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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 11 (Augustheft 1930)
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Dussler, Luitpold: Zur Kritik des Expertenwesens: die Sammlung Schloß Rohoncz in der Neuen Pinakothek in München
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Kollmann, Franz: Kunst und Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0387

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Bemerkung der S ch r i f t l e i t u n g: Wir haben den Ausführungen unseres
MikarbeiterS nur noch hinzuzufugen, daß die Frage weit über das mtern Wissenschaft-
liche und Fachmännische hinauSreicht, mag es sich m diesem Falle auch um eine private
Sammluna handeln. Es ist v°n allgemeinem Jnteresse wie weit die deutfche Kunst-
wissenfchaft die rwr dem Kriege wegen ihrer Unbestechl.chke.t Weltansehen hatte,
durch die Berbindung mit Händlerinteressen geschädigt wird. Wir lassen eö uns nicht
ausreden, daß die Wissenschaft und der wissenschaftliche Gutacht^

Verantwortung trägt, und halten eS für emen schweren Fehler, daß derartige Affaren
meist intern ausgetragen werden: dies ist auch der Grund warum der Druck dieses
Fachaufsatzes an dieser Stelle erfalgt. Unsere Bilder sollen dw AuE-hrungen des
Verfassers auch für den Leser anschaulich und uachprufbar machen. W.r haben des-
halb dem zweifelhaften Sebastiansbild einwandfreie Werke Bellinis zum Vergleich
beigegeben. Der parallele Fall der ebenso fraglichen Pietä auS dem engl.schen Kunst-
handcl soll im gleichen Sinne wirken.

Kunst und N'akur

Goethe beschäftigte sich eigentlich als erster mit dem ästhetischen Gesetz der Natur-
form. Bahnbrecher wie in so vielem, schlug er Brucken kunft.ger Erkenntn.S, auf
die ihn. die Zeitgenossen nicht folgen konnten. Vor .hm und lange rmch ,hm g.bt
es keine erhellte Beziehung zwischen den Formen der Kunst und der Natur es se.
denn die einfache, offene, daß Tiere und Pflanzen der Kunst als nebensachl.che
Vorbilder dienten: „dem Architekten waren Blatter Knospen B uwen und von
daher abgeleitete Gestalten als Zierde seiner starren Flachen und Stabe hochst w.ll-
kommen, und noch sind uns hievon die köstlichen Reste gebl.eben, w.e Grwchen und
Römer bis zum Übermaß, mit wandelbaren Formen d-r veget.erenden We t .hren
Marmor belebt" (Goethe: Blumenmalerei). Aus der Kunst entw.ckelte s.ch der
Kunstbetrieb Fein säuberlich wurde daS abgestorbene Formengut geordnet und lag
in den Schubladen der Schulen bereit für stilistische Übungen. Aber statt Wesen
Verstcinerung, statt Leben Erstarrung, oft genug auch erstorben als Symbol: keine
Akanthusblätter gab es mehr, sondern korinthische Kapitäle, ke.'ne Lilien, sondern
heraldische Schablonen.

AIs man der toten Fraüen überdrüssig wurde, als man s.ch plotzl.ch gegen d.e Herr-
schaft ungehöriger und längst nicht mehr verstandener Ziersormen empörte, als man
cntdeckte in welch gefährlichen Fetischismus man geraten war, kam erste Handlung:
es entstand der ,Iugcndstil". Erftischend zunächst, da selbst erftischt durch geheimnis-
volle Quellen, durch ahnungsvolles Erfassen organischer Entwicklung. Entartend
bald, als die Ahnung verglomm, ohne das Wissen zu entzunden.

Es war notwendig, daß der zweite Versuch neuer Schopfung aus anderm Ge.ste
entspranq. Aus der Derquickung von kultnreller und w.rtschaftl.cher Not der Nach-
kriegszeit gelanqte man zum Leitwort: Sachlichkeit S°chl.ch und e.gengesetzl.ch
aber waren die Maschinen, und plötzlich merkte man, daß s.e auch schon sem konnen
Sachlich und eigengesetzlich wurden die Bauten, d.e Mobe. Zweckuberlegung b.l-
dete eine Grundlage des ästhetischen Schaffens m Arch. ektur und Kunstgewerbe.
Doch fraqen wir nach der reinen Kunst! Dort gab es wohl Real.smus und Natura-
lismus, aber keine Sachlichkeit, und was ste „Neue Sachlichkeit" nannten, d°S
brachte viele Irrunqen und Wirrungen mit sich. Phantas.e und Beschre.bung wer-
den mit einem Male gänzlich abgelehnt; sei erstere nur Verz.erung, heißt eS, so
werde letztere stets Verzerrung, und als Ziel stehe über der sachlichen Wicdergabe
die wirklichc Scköpsung, die — um den wenig glückl.chen, wen.'g verständlichen
Ausdruck zu nennen - abstrakte Realität. Erde, nach unbegreiflichen Gesetzen be-
baute Erde, vom Flugzeug aus gesehen, mag uns die beste Vorstellung solch „supre-

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