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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1930)
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Rintelen, Friedrich: Goethes Italienische Reise: ein fragmentarisch aus dem Nachlass herausgegebener Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0334

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fangreich, sondern auch von ganz einzigartigen, nicht notwendig mikeinander
harmonierenden Impulsen erfüllL ist, halLe ich es nichL für überflüssige Mühe,
wenn ich versuche, Sie, in einem Überblick über das Ganze, auf das WesenL-
liche dieses Buches hinzuführen. Doch müssen Sie mir erlauben, eine Be-
merkung vorauszufchicken.

Sie beLrisfL das Äußere des Buches. Was wir vor uns haben, find Briefe
und Aufzeichnungen, von denen man leichL glauben könnke, sie seien hier so,
wie sie GoeLhe 1786/88 auf der Reise geschrieben haL, abgedruckL. Aber
GoeLhe haL sie im Anschluß an DichLung und WahrheiL 181Z/16, also
eLwa Zv Iahre späker mik Einschiebungen versehen und überhaupk neu redigierk.
Hievon kann man sich erst seik 1886 den rechken Begriff machen, indem man
damals aus GoeLhes hinkerlassenen Papieren viele der Briefe und die Tage-
bücher publizierL haL...

182g wird der römische AufenthalL einer nochmaligen RedakLion unkerzogen.
— Wer die Einwirkung Ikaliens, die Spiegelung in dem Goekhe, der auf
Reisen ging, nichk den alken GoLhe kennen lernen will, müßke sich eigenklich
an jene Briese halken. Sie sollten in vieler LeuLe Hände sein, und es gäbe
vielerorLs ein Erquicken an den Geheimnissen, mik denen GoeLhe die vollkom-
mene Prosa von 1816 und 1829 hervorgezauberk hak. Der Sprachgewinn
ist gar nichk hoch genug zu schähen, und man sollke die Bergleichung der beiden
TerLe nichk den GelehrLen allein überlassen...

Wahrlich, es ist ein hohes Schauspiel, zu sehen, wie die dichkerische Nakur
sich mik einer neuen WirklichkeiL erfüllk. Dergleichen kann man nichL eigenklich
beurkeilen; man siehk es mik Skaunen an, wie das Schwärmen und Heim-
Lragen der Bienen; es gleichk einem NaLurprozeß, dessen Wahrnehmung
uns das Gesühl, dem Seienden näher zu sein, mi'Lkeilk...

Aber wer will überhaupk mik einem Mcnschen von Goethes 2lrL rechken?
Hat es einen Werk, seine AnsichLen zu diskukieren? Nremand, der nach rhm
kam, glich ihm, keiner haLLe die gleiche Aufgabe, keiner dieselben Voraussehun-
gen, noch dieselben einschränkenden Bedingungen. Sein Buch über Ikalien
ist eine unabänderliche Taksache, mik der niemand übereinstimmen muß, in
die srch Lies zu versenken aber sür jeden unaussprechlich sördernd ist.

Aber solche Aufnahme hak das Buch bei den DeuLschen nichL steks gesunden,
sondern sie sind ofk über ihren großen Lehrmeister hergefallen und haben
respekklos ihre momenkane und persönliche Denkweise zum Richker über ein
mit so viel HerzbluL erkaustes Werk gemachk.

Schon gleich nach der Heimkehr bekam Goekhe einen Vorgeschmack von dem
BerhälLnis, in das das Publikum zu seinen in Ikaljen gefaßken Gedanken
Lreken würde. Heinses Ardinghello fand er als das große likerarische Ereignis
in aller Händen, jenes romanähnliche Buch, in das eine Fülle von ikalieni-
schen Kunsteindrücken gesügt ist. Heinse hakke einen ausgesprochenen Sinn für
die farbige Erscheinung der Dinge, und mik großer LebhafLigkei'L verkündeL er
den Ruhm der großen Koloristen Benedigs, besonders Tizians, denen GoeLhe
nur wenig WorLe gegönnL haLLe. Ein höchst nühliches Buch, und von wirk-
lichem Kunstverständnis gekragen. Ilnd doch auch ein rohes Buch, und im
Grunde ein langweiliges Buch, das mit einem monokonen sinnlichen Bergnü-
gen sarbigen Kunstwerken huldigt. WichLig neben Goethes Buch, sofern es

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