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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 12 (Septemberheft 1930)
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geistlg-sinnlicher Macht bedingnngsloö un-
tertvlrft, nnt einer Jntensität der Hin-
gabe, roelche die Schranken ztoischen der
Welt des SchelnS und des Seins aufhebt.
Di'ese barocke Fähigkeit, sich von der
Jllusion ebenso, ja vielleicht noch stärker
als von der Realität beherrschen zu lassen,
macht dle Wiener zu einem idealen The-
aterpublikum. Dem gegenüber steht —
ein Hemmschuh für die Entwicklung —
eine Traditionsseligkeit, die, sich selbst
überlassen, nur zu gern in Trägheit ent-
artet. Daher wird es immer öie Auf-
gabe eines Theaterleiters in Wien sein,
eines Burgtheaterlciters vor allem, den
Wiener aus seiner traditionsseligen Dräg-
heit aufzurütteln und dabei doch wieder-
um ein gewisseö Maß an Pietät für die
Tradition einzuhalten. WillenSnawren
mit Fingerspitzengefühl braucht das Wie-
ner Burgtheater zu seiner Leitung. Man
hat solche unter den Dsterreichern und un-
ter