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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 9 (Juniheft 1930)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0244

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dieses Kollektivs nun die Schuld an dem
entstandenen Mannskrlpk zuznschreiben ist,
kann nicht ermlttelt werden; was übrigens
ein sehr angenehmes Nebenergebnis sür
alle Beteiligteu ist. Nur Heinrich Mann
bleibt auf jeden Fall schuldig, daß er diese
Entnervung, diesc Abtötung seines No-
manes duldete. Gehässigste persönliche
Derunglimpsungen durch die Presse Hu-
genbergs, des HauptbesitzerS der Usa, blie-
hen lhm bei der Premiere seines versilm-
ten Nomanes gleichwohl nicht erspart.
Man sollte sich eben, auch sür noch so
viel Geld, nicht in svlche Gesellschast be-
geben. Auch bei Carl Zuckmayer, der
einige gute Couplets beisteuerte, muß man
das bedauern.

Jm Roman Heinrich MannS ist der Pro-
sessor Unrat ein von Grund auf böser
Mensch, ein Schultyrann, ein Heuchler,
über den das Gericht des Lebens kommt.
Solches dars in einem Filme der Usa
nicht sein; ein Held und Gymnasiallehrer,
und gar noch, wenn Jannings ihn dar-
stellt, muß doch beim Publikum „Sym-
pathien" erwecken: er sei ein bißchen ty-
rannisch, aber doch auch gutmütig; er sei
pfllchtgetreu, wenn auch ein Schwächling,
und wenn cr schon sentlmental und verlo-
gen ist, so habe er doch auch wieder krast-
volle Augenblicke. Die Geschäftsleute und
ihre Angestellten, die Dichter, haben sicher
geglaubt, aus diese Weise Emil Jannings
eine wunderbare Rolle für alle seine Spe-
zialitäten zusammengemixt zu haben; sie
haben ihn um jede Wirkung gebracht. Die
Wirkung nämlich geht immer von einer
Gestalt und nie von ei'nem Aggregate aus.
Das Ubergewicht, das seine Gegenspie-
lerin, Marlene Dietrich, in diesem Film
besitzt, rührt vor allem einmal daher, daß
eö ihr — bis aus geringe Abbiegungen —
vergönnt ist, ein Mensch, wenn auch kein
guter, zu sein. Und ein besonders glückli-
cher Zufall hat sie nicht nur mit dem Kör-
per für dcn Film und für die Rolle der
Verderberin begabt, sondern auch mit
einer dunklen Stimme für den Tonsilm,
wie eine solche noch nie vernommen
wurde. Spiel und Gesang der Chanso-
nette stcigern sich bis zu jenen zwei Mi-
nuten am Schluß, wo sie noch einmal
in ihrer unheimlichen, lässigen Art mit öer
kalten, gleichgültigen, ausreizenden Stim-
me den Schlager des Abends singt: eine
Großaufnahme, die eine Vision von Si-
renen und Gorgonen ist.

Auch sonst hat Joses von Sternberg, der

2c>4

Regisseur, mancherlei neue Wirkungen
entdeckt und viele Ergebnissc des stum-
men Filmes herübergerettet. Wie sich der
Prosessor in den Garderoben des Ti'ngel-
tangels verirrt und verwirrt, ist wieder
filmisch gestaltet, ebenso sein letzter, vom
Lichtkreis einer Taschenlampe begleitcter
Gang. Tonmotive: das Glockenspiel vom
Kirchturm, die Schlager des Varietes, die
Hühncrimitation sind in bedeutsamer Wie-
derkehr variiert; die Stille wird des öste-
rcn als ausgezeichneter Kontrast verwen-
det, nur sollten die durch rine ossene Türe
dringenden Geräusche bei deren Schlie-
ßung mehr abslauen als abbrechen. Lei-
der sind die Kindereien der Frühzcit des
Tonsilmes immer noch nicht ganz auf-
gegeben: jede Türe klappt vernehmlich
und falsch dazu; jeder Schuh muß wie
ein Holzpantossel trappeln und die Jllu-
sion zerstören. Es wäre an der Zeit, mit
diesemUnfug endlich ganz auszuhören. Wir
sind auch ohne sechs Beweise in derMi-
nute überzeugt, daß der Tonsilm bald die
letzten noch unrichtig klingenden Geräusche
tadellos nachahmen wird; daß sreilich der
Tonsilm eine Kunst werden wird, davon
sind wir, solange er sich in den Händen
der Geschästsleute befindet, auch nach die-
sem„DerBlaue Engel" betitelten Filme
nichts weniger als überzeugt.

WolfgangPetzet

N^otiz

achwörterbuch derDcutsch-
^—ck unde, unter Förderung durch dic
Deutsche Akademie herauSgegebcn von
Hofstaetter und Peters (Teubner). —
Mit 600 Seiten in Lexikonformat er-
scheint der erste Band eines Werkes, daö
dem Lehrcr der Dolksschule wie dcr höhe-
ren Schule ein Hilfsmittel im Dienst der
Deutschkunde sein will. Der Stoss
ist an iZ Fachberater, meist Hochschulleh-
rer, verteilt worden; an dem ersten
Bande haben i/jg Dozenten, Schulmän-
ner und Gelohrte mitgearbeitet. Die Ab-
sicht deS UnternehmenS wird wohl am
schnellsten deutlich, wenn ich einige Ar-
tikel des ersten Buchstabens nenne:Abend-
land, Ablaut, Abstrakte Kunst, Adel,
Agrarversassung, Akzent, Aleyandcrdich-
tung, Allegorie, Allmende, Almanach, Al-
pen, Altdorser, Altsprachlicher Unterricht,
Amerika (deutscher Einfluß in A.; ameri-
kanischer bei uns), Andachtsbild, Anschau-
ungSunterricht, Antike (z8 Spaltcn), Ar-
 
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