schwererer „Dienste täglichc Bewahrung", das wortlose Nie-versagen oor Ver-
antwortung und Pslicht auch in der unerkräglichslen, verzweifeltsten Zwangs-
lage. Und das ist das Einzigartige an Leislung, Begabnng oder — meinet-
wegen — Glück: sich die innere Unabhängigkeit von niemand nnd nichts
antaslen zu lassen, um den letzten Sinn von Bescheidenheit zu wissen, der
Gerechtigkeit und des Menschlichen in kcinem Falle zu vergessen, und schlicßlich:
sich aus allen llntergängm und Weltgerichten das „freie Lächeln nnd
den freien Gang" zn retken.
*
Diese reiche, gefchmeidige, glückliche Natur besaß von Anfang an die größke
Strenge gegen sich selbfl. Übergewissenhaft hat er alles vernichtet, was späterer
Prüfung nicht flandzuhalten schien. So kam es nur zu eincm verhältnismäßig
wenig umfangreichcn Lebenswerk. Die ganze lyrische Ausbeute umfaßt das
fchmale Bändchen „D i e drei Engel" und einige, zum Teil fragmentarifch
gebliebene, zc> Gedichte. Bei der Lyrik isl am ehesten noch etwas von der
Ilnkraft, Lebensdünne und Lebensferne des Äslhetizismus zu spüren, von der
Überformung des Gehalts durch eine bewcgliche, sorgfältige, fertige, aber
nichk erfüllte „Kunsl". Ilrteile jedoch der Leser an der dargebotenen Auswahl
selbst! Trotz dcs Einwands, der ja nur beschränkt gelken darf, wird er sich
belohnt finden, wenn er sich damit nicht begnügk, sondern nach dem Ganzen
greift. Unnötig zu versichern, daß er keine Kriegsgedichte (seligen 2ln-
gedenkens!) finden wird, kein Aufbegehren über die Gewalt dcr Ereignisse,
kein Pathos der Trennnng und Berbannung, so ernsl das alles auch emp-
funden ifl. Dagcgen wird er von Kreis zu Kreis, von Ning zu Ning die Be-
freiung der vox ünmsna miterleben, das Wachstum der Liebes- und Dichker-
kraft nach außen, ins Weite, Offene, und das Wachstum nach innen, ins
Wahrhaftigere, Wesenklicherc und Innigere. Er begleitek den Dichker durch
seine fchwerßen Iahre (1914 bis 1922) und hat im engslen Bereich, in der
Herzkammer das Ganze dieses Lebens und seiner währenden Berwirklichnng.
Was Heiseler an epischer Prosa hinterlassen — eö sind leider nur zwei
vollendeke Stücke —, zeigt ihn auf der vollen Höhe seines Schasfens. „D e r
Begleiker" (1916) ifl eins jener seltenen Schriftwerke, die dem slrengen
Begriff der Novclle, deren größter deutschcr Meisler Kleisl gewesen isl, ge-
nügen wie dem slrengen Begriff dichterisch gebundencr Prosa übcrhaupt. Wie
in der älteslcn und klassischen Nvvclle isl es eine „seltsame, unerhörte Begeben-
heit", um die alles gehk. Und das Thema ist hier wie dort auf die denkbar
syarsamste, bündigste Weise behandell. Überdies decken sich hier Form und
Znhalt auf das genauesle, es isl kein Wort zu viel und keines zu wenig,
keines beliebig zu ersetzen oder zu verschieben, überall slehk der „richtige", d. h.
der genauesle, schlichtesle und der Sache mächtigsle Ausdruck. Es gibt nicht
viele Erzählungen, die so hinreißend vorgckragen, so auf deu letzten Ausdruck
gebracht sind, wie dieses kleine Meiflerwerk.
