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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 8 (Maiheft 1930)
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Stoessl, Otto: Erinnerung an Anton Faistauer
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Faistauer, Anton: Malerei, Dichtung, Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0104

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schriftlicheir Ausdruck eiuen kriLischen Abriß, einen Bericht über Stand und
Gang der ösierreichischen Malerei seii Klimk eniworfen, die Entwicklung
neuer Tendenz aus der alten Tradition, die Eigenart seiner Zeitgenossen, der
von ihm lebhast anerkannten Freunde: Wiegele und Kolig, scharfsinnig
und scharfblickend dargesiellt mit untrüglichem Wissen um das Wesentliche.
Diese ösierreichischen Maler sind wohl noch von keinem literarischen Kritiker
so gerecht, so überzeugt, so überzeugend gewürdigt worden, wie hier von ihrem
Kunsigenossen. Schade, daß es nicht mehr zur Durchsührung einer Faisiauer-
schen Lieblingsidee gekommen isi: er wollte über sich selbsi eine kritische Dar-
siellung als Erläuterung zu den Wiedergaben seiner Bilder schreiben. Eine
kurze, aber bezeichnende Probe seiner Art zu denken nnd sich auszudrücken, für
seine eigne Gesinnung und Absicht, eine allgemeingültige Fassung zu suchen,
isi uns aus seinem schristlichen Nachlaß sreundlich übergeben worden und
möge diescn Zeilen als lebendige Erinnerung und Stimme solgen.

Noch vor Weihnachten haben wir einen Vormittag in seinem Wiener
Atelier mikeinander verbrachk. Seit Ansang igng wohnke Faißauer wieder
dauernd in Wien. Er hatte in seiner hochgelegenen Wohnung im Rund seine
letzten neuen und eine Anzahl srüherer Bilder aufgesiellk und ausgehängt,
unr Einsi und Jetzt mitcinander zu vergleichen. Wiederum sah ich das er-
grcifende Bildnis seiner versiorbenen Frau im Pelz, durch die jetzt schon alt-
modische Tracht und durch die meisierliche Behandlung außerzeiklich mächtig,
sah die sirotzendcn Stilleben, die Landschaften vom letzten italienischen Aufent-
halk, ein großes Breitbild der Stadkaussicht von scinem Fensier: eine Wild-
nis von Dächern, Schornsicinen und Mauern mit einem ungesiümen Wolken-
himmel darüber. Wir sprachen angeregt über alle diese schönen Sachen, über
eigene und fremde Fragen, über Bücher, Städte, Menschen, Kunsi, Franen,
Liebe, Zcit und Unzeit. Er wicderholte mehrmals, er sei frisch, guk aufgelegt,
sühle sich wohl und habe reichlich zu tnn mit privaten Aufträgcn nnd mik
Glasfenstern für eine Kirche in Bregenz, er zeigte nnr dic Kartonmtwürse. —
Nach wenigen Wochen erfuhr ich plötzlich, er sei wegen erneuter Magen-
krämpfe in ein Sanatorium gebrachk zur Operation, ohne Hofsmmg. Inner-
halb weniger Tage war alles aus.

Ein echter Maler, ein Farbenliebender, ein Farbendichter, cin ösicrreichischer
Künstler, ein europäischer Geisi, der durch sein Werk überall dic Heimat
empfahl, mir ein echter, unvergeßlichcr Frennd, ist gestorben. Nmn bewahrk
ein reichhaltiges, bedeutendeö, vielseitiges Werk sein Andenken.

Malerei, DichLung, Muslk

Von Anton Faisiauer

^jetzten Endes meinen und wollen alle dasselbe: den Menschen.

^ Der Mensch, den Rembrandt geformt hat, isi Mensch von gleicher Dichke
und gleichem Gewichk wie der Mensch Shakespeares oder Goethes.

Wenn jemand sich darüber wunderk und ungläubig isi, so isi es deshalb, weil
des einen oder des anderen Ausdruck ihm unkenntlich, unzugänglich isi.

Isi alles Kunsitreiben damit beschäftigt, den Menschen und seinen Raum und
damit sich selbst und den Raum, seine Beziehung zur Umwelt, der Natur

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