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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 8 (Maiheft 1930)
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Nötzel, Karl: Die Versuchsbühne der Theaterwelt: (das russische Theater)
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Lesskow, Nikolai: Der ungetaufte Pope, [1]: eine unwahrscheinliche Begebenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0117

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einmal; wie weik überhaupt Theaterkunst in den Dienst einer außerhalb ihrer
liegenden Zdee geslellt werden kann, ohne aufzuhören, Knnst zu fein — und
zweikeno: wie weik das Theater, was dichterische, spielleitende und darstellende
Schöpsung anbetrifst, Sache eines ganzen Volkes zu sein vermag. Zu allen
diesen Verfuchen erscheint Rußland vor allem deshalb in so hohem Maße
vorausbestimmt, weil dork dem Theater von jeher eine ganz besondero bedeutende
Rolle im Leben der Gesellschafk zukam und weil zudem der Russe troH oder
vielmehr gerade wegen seiner unverwüstlichen Rkatürlichkeit über cine überlegene
Anlagc und Neigung zum Theater verfügt. Und das bleibt denn auch wohl der
vorwiegende und wirklich ergreisende Eindruck von allcm, was wir bisher von
neuester russischer Bühnenkunst zu sehen und zu hören bekamen: daß es der
russischc Schauspieler in unvergleichlicher Weise fertigbringk, auch da und
gcradc da, wo er auf der Bühne bloß noch Automat, Maschinenteil sein darf,
wo er sein ganzes Menschkum dranßen lassen soll, erst recht ein voll-lebendiger
Mensch zu bleiben. Man erfährt erst hier — wenigstens nach einer Richtung
hin—, was Menschtum eigcnklich bedeutet. Zweifellos seine stärksten Eindrücke
erzielt aber das neue russische Theater da, wo der Regisseur die diktatorischen
Theatertheoretiker an der Rkase herumführt und der russische Mensch als
Schauspieler sich über beide lustig macht. Da gibt es wirklicheö, ewiges Theater.
Daß es in solchem Maße unzerstörbar ist, wnßten wir bisher nicht. Dies vor
aller Augen kundzutun, dazn bedurfte es vielleicht erst aller dieser scheinbaren
Entfesselung und tatsächlichcn Knebelung der Bühne. Hierin liegt denn auch
wohl menschheitsgeschichtlich gedeutet ihr eigenklicher Sinn: in dem Nnchweis
von der Ewigkeit des Theaters für und durch den Menschen.

Der ungeLauske Poge

Eine unwahrscheinliche Begebenheit
(Ein legendäree Dorfall)

Erzählung

oon

Vikolai Lesskow
Deutsch von Henry von Heiseler
Erstes Kapikel

^H'n unserem Freundeskrcis stießen wir ans die solgende Zeitungsnachrichk:

einem Dorf geschah es, daß der Geistliche seine Tochker verheirakete.
Natürlich war cs ein prächtiges Fest, alle Lranken tüchtig und amüsierken sich
aus ländliche, aus häusliche Manier. Ilnter anderem erwies sich der Diakonus
des Ortes als ein Liebhaber der Tanzkunst und tanzte in der Begeisterung und
Freude desFestes ,mit fröhlichen FüßeiL angesichts der Gäste einen Trepack,
wodurch er alle in nicht gcringes Entzücken verseHLe. Unglücklichcrweise war auch
der Propst auf dem selben Fest, dem ein solches Tun des Diakonus als sehr
verlcHend erschien und des höchsten Strasmaßes würdig, und in seinem Eiser
Ichrieb der Propst dem Bischof einen Bericht, daß dcr Diakonus auf einer
Hochzeit im Hause des Geistlichen den ,Trepack^ getreten habc. Der Erzbischof
Jgnatius empfing den Bericht und versah ihn mit der solgenden Resolution:

Der Diakonus N hat den Trepack getreten . . .

Doch der Trepack klagt nicht;

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