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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1930)
DOI Artikel:
Heilbrunn, Ernst: Englische Nachkriegsliteratur, [1]: D. H. Lawrence
DOI Artikel:
Lawrence, David Herbert: Die Grenze
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0270

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srker und in den Tropen findek er nichks als sein heimlichstes und Lrohigsies
Selbst. Ia, es ist nichk so eindeukig, ob er überhaupk ein Skürmer gegen
Englands eigenkliches Wesen isl. Zwar: der leere milchige Blick englischer
Menschen, die nur „der llmstände, aber keineswegs des Mannes inmikken der
llmstände sicher" sind (wie vorzüglich gesagk!), und die er immer wieder als
von wächserner llnwirklichkei'L schilderk, sie rufen steks von nenem scinen
ähenden Hohn wach. Das England, von dem nie „der Dämpfer abfällk",
verabscheuk er, aber zugleich hak man Grund zu der Annahme, daß er im Ge-
heimen, im Verborgenen an den llrinstinkk der englischen Rasse glanbk, ja
einen unkilgbaren Skolz auf sie in sich krägk und eine echke „Blukleuchke" in
ihr noch verborgen wähnk. „Mich selbß sührk mein Drang nach vorwärks,
manchmal ekwas zurück", heißk es einmal erheikcrnd.

llnd auch darin ist er Engländer: mik dem holdesten Zarksmn hak er begonnen.
Blumigen Wiesen und blumigen Gefühlen gehörke einst seine Liebc. llm so
verwirrker ist seine erste englische Seelenfreundin, als sie bemerkk, daß sein
Feinsinn in Zynismus umschlägk. Er beginnk die Blumen, diese Jdolc der
Engländer, zu hassen, und weist ihnen ihren Rang zu, er schauk si'e in ihrer
sleischlichen GrausamkeiL, und die Liebe zum Lebendigen schreikek nun über
Blumenliebe hinaus und schießk auf zum Tier und zu allem Bluke. Gleich-
wohl: in ihm ist ein immcrwährender Haß gegen den Akhlekenkypus, Wille
Lrikk ihm zurück hinker Muk-Wille nnd sedernde Behendigkeik, syrühende
Tollkühnheik, den „geistigcn Leib" spielk er gegen brukale Gewalk aus.
Bauvenargues, der Zarkgroße, würde ihn grüßen, der siech, mik erfrorenen
Gliedern vom böhmischen Feldzug heimkehrk, halb erblindek, vom Hof miß-
achkek, im Fieber seine zugleich stahlharken und eleganken SäHe hinseHk.
,Rlinsr lss iroblss pg88ron8!« lknd Drake und Tkelson sind seine Ahnen,
die alle kerne „Reckcn" waren.

Will man an Lawrence ungekrübke Freude haben, so lese man seine Nvvellen.
Hier, wo er keine Gelegenheik hak, die Secle unserer Zeik als auswegloses
Labyrinth zu schildern und die Mcnschen des öfkcren in glühender Ekßase
einern Ende zukreibk, ist er von zwingender Größe. Eine Erzählung wie „Die
Frau, die davon ritk" ist werk, als Symbol dcr Geisteslage unscrer Epoche
genommen zu werden. Wie viele von uns möchken davon reiken, zu den alken
Gökkern reiken, nichks als reiten, und nichk wenige, bin ich übcrzeugk, um den
Preis, den jene weiße Frau in Mexiko dafür zu zahlen bcrcik ist.

Die Grenze

Novelle

Von David Hcrbcrk Lawrence

A^akharina Farquhar war eine hübsche Frau von vierzig Jahren; schlank
^^war sie nicht mehr, aber anziehend in ihrer vollen, weichen Weiblichkei'L.
Die sranzösischen Gepäckkräger ßürzken auf sie zu, es war ihnen schon ein
wollüstiger Genuß, auch nur ihre Kosser zu kragen. lknd sie gab ihnen lächelnd
hohe Trinkgelder, einmal weil sie nie den Werk des Geldcs wirklich gekarmL
hakke, und dann ans krankhasker Angst, jcmanden nichk richkig zu enklohnen,
besonders einen Mann, der ihr drenstbererk war.

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