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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 8 (Maiheft 1930)
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Böhm, Hans: Geschichte, 2
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0158

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Unrerricht an höheren Schulen heransgab nnd das mir seinem aufgeregren Slil und
dem Bestreben, fremdartige Dergangenheir hemmungslos zu modernisieren, manchem
aus die Nerven ging. Das vorliegende Bilderwerk ist angenehmer, schon weil die
rauschhafte Rede Kumstellers nur im Borwort ertönt. Auf zoz großen, meist mit
Z—Z Abbildungen ausgefullten Seiten und 3 Buntdrucktafeln wird ein reiches
Material zur Weltgeschichte von der Urzeit bis zur Gegenwart dargeboten. Das
Kulturgeschichtliche hat den Vortritt, also Trachten, TechnischeS, Haus und Hof, Hand-
werk und Schule, Handel und Verkehr; doch sind auch Handhaben geooten, den
Wandel der Künste sich zu veranschaulichen. Daß nun freilich die Leser, und gar die
jungen unter ihnen, diese zahlreichen Zeugnisse „zusammenschauen" werden, erscheint
mir fraglich; unsere moöernen „Synoptiker" verlangen da von ihnen etwas, was ge-
legentlich der gesammelten Geisteskraft eines Burckhardt oder Huyzinga oder
Werner Jäger gelingt: wahres Wissen und echte Bildung — man ist in Berlegen-
heit, so was TrivialeS sagen zu müssen — entstehen nur in der Beschäftigung mit
wenigen Gegenständen. So fürchte ich, im Widerspruch zu Kumstellers Vorwort,
daß solche Bildermengen das „Zeitalter der Zersplitterung" nicht beseitigen, höchstenS
verlängern helfen. Sehn wir nicht tausendmal mehr als wir verdauen können? Miit
Scherls schrecklicher „Woche" fing es an, zu derselben Zeit als der „reizsame" Lescr
auch sonst — wie oben ausgeführt — nach Stoffmassen lüstern wurde; seitdem —
welcheS Meer oon ähnlichen Zeitschriften und Bildbeilagen, von Jllustrationen und
Reproduktionen hat eine immer vollkommenere Technik über uns gespieen, und wie
hat gar der Film nnser Auge mißbraucht! Wer in diese Schule der Anfchauung
geht, verlernt zu sehen. Wir sollten uns und erst recht die Jugend gewöhnen, weni-
gen Eindrücken ein Marimum von Sinn abzugewinnen.

Dies um so mehr, -als dem Eigentlichen des Lebens, auch des geschichtlichen, etwas
Bildloses anhaftet. Das im Grunde Wirksame und Wirkliche eines VorgangS, eines
Zustandes einer Person, einer Leistung, einer Entwicklung ist nicht „anschaulich zu
machen", kann nur im Gedanken ergriffen werden. Erinnere ich an solche geistigen
Bilder, solche Jdeen, wie etwa Platons Entdeckung und Ausfassung des Staates und
ihre Abwandlung iin Gang des abendländischen Lebens, oder an die großen Religionen,
und wie sie Dölker formen und Schicksal machen, — so brauche ich nicht zu sagen,
daß von alledem bei Kumsteller nichts erscheint und erscheinen kann. Diesen inner-
sten und wahrhaft weltbewegenden Gedanken der Vergangenheit gegenüber sind aber
„das Alltagsleben der antiken Völker, ihre Feste und Spiele, ihre Bauten und Kriege"
reichlich glcichgültige Oberflächendinge: heißt es nicht den Sinn vom Wesentlichen
abziehen, wenn man ihnen so viel Raurn läßt?

Bersuchen wir also lieber, uns dem gestaltlosen „ersten Beweger" mit dem Lichte
des Geistes zu nahen als mit dem modischen Blitzlicht. Hans Böhm

Umschau

Bildnerei der Geisteskrankeii

as Hessische Landesmuseum Darm-
stadt zeigte Anfang April eine große
Schau künstlerischer Arbeiten von Geistes-
kranken; das meiste auS den Beständen
der Heidelberger Psychiatrischen Klinik,
daneben auch schweizerischeS Material
(z. B- den Fall Morgenthaler). Es war
lohnend, diese Ausstellung zu sehen. Sie
konnte zum Nachdenken über manche

Frage anregen, die uns durch die moderne
Kunstentwicklung nahegerückt ist. Be-
kanntlich sind wir mit unserer Kunst heute
in eine Lage geraten, die uns eine ge-
nauere Abgrenzung der Kunst des moder-
nen Kulturmenschen von der Kunst des
Primitiven und von der Kunst des Schizo-
phrenen einigermaßen schwer macht. Die
zahllosen Dersuche heutiger Künstler, an
exotische und primitive Gestaltuna anzu-
knüpfen, reden in dieser Hinsicht eine
 
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