„Der Begleiker" und „Wawas Ende" (1926 nach der Rückkehr aus Ruß-
land entslanden) sind in gewissem Sinne Gegenslücke. Dort die Begegnung
eines Mcnschen niit dem Dämonisch-Göttlichen, dem er unrektbar erliegt,
hier der Zusammensloß mik dem Dämonisch-Teuflischen, dem der Held inner-
lich überlegen bleibt. Beidemal isl es also das „Ganz-Andere", cinmal nach
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antwortung und Pslicht auch in der unerkräglichslen, verzweifeltsten Zwangs-
lage. Und das ist das Einzigartige an Leislung, Begabnng oder — meinet-
wegen — Glück: sich die innere Unabhängigkeit von niemand nnd nichts
antaslen zu lassen, um den letzten Sinn von Bescheidenheit zu wissen, der
Gerechtigkeit und des Menschlichen in kcinem Falle zu vergessen, und schlicßlich:
sich aus allen llntergängm und Weltgerichten das „freie Lächeln nnd
den freien Gang" zn retken.
*
Diese reiche, gefchmeidige, glückliche Natur besaß von Anfang an die größke
Strenge gegen sich selbfl. Übergewissenhaft hat er alles vernichtet, was späterer
Prüfung nicht flandzuhalten schien. So kam es nur zu eincm verhältnismäßig
wenig umfangreichcn Lebenswerk. Die ganze lyrische Ausbeute umfaßt das
fchmale Bändchen „D i e drei Engel" und einige, zum Teil fragmentarifch
gebliebene, zc> Gedichte. Bei der Lyrik isl am ehesten noch etwas von der
Ilnkraft, Lebensdünne und Lebensferne des Äslhetizismus zu spüren, von der
Überformung des Gehalts durch eine bewcgliche, sorgfältige, fertige, aber
nichk erfüllte „Kunsl". Ilrteile jedoch der Leser an der dargebotenen Auswahl
selbst! Trotz dcs Einwands, der ja nur beschränkt gelken darf, wird er sich
belohnt finden, wenn er sich damit nicht begnügk, sondern nach dem Ganzen
greift. Unnötig zu versichern, daß er keine Kriegsgedichte (seligen 2ln-
gedenkens!) finden wird, kein Aufbegehren über die Gewalt dcr Ereignisse,
kein Pathos der Trennnng und Berbannung, so ernsl das alles auch emp-
funden ifl. Dagcgen wird er von Kreis zu Kreis, von Ning zu Ning die Be-
freiung der vox ünmsna miterleben, das Wachstum der Liebes- und Dichker-
kraft nach außen, ins Weite, Offene, und das Wachstum nach innen, ins
Wahrhaftigere, Wesenklicherc und Innigere. Er begleitek den Dichker durch
seine fchwerßen Iahre (1914 bis 1922) und hat im engslen Bereich, in der
Herzkammer das Ganze dieses Lebens und seiner währenden Berwirklichnng.
Was Heiseler an epischer Prosa hinterlassen — eö sind leider nur zwei
vollendeke Stücke —, zeigt ihn auf der vollen Höhe seines Schasfens. „D e r
Begleiker" (1916) ifl eins jener seltenen Schriftwerke, die dem slrengen
Begriff der Novclle, deren größter deutschcr Meisler Kleisl gewesen isl, ge-
nügen wie dem slrengen Begriff dichterisch gebundencr Prosa übcrhaupt. Wie
in der älteslcn und klassischen Nvvclle isl es eine „seltsame, unerhörte Begeben-
heit", um die alles gehk. Und das Thema ist hier wie dort auf die denkbar
syarsamste, bündigste Weise behandell. Überdies decken sich hier Form und
Znhalt auf das genauesle, es isl kein Wort zu viel und keines zu wenig,
keines beliebig zu ersetzen oder zu verschieben, überall slehk der „richtige", d. h.
der genauesle, schlichtesle und der Sache mächtigsle Ausdruck. Es gibt nicht
viele Erzählungen, die so hinreißend vorgckragen, so auf deu letzten Ausdruck
gebracht sind, wie dieses kleine Meiflerwerk.
„Der Begleiker" und „Wawas Ende" (1926 nach der Rückkehr aus Ruß-
land entslanden) sind in gewissem Sinne Gegenslücke. Dort die Begegnung
eines Mcnschen niit dem Dämonisch-Göttlichen, dem er unrektbar erliegt,
hier der Zusammensloß mik dem Dämonisch-Teuflischen, dem der Held inner-
lich überlegen bleibt. Beidemal isl es also das „Ganz-Andere", cinmal nach
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