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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 10 (Juliheft 1930)
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Sieburg, Friedrich: Frankreich-Deutschland
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Strauß, Ludwig: Feuer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0289

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die sich sowohl Ln der deukschen Mysiik und in Lucher als auch in der klassi-
schen Philosophie und in Bismarck Bahn gebrochen hat. Von wo könnte der
französischen Jdee, die sich zur HüLung des römischen Erbes berufen fühlL
und sich als richLunggebend für die MenschheiL begreifL, Gefahr drohen, wenn
nichL von den Barbaren! Und ist diese Gefahr für Frankreich, das doch kon-
gruenk miL der MenschheiL ist, nichk auch eine Gefahr für alle? Da es für
den Franzosen nun einmal feststehL, daß nur sein Geist berechLigk ist, akkiv
zu sein und auf andere Bölker zu wirken, so bleibk ihm nichks anderes übrig,
als die deuksche AkLivitäL, das deuksche WachsLum miL dem WorLe Pan-
germanismus abzukun. Dies Work, das wir Läglich in den französischen Zei-
Lungen lesen können, ist im Grunde nichLs weiker als ein ProLest gegen jede
außcrfranzösische AkLiviLäL überhaupk. Hierin liegk die Bedeukung des deuksch-
französischen GegensaHes.

(Aus Friedrich Sieburg „Gott in Frankreich?", Frankfurter Sorietäksdruckerei, G. m. b. H.,
Abkeilung Buchoerlag, Frankfurt a. M.)

Feuer

Von Ludwig SLrauß

SsV>aria, die Bäuerin, saß über ein großes Papier voller Zahlen gebeugk am
^^^Tisch und rechneke. Der Sohn, ihr gegenüber, stüHLe den großen,
dumpfäugigen Kopf in die Fänsie und sah in der MuLLer Haar, das noch
keinen weißen Faden im schwer geflochLenen RoLblond zeigte. Wenn sie den
Kopf hob, gingen die eisblauen Augen in dem verwiLLerLen Gesicht über
ihn wcg und hafLeten erbiLLerL an einer Stelle der bläulich geLünchken Wand,
als wollLen sie die Lösung zwingen, in deuLlicher Schrisi darauf zu er-
scheinen. „Müht Euch nichL ab, MuLLer, wir schaffen es doch nicht", mur-
melte er, sagke „GuLnacht", und ging, ohne AnLworL zu haben, hinaus.

Die Frau Llieb lange allein mik den Zahlcn. Das Nechnen gab sie bald auf,
es war klar genug, daß der große Hof nichk gehalLen werden konnte. Jhr
Mann, der daö GuL einst miL ihr erheirakeL haLke und im vorigen Jahr ge-
storben war, haLLe sie in die Geschäfte nicht hineinsehen lassen. Er war immer,
so herrisch und sicher er sich auch hielk, ein mäßiger WrrLschafLer gewesen,
der mchr bei Bier und KarLen saß, als für das Anwesen guL war. Nach
ein paar Monaken eitler VerliebtheiL in die schöne und reiche Frau hakke er
sich, zu ihrem verschwiegenen Gram, wenig mehr um sie ^ekümmert, sie auch
mik Geld knapp gehalken. Jndessen ließ er, ohne ihres Widerraks zu achken,
die Skallungen abreißen und neu und prächkig aufführen, das TLohnhaus cr-
weikern, über alles llkvtwendige hinans, um nur dcn schönsten Hof im Dorf
zu haben, und er nökigke fie, aus den nicht eben großen, aber ihr lieben Kam-
mern in die fremden ncuen Näume zu ziehen, die mik städkischen Fabrikmöbeln
und Qldruckcn zu öder GroßarLigkeiL hergerichkek waren. Gleich nach seinem
Tod zog sie in die alLe Schlafkammer zurück und wohnte wieder in der allen
Stube, in der alles, der große Tisch und die lange Holzbank an der Wand,
Ofen und Schränke, ihr von den Mädchenjahren her verkrauL war.

Wenig Freude, viel Kummer und harte Arbeit war zu Lebzeiten ihres
Mannes Marias Leben gewesen. Der Knabe war jahrelang ihr Trost,
und heimlich hoffte sie, daß er späLer das GuL in festere Hände nehmen und

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