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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 11 (Augustheft 1930)
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Soessl, Otto: Die Bärin
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Rintelen, Friedrich: Goethes Italienische Reise: ein fragmentarisch aus dem Nachlass herausgegebener Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0333

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Haseln, junge Buchen, als es plötzlich laut raschelt und sich eLwas hinler lhr
aufrichteL mik schrecklichem Brunimen. Sie schaut sich nur einen Augenblitz
um. Der Bär! Das Tier schnausL. Sie stehL, auf dcm Weg festgewachsen.
Das Tier brummL. Es schnupperL, es hebL die Vorderpranke — sie siehLs nichk,
sie wciß cs nur — und schlägk nach ihr, sie fällL hin. Was wei'Ler geschehen
ist, dcnkk sie nicht. Das Tier muß glcich wieder weggegangen sein, jedenfalls
hak es sich um sie nichL weiter gekümmerk.

Doch LesorgLe man freilich weikere Überfälle und veranstalteLe eine Treibjagd
in diesem Tcile des Waldes, wo das Tier hausen mochke. Man Lrachke es
zustande, allein, vhne Iungen, und erlegke es.

Es war eine Bärin, ein schon ganz altes Tier, gar nicht mehr gefährlich.
Die Zähne fehlkcn ihm bereiks, und es haLLe keine andcren Waffen mchr, als
seinc Tatzen und seine Schwere. Es häLLe wcder zubeißen und zerfleischen
können, iwch wollcn. Ein lichker Streifen läuft ihm gelb quer über die Stirn
unker dem dunkeln Fell. Daran erkennL man das Tier wieder, das danials
den VaLer gerissen haLLe, als er ihm die Jungen rauben wollte. Mit Lreuer
Erinnerung — die stärksten Gedankcu stammen ja aus dcr Lcidenschaft —
vergalk es ihm dic Bärin an seinem Menschcnjungcn. HaLte sie das Mädchen
als scine TochLer gewiLLerk oder war ihr seithcr jeder Mensch feind? Sie
wollte nicht mehr tun, als Gleiches mit Glcichem crwidern, mahnen, einen Denk-
zeLLel geben. Nur der Mensch rächt sich am Tier vollkommen durch Mord,
nicht bloß wie hier nach erliLtencm Schaden, sondern ofL genug aus Angst,
aus BorsichL, aus Mutwillen, aus Spiel. Die Schuld kommt durch dcn
Menschen über die Ncktur."

Goekhes Italienische Reise

Ein fragmentarislh auS dem ILachlaß herausgegebener Vortrag von
Friedrich Rintelen

(VV^an licbt heuke, ideengeschichtlich über Likeratur zu sprechen, wie wenn
^^^die Kunst erst ihr bcscheidencs Feld verlassen müßte, um durch die
stolze Redewüste der Philosophen höhcre Bedeukung zu erhalten, oder wie
weun der Dichter Worte erst in eine andere Sprache übcrsetzt werdcn müß-
ten, damit wir sie recht verstehcn; statt daß alle wüßten: es gibt keine rei-
nere, frischere Qucllc für unsern Geist, als die unübersetzte Sprache des
Dichters. Den Dichker verlangt es, uns abzusondern aus dcr großen Schar,
und uns zu sich zu gesellen, mit ihm an dem, was er crlebte, so wie er es
crlcbtc, teilzunehmcn. Und wir, indem wir sciuen Wunsch erfüllen, indem
wir uns mik Liebe in seine Seelc versenken, gelangen zu eiuer Einsicht in uns
selbst, zu eincr Anschauung verborgcuer wunderbarer Möglichkeikcn, wovon
keinc Philosophie und keine Jdeengcschichke uns ctwas weiß und kündet.

So möchte ich heute abend keineswegs mit Fhnen über Goethe und über Zsta-
licn und über die Ztalienische Reise philosophieren, sondern mein einziger
Wunsch ist, jcnes Buch, das jedermann von Iugend auf in seinen Händen
hat, von dem man gesagt hat, daß es eines dcr populärsten Werke des
Dichters sei, und das doch wie wenige andere umstritten und bekämpft worden
ist, wieder einmal in Ihr Interesse zu rufen; und da cs nicht nur sehr um-

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