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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 7 (Aprilheft 1930)
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Unus, Walther: Die Lage der bildenden Kunst: Anmerkungen über unser Kunstausstellungswesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0078

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Gefühl, ohne oder mik litcrarischem oder senümentalem Bei'geschmack, dem
die Iungen (mit Rechk) mißkrauen, der aber, heuke so wenig wie je, aus den
wcchren Inhalk des Kunskwerks enkscheidend einwirkk.

Es bleibk das Ewigmenschliche, die Würde des einzelnen und des Bolkes und
des organischen Lebens in und um uns, die sür uns Miktel uud Wege sind,
eiuem Kern näherzukommen, um den wir uns innerlich bewegen und der uns
anziehk, der uns seinen Inhalk ossenbaren wird. Ersk weun das wieder ge-
sühlkwird, können stakk dcrwiderlichen Lusk, möglichst viel zu zertrampeln, Muk
und UnabhängigkeiLsgesühl so stark werden, daß die Künstler es wagen, sich
zu ogfern. Ohne dies gehk cs nie ab, und es wird vorläusig deshalb besonders
jchmerzlich sein, weil jeder Schassende noch lange nük einer unglaublich ver-
bissenen Kritik zu kun bckommcn wird, die ihn für dieselbe Tak von rechts
als Liberkin, von links als Reaktionär zu brandmarken suchen wird.

Leider hak sich ja unsere Hossnung auf die Gesundung der Archikekkur nichk
ganz erfüllk. Ein Blick aus die Bauken von 1880 im Vergleich zu 1920
zeigk uns, daß es Deukschlands Schicksal ist, von cinem Exkrem ins andere
zu sallen. Es ist keine Frage, daß das Schicksal der Baukunst auf die Ma-
lerei von starkem Einsluß sein wird. Aber wie vor cinem halben Jahr-
hunderk alle von einer lächerlichen Schmucksuchk ergrissen wurden, so nehmcn
heute die purikanischen Baukünstler überhand, die Flachdach und den mik
Bauchbinden umgürkeken Baukloh als alleiuseligmachendes Dogma ansehen.
Die Sehnsuchk, sich zu versklaven, ist leider nichk auf das golikische Leben be-
schränkk, sie blendek die Augen nichk nur, wenn sie als Leidenschafk aufkritt,
sondern sie wükck auch in den milderen, aber nichk minder schädlichen Formen
der Gewohnheik, der Rkachahmerei, der Mode und des Solidarikäksgesühls
am falschen Plahe. Aber gerade da bei uns das Siedlungswesen ganz übcr-
raschend gesnnd und großarkig sich enkfaltck hak Lroh aller äußeren Nok, so
ist der Beweis erbrachk, daß klcine Basen noch entwicklungsfähig geblicben
sind, deren künstlerische Eigenschafken nichk unkerschähk werden sollcn. Solche
llnkernehmen verkünden die Hoffnung, daß wieder cine Ahnung von der
Akmosphäre eines gemeinsamen Lebens hcraufdämmerk, ohne die Kunst nichk
akmen kann, unbeschwerk von den Fesseln, in die die Jugend ihren Fdealismus
vorzeikig einfangen läßk. Es muß abcr unbcdingk der Mann und der Augcnblick
kommen, da es klar wird, daß Kuust auf Freiheik beruhk. Keiuer von uns
kann prophezeien, aus welchen Lagern die Schöpfer unserer Zukunft hervor-
gehen und von welcher Ark und aus welchem Lager sie die Waffeu ihrer
Kunst sich holcn werden. Sie werden vieles selbst kun, sie werden beinahe
wieder von vorn ansangen müssen, denn wir haben keine Konsuln mehr. llnd
eines wird nokwendig sein: die Erlösung aus dem Zustand hoffnungsloser Ver-
zweiflung und völliger Welkverfeindung, die der Grundkon unserer heukigen
Kunst iff.

Nächk einen Augenblick dürfen wir darüber klagen, daß ein großer Aufwand
au Talenk nuhlos verkau worden ist. Manche Zeikläufke der Vergangenheik
haben es hierin nichk besser gehabk. Der Irrkum war der alke oricntalische
Wahn, Formen aus dem Nichks hervorzaubern zu können. Er ist zerronnen.
Die Welk, die Nakur ist nichk zu verdammen, weil sie zu jämmerlich und
brüchig ist, sic muß gezwungcn werden, uns zu unserm Ideal zu helfen. Der

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