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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 12 (Septemberheft 1930)
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Nötzel, Karl: Bücher über das neue Rußland, [2]
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0456

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Sehr zu rechter Zeit als ein toirklich authentischer Beitrag zu den so voneinander ab-
weichenden und nn'teinander streitenden Darlegungen der Wirtschastspolitik erschien
Paul Haensels „W i r t s ch a f t s p o l i t i k Sowjetrußlands" (I. C. B.
Mohr, Paul Siebeck, Tübingen). Unter der Sowjetherrschaft war Haensel, der nie-
mals irgendeiner politischen Partei oder Gruppe angehörte, seit ig2i Präsident der
Finanzabtei'lung des Jnstituts für Wirtschastsforschung, das dem Finanzkommissariat
angegliedert war, und hat als solcher auch an den Arbeiten der Kommissariate für
Außenhandel, für auswärtige Angelegenheiten und für VerkehrSwesen, sowie im
Staatshaushaltsausschuß und im Zolltarifausschuß teilgenommen. Haensel gehörte
2Z Jahre der Moskauer Universität an und war in der zaristischen Zeit Professor
an der Schule für Volkswirtschaft (Handelshochschule) und zugleich Mitglied des
Verwalwngsrates der russischen Staatsbank. Dieser Mann verfügt also über eine
seltene Erfahrung. Aus dem Gebiete der Landwirtschaft, Staatsindustrialiömus,
Planwirtschaft, Wirtschaftliche Lage der Arbeiker, Binnenhandel, Außenhandelsmono-
pol, Berkehrswesen, Staatsfinanzen und Währung bringt Hacnsel die von den Sow-
jets getrosfenen Versügungen, erläutert die leitenden Grundgedanken und übt dann eine
maßvolle, das Wesen der Sache tresfende Kritik, deren Maßstäben wir durchweg zuzu-
stimmen vermögen. Jch wenigstens kenne kein Rußlandbuch, in dem man eine solche
Fülle wissenschaftlich nachprüfbarcrTatsachen erfährt und dabei einen so einheitlichen
Begriff erlangt von dem, was dort eigentlich crstrebt wird. Daß das Buch bei aller
Sachlichkeit durchaus nicht farblos ist, vielmehr, wo es darauf ankommt, die Dinge
ruhig bei Namen nennt, beweisi der Abschnitt über den Fünfjahrsplan — ein Muster
wissenschaftlicher Unparteilichkeit. Haensel erklärt da u. a. den von der Sowjet-
regierung so laut verkündeten großen Erfolg der Kollektivierung, daß sich nämlich
bis zum i. März 192g AZ Prozent aller Bauern der kollektivistischen Bewegung an-
schlossen, damit, daß die Bauern sehr wohl begrifsen hatten, welcher Vorteile sie durch
Annahme des Bekenntnisses der Regierung teilhaftig wurden: diejenigen, die nicht bei-
waten, bleiben nämlich außerstande, sich landwirtschaftliche Geräte, Saatgut und
häufig sogar Streichhölzer zu verschaffen. Tatsächlich aber habe der Erfolg der
kollektivistischen Bewegung unter der Bauernschaft der Regierung arge Berlegen-
heiten bereitet: die Millionen neuer Anhänger warten nnn darauf, auch ihren Anteil
an den Wohltaten der Regierung zu erhalten. Daher habe diese kürzlich befohlen,
mit der kollektivistischen Propaganda unter der Bauernschaft ein etwas lcmgsameres
Tempo einzuschlagen und den Eifer der örtlichen Verwaltungsstellen etwas zu
dämpfen. Karl Nötzel

Umschau

Chineflsche und japanische Malerei

eftige Parteizwistigkeiten, soziale Un-
gerechtigkeiten, Not und Elend hatten
die einst gewaltige T'ang-Dynastie ihrem
Sturz entgegengeführt. Ein halbes Jahr-
hundert lang rangen die neu erstandenen
chinesischen Teilländer miteinander um die
Oberherrschaft. Weite Landgebiete waren
an die „Nordbarbaren" verloren gegan-
gen. Fünf Dynastien verbrauchte der chi-
nesische Thron in der kurzen Zeitspanne
eines halben Jahrhunderts, bis im Jahre
960 die Sung-Dynastie ans Ruder ge-
langte, das Reich einte und durch Auftei-

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lung deS GroßgrundbesitzeS dem Elend der
Landbevölkerung wirksam entgegenwat.
Außenpolitisch vermochten allerdings die
Sung den Verlust weiterer Gebietsteile
an die tatarischen Eindringlinge nicht
aufzuhalten. Die Nordhälfte des Reiches
geriet gar bald unter die völlige Botmä-
ßigkeit der Liao und späker der Autschen,
die in China Kin genannt werden.

Jn dieser Zeit des größten nationalen
Unglückes und der Schmach gelang es der
sittlich hochstehenden Dynastie wotz
und neben aller Schwäche, nach außen
die geistigen Kräfte Chinas zusam-
menzufassen. Zu jener Zeit war es, als
 
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