Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1930)
DOI Artikel:
Unus, Walther: Die Lage der bildenden Kunst: Anmerkungen über unser Kunstausstellungswesen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0070

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Feststellurrg hcmdelr, erlrbrigt sich dre Erörterung, ob hrer im Hrnblick auf
Kunst Recht oder Unrecht geschieht.

Erne ziemlich deutliche Grenzc Lrennt diese Kunst von den zahlreichen Grup-
pen, die seik dem AufkreLen des Erpressionismus entstanden sind und beinahe
jährlich neu entstehen. Diesen allen gcmeinsam ist ein gerüttelt Maß Ab-
straktion, d. h. die Grundüberzeugung: ein genaueres Studium dcr Natur-
crscheinung sei gefährlich, mindestens überflüssig. Das Bild der Welt, die
darzustellerr sich lohnt, muß ohnedies zu einer UnanfechLbarkeiL, zu einer 2lb-
solutheit — entwickelt werdcn können. Hier stock ich schon: das WorL Enk-
wicklung stehk nicht mehr im WörLerbuch dieser Jungen; sie glauben, sie
host'cn, das IlnbedingLe aus ihrenr unbefruchketen HaupLe plöhlich hervor-
treten zu lassen, wie weiland Zcus die Athena. Ilrrd das Wort „absoluk"
stehk dafür m'chL in unscrm — veralketen — Lexikon; sofern wir zu wissen
glauben, daß das AbsoluLe zu erreichen stets eine FikLiorr bleiben wird. 2llso
reden wir zwangswcise stets aneinander vorbei. Die NichLungen der modernen
Kuirst sehen sich nun im Kern alle sehr ährrlich; ob es „abstrakte" oder „kon-
struktive" GestalLung heißt, experimenkelle Malerei oder wie immer. Be-
LrachLen wir zuerst die am meisten Teilnahme bei einem größeren Publikum
weckenden gescllschafLskriLischen und die gegenständlich schastenden Künstler.
llnter den ersten waren ein paar der stärksten Talente*. Bezeichuenderweise
aber ist die Zahl unsercr bedeuLendeu KarikaLuristen rücht nennenswerk ver-
größert worden, Lrotzdcm die gesamke NichLmrg gerade zur osten eingestan-
derrcn, ja programmäßigen böswilligen Berzerrung der UmwclL aufrief. Die
gegenständliche RichLung beharrte — als Kunst — auf einer Basis völliger
inrrerer UnbeLeiligLheiL und absichtlicher Gleichbetormng, wurde daher forrnal
nur als langweiliges Kuriosuni genommen und vom nichL-kominunistischen Be-
schauer ebenso kühl bekrachkek und — abgelehnt**. Allen aber wie den Tendcnz-
künstlern, denen es ja mehr um den Jnhalk als die Form ging (solche hat es
stets gegeben, aber von ihrierr allen ist nur Goya lcbendig geblieben), war ge-
meinsam: cine sozialistische oder kommurristische Sehnsuchk, das gesamte
Seicnde als gleichwcrtig anzusehen und vor allem nichts als achtungswerL
oder verchrungswürdig anzuerkennen odcr hervorzuheben. Dies war anch noch
die WelL der rieuen Sachlichkeit. Die WelL wurde cnLkcrnt. Die Il^egaLion
beruhte also nicht auf ciner pessimistischen Basis, die es etwa noch Schopen-
hauer oder Hamsun ermöglicht, ein sicher konstruiertes Weltbild aufzubauen,
sondern sogar überall da, wo es nichL einmal darauf ankam, die Reste der
alten WelL, GesellschafL und Skaak als vcrbrecherische zu brandmarken, zer-
fiel oder zerbrach die WelL oder sloß zu einem anorganischcu, im besten Fall
kristallinischen Gebilde zusammen***. Man begann also da, wo beim pessi-
mistischen Wilhelm Busch die Geschichtc endek: beim unenLwirrbaren Chaos,
das aber nicht historisch verstanden, sondern als ewig erklärt wird. Wo
dann bloß geometrische KonstrukLionen entstanden mil einem wirklich oder
angeblich darin ausgedrückten GefühlsinhalL oder Empfindungskern, konnke
man manchmal handwerksmäßig saubere, formal oder koloristisch m'chL reizlosc
ArbeiL feststellcn. Schon dics Wenigc erfreute****. Es waren iin künstlerischen
Sinne dekorative Werke, ohne aber daß es den Künstlern gclang, das schmük-
' Oir, Grosz z. B. " Oie Brücke und ihre Nachfolger. Kandinsky, Segal. Melzer.


 
Annotationen