Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1930)
DOI Artikel:
Faistauer, Anton: Malerei, Dichtung, Musik
DOI Artikel:
Heidenstam, Werner von: Zwei Geschichten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0105

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
aufzuklären, so ifi es selbfiverftändlich, daß diese Aufklärung nur an Will-
fährige gelangen kann und auch nur in dem Grade aufklärend wirki, als
diese reif und bereii sind dafür.

Der Laie erzürni, wenn er ein neues Kunfiwerk im erften Augenblick nichk zu
verfiehen vermag. Er wunderi sich aber nichi, wenn er ein Leben lang brauchL,
um RcmbrandL oder Goeihe zur Gänze zu begreifen.

Das Kunfiwerk erfülli sich an uns. Ae weiier wir in uns sind, defio mehr
werden wir von der WeisheiL der Bilder begreifen. Ungern hören wir, daß
wir eLwas nichk verfiehen könnLen. Wir verfiehen alles nur nach dcm Maße
unseres Verfiandes. Der ifi manchmal Lrübe und manchmal klar und er
kann auch wachsen.

Der Verfiand deö GesichLs ifi nichL minder als der Verfiand dcs Gehörs oder
anderen Spürens. Alles gehL über das Gehirn zu Herzen. Es ifi kurzsichiig,
zu glauöen, daß Bilder fchon allein durch die Augen wahrgenommen werden
und der Malerei eine gcringere Kenninis der WelL zugrunde liege, als der
DichLung und der Musik.

Der Menfch haL kein anderes Thema, als Himmel und Erde in Beziehung
zu sich.

Kunfi und WissenfchafL bemühen sich in heißem Ringen nm dieses.

WelLanfchauung kommL von „WelL anfchauen". Das Gesichk scheinL das
unmikkelbarfie Tor in die WelL zu sein. Es ifi aber nichk ganz richkig. Alle
Organe sind in gleichcr Weise dem Menschen ein Mikkel der WelLerfassung.
Der Endwille aller: sich zu finden, sich zu erlöscn, zu erhöhen im Chaos der
geisiigen, physischen WelL, und der Erfolg läßk keinen Zweifel über die Ein-
heiLlichkeiL der Kunsiwege. Sie werden vom gleichen BluL gespeist, vom
gleichen Hirn gelei'LeL und kommen zum gleichen Ziele — zu Gokk.

(2lus dem Nachlaß)

Zwei Geschichten

Von Verner von Heidenstam
Vor der Kirche

^Ier breiLschulLrige Jöns Snare in Mora aß Grütze mik seinen Nachbars-
^-^bauern Maans und Mathias. Er war so geizig, daß er den ganzen
Winker auf der Schlafbank lag und fchlief, um Lichk zu sparen. Sein großes,
plaLLes, barLloses GesichL glühke in dem Tageslichk, das aus der Bodcnluke
hereinfiel, häßlicher nnd runzcliger als das ciner Hexe, und er sprach Lräge
MiL dumpfer, dröhncnder Skimme.

„Jch prophezeie," sagke er und schlug die Hand aufs TischbreLL, „daß Rin-
denbroLLage bevorsiehen. Morgen sieche ich meine leHLe Kuh ab. Jedes Iahr
neue Skeuern und Einberufungen, nnd jeHL will man uns die Kirchenglocke
und das Geld zum Abendmahlwein nnd das GeLreide fürs Armenhaus weg-
nehmen."

„Wahr gesprochcn," sagke Maans.

Er rieb seine grauen Backen und nahm noch eine Prise Salz mik seinem
Breilöffel, denn es war Sabbak. Sonsi war Maans so geizig, daß er bei

79
 
Annotationen