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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI issue:
Heft 8 (Maiheft 1930)
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Böhm, Hans: Geschichte, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0157

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„Monarchia", die gleichfalls umfangreich eingeleitet nnd erläutert roird, kommL
fchließlich der größte mlttelalterliche Mensch nnd Staatsdenker zn Wort; man wird
di'efe Gabe mit besonderem Dank aufnehmen.

Zwei weitere Jtaliener von Weltrang zeigen das Nachleben der mittelalter-
lichen Gedankenwelt nnd den grnndsätzlichen Verzicht anf sie um die Wende
des IZ. Jahrhunderts: Savonarola nnd Machiavelli. Den Schüler des
Dominikus, der zugleich, könnte man sagen, ein Jünger des hl. Franz ist, stellt sein
Biograph Joseph Schnitzer mit Dichtungen, Briesen, Schriften nnd Predigten vor
als einen Charakter von unerbittlicher Reinheit, dem aber eine weltgeschichtliche
Wirkung versagt bleiben mußte, nicht sowohl weil er, auf Gewalt verzichtend, dem
Wort allzusehr vertraute, als weil er weder in seiner Dogmatik, noch in seiner
reli'giösen Praxis (Bisionen, Auditionen) Mittel sand, die Papstkirche grundsätzlich
zn bekämpfen und das „moderne" Bürgertum zu überzeugen. Es ist übrigens nicht
ohne Reiz, daß einige der mitgeteilten lpredigten noch heute auf dem Jndex stehen:
so wenig hat die Kirche ihrem letzten mittelalterlichen Propheten seinen Kampf
gegen die Borgia verziehen. JndeS erst von Machiavelli aus wird die Unzeitgemäß-
heit des Fra Girolamo ganz deutlich: bei dem nur 17 Jahre Jüngeren keine Vision
mehr, sondern Beobachtnng, keine Forderung, sondern Beschreibung, kein Heiliges,
sondern das Menschliche, kein Christentum, sondern die Antike. Der Klassiker
moderner Weltbetrachtung und Politik wird in jeder Gestalt willkommen sein; die
knappe, wesentlich dem prinoipe unö den äisoorsi entnommene Auswahl, die Hesele
gibt, wertet seine Einleitung mit bekannter Meisterschast aus.

Von Machiavelli zu sei'nem berühmtesten Gegner und Schüler, zuFriedrich dem
Großen! Von ihm besitzcn wir seit igiz die zehnbändige PrachtauSgabe seiner
Werke, denen zwei Bände Briefe solgten; eine zweibändige Auswahl darauS, die
„VolkSausgabe" (Hobbing), ist in vielen Händen. Da seit 1920 früher sekretierte
Teile des schriftstellerischen Werkes Friedrichs ans Licht getreten sind, da vor
allem die Gegenwart neue Fragen an diesen Mann und seine Leistung zu stellen
hat, so ist eine neue Auswahl begreiflich und begrüßenswert. Richard Fester, der
Hallenser Ordinarinö, legt sie in zwei Bänden mit g^o Seiten vor. Den Hauptton
erhält dabei der Militär, Politiker und Staatödenker; in zweckmäßigen Auölesen er-
scheinen u. a. die Hauptschriften: Die Geschichte meiner Zeit, die Beiträge zur
Geschichte des Hauses Brandenburg (die früher sog. „Denkwürdigkeiten"), die Ge-
neralprinzipien des Krieges, die Politischen Testamente von 1752, 1768, 177g—64.
Daneben kommt in 26Z Briefen der Mensch zu Wort: es ist freilich nur etwa
ein Zwanzigstel des ganzen brieflichen Nachlasses, den man sich einmal in einer
handlichen DünndruckauSgabe wünscht; andere Seiten seines Wesens nnd Werkes,
Satire, Poesie, Philosophisches sind unterdrückt; auch der Antimachiavell und die
Schrift über die deutsche Literatur fehlen — doch wird man diese Emseitigkeit der
Auswahl billigen müssen. Ein besondereö Derdienst der Auögabe ist die Sorgfalt,
die der llbersetzung zngewendet wurde; Fester führt mit Feinheit aus, wie Friedrich
in dem — vorgoethischen — Zustand deö damaligen Deutsch kein zulängliches Aus-
drucksmittel seines GeisteS finden konnte, aber auch >m Französischen nicht aufhört,
Deutscher zu bleiben, „tüdesk" zu reden. Auch aus diesem Grunde greift der HerauS-
geber möglichst nach der ersten, noch nicht von seinen Franzosen „korrigierten" Nie-
derschrift Friedrichs. — Die schönen Bände, mit 'Tafeln nnd Autogrammen geschmückt,
kommen zur Zeit, um die Verzerrungen sentimental-patriotischer Filme wie gewisser
bösartiger Literaten zu beschämen durch das strenge und wahrhafte Bild des größten
Staatsmanneö, der nnö Deutschen vor Bi'Smarck geschenkt worden ist.

Ein Quellenbuch ganz anderer Art ist in zweiter, stark veränderter Ausgabe er-
schienen: Kumstellers Bilderwerk zur Geschichte. Kumsteller hat vor
einigen Jahren durch ein Geschichtswerk von sich reden gemacht, das er für den

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