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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 7 (Aprilheft 1930)
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Gedichte
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Rinn, Hermann: Über Henry von Heiseler
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0049

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Auf Hörers Wang', das, bebend und beglückk,

Ei'n Herz ,'n süßen Fieber-wahn enkrückt,

Ein feurig Müleid, durch ein Work enlfacht,

Das seinen Honig aus dem Nichls gemachl,

Treulose Treu', die ohne Glauben lebl,

Jhr Leben durch — Gramgeift, der gramlos schwebl?
Ja, wie die Nacht Krafl in die Dürre trug,

Jn Blüten, die Slurm oder Sonne schlug,

Heilend mit mildem Tau und sanfler Zeit,

Des Hungers und des Dürstens Hefligkeil.

(Unoollendete llberlragung aus dem Jahre ig2g)

Über Henry von Heiseler

Von Hermann Rinn

Evr i'st ein unbekannter Dichter. Sein ITame fehlt in allen Handbüchcrn
^-^übcr neuere Literatur. Selbst in der offiziellen Geistcsgcschichte des „Krei-
ses", Friedrich Wolters' „Stefan George und die Bläkter für die Kunst",
gilt ihm nur ein liebloses, nnzulängliches Blatt, wo doch bogenweise Papier
über längft verfchollene und niemals gültige Größen verschwendet wird.
Schweigen wir von Verstand und llrteilsfähigkci'L der geld- und pnblikums-
mächtigften ösfentlichen Organe, und freuen wir uns, daß sich wenigstens feit
seinem Tode einsichtige Blätter und hier und dork eine Zeitfchrift bereikfinden
ließen, ein Wort des Gedächtnisses für den Menschen und Dichter aufzu-
nehmen, der es allerdings zeitlebens versäumt oder vielmchr verfchmäht hakte,
Bittgänge zu den SiHen der Gewaltigen zu machen, sich nm den Applaus
der Gründlinge im Parterre oder überhaupt um den Erfolg zu kümmern.
Wesen nnd Leiftung des Dichters stehen cinmükig, unverführbar, überzeugend
auf sich, wie nur noch bei wenigen unker uns, und so, als stamme er ans ciner
Kultur, einem Mcnschentum, das ich für diejenigen „vormärzlich" nennen darf,
die mit dem Wort nicht eine reaktionäre oder epigonenhafte Borstellung ver-
binden.

Sein Lebensweg ist so wenig zufällig, daß ich ihn nicht übergehen darf.
Heiscler ift 1875 in St. Pekcrsburg geboren, gehört aber einer protestantischcn
deukschen Familie an. Er wächst in glänzenden Berhälknissen auf, treibt ge-
schichtliche und literarische Studien und lcgk dork, nicht zuletzt begünstigt
durch seine glückliche Bcgabung, den Grund für eine ungewöhnliche Belesen-
heit, Kenntnis, eine nmfassende Bilduug, wie sie heukzutage schon sagcnhafk
zu werden beginnen. Er dient als Einjähriger im russifchcn Heer und kommt
nach deni Offizierseramen 2gjährig nach München, nm sich iu einem prak-
tifchen Beruf nmzusehen. Die nächßen Zahre verbringt er abwechselnd hier
und in Rußland. Zn den Wintcr igoi/02 fällt ein entscheidendes Lebens-
ereignisi die Begegnung mit Stefan George. igoz ist Heiseler mit Bei-
trägen in dcn „Blättern für die Kunß" vertreten. 1905 erwirbt er im ober-
baycrischen Brannenburg jcnes „Haus am Hang" mit den lichken Beständen
von Buchen und Apfelbäumcn und dem nahen Wald, mitten in dcr von Karl
Haidcr entdeckten nmsikalischen Landschafk, die seinem Werk wesenhaft ver-

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