Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben (43,2.1930)

stampfen drohen! Wir meinen dagegen: Europa wird diesen Weg gehen. Sicher-
lich wäre das die Erfüllung der Aufgabe, die es sich Jahrhunderte hindurch sür die
Menschheit gestellt hat: die Krönung seiner Menschheitsleistung — und hier begirmt
auch seinc große Gegengabe an Asien. Feilers Zweiseh ob Europa das will, scheint
mir unbegründet. Dieser eine und einzige Weg ist Europa innerlich vorgezeichnet —
schon durch sein religiöses Erlebnis, durch das Christentum. Aber wenn auch Enropa
und seine geschichtliche Aufgabe nicht wären, kann man sich nicht vorstellen, daß die
Menschheit bei dem Wahngebilde des Massenmenschen stehen bleibe! Der lctzte Sinn
allen geschichtlichen Geschehens liegt immer nur im Menschen — in zunehmender Er-
kenntnis seines Wesens und WollenS, der Rücksichten, die wir aus unsereögleichen zu
nehmen haben, um vor uns selber bestehen zu können! Und sagen wir es uur gleich:
jeder Rückweg zu dem Menschen ist auch gleich schon ein Rückweg zur geistigen
Selbstersassung, zu Gott. Man kann das Geschöps nirgends zu Ende denken, ohne
den Schöpser mitdenken zu müssen. Deshalb erblickte auch Goethe den letzten Sinn
der Weltgeschichte in dem Kamps des Unglaubens mit dem Glauben! Er wird nir-
gends ossener geführt als im heutigen Rußland. Daß der Bolschewismus von hier
auS seinen eigenen Untergang vorbereitet, ist dem Sehenden klar, eine Ersinnung
dieses Vorgangs von dieser höchsten Warte steht aber noch aus. Alle bisherigen Un-
tersuchungen, auch die Feilersche, sind dazu nur D-orarbeiten. Auch die Schriften, die
sich mit der Christenversolgung im heutigen Rußland besassen. So an erster Stelle
das ganz vortressliche „N o t b u ch der russischen Christenheit" (Eckart-
Verlag). Hier scheint mir die religi'öse Fragestellung des BolschewismuS gan; klar
gesehen zu sein (auch in der kleinen Schrist deS Pfarrers I. Stenzel, „C h r i st e n -
versolgung in Rußlan d", Verlag Martin Warneck). Der BolschewismuS
wirkt als der große europäische Ausrüttler — Tolstoi hat ihm hier die Wege geebnet.
Er bedeutet sür das 20. Jahrhundert das, was Napoleon dem ig. Jahrhundert
bedeutete. Nur handelt eS sich heute nicht mehr um das politische, vielmehr schon
um das geistige Sein deS Menschen. Die Frage geht um Gott — darum, ob der
Menschenmord erlaubt ist. Diese für das Menschheitsschicksal entscheidende Frage vor
das Menschheitsgewissen gezerrt zu haben — darin erschöpst sich die Berusung des
Bolschewismus. Karl Nötzel

Das Klemhaus und seiue EiurichLung

/E/^oebcn erscheint im Verlag Georg D. W. Callwey ein dankenswertes Buch, das

^-^wir allen empfehlen, die sich mit Wohnsragen theoretisch oder praktisch be-

schästigen, zumal wenn sie an ein Eigenhaus denken: „D a s Kleinhaus und
seine Einrichtung von 6ogo bis iZ goo M a r k." Sein Versasser ist der
Münchener Baurat G. Harbers, HerauSgeber des „Baumeister" — einer Zeitschrist,
die sich den heutigen Bauproblemen mit ossenem Sinne widmet und iu steigendcm
Maß weitester Wertschätzung ersreut. So ist auch diese Arbeit ganz und gar aus
das Praktische, unmittelbar Gebrauchsmäßige eingestellt.

Das Kleinhaus als Eigenhaus ist Traum und Wunsch breiter Volksschichtcn, ist
für viele Ziel und Sinn allen Sparens und Verzichtens und bedeutet schließlich
einen gewissen Abschluß mühsamen Schassens. Das eigene Haus ist mehr als eine
neue Wohnung, der eigene Herd, das eigene Stückchen Erde gewinnen symbolhaste
Bedeutung für den Menschen der Stadt, aus Büro und Fabrik, der seine Woh-
nung nur nach der Lage in Seiten- oder Rückgebäude, im dritten Stock oder Dach-
geschoß rechts oder links kennt. Es ist bekannt, daß England in der Entwicklung
des modernen Wohnens ganz Europa und Deutschland weit voraus ist. Man weiß
auch, daß in England das Eigenhaus eine weitaus selbstverständlichere Sache ist als
bei uns. Die englische Gartenstadt- und Eigenheimbewegung ist uns Maßstab und

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