöpserischen Lebenskräste
zu übermitteln, die das ganze urfrohe
Dasein deö fristhen, gesunden, einfachen,
mit Gott, Mitmenschen und Weltall im
Einklang stehenden Menschen ersüllen
und umspannen, crschaut durch die man-
nigfaltigen und doch wesenhaft gleichar-
tigen Prismen völkischer Gesühlseigenart.
Ein reiner, starker und srischer Lebens-
strom weht unö aus diesen Seiten ent-
gegen. Es übcrkommt uns das Gefühl
von der unendlichen Fülle des einsach und
richtig gelebten Lebens — von den un-
ausdenkbaren Möglichkeiten deö reinen,
schöpserischen Herzens.

Karl Nötzel

poUkiseke Okronik

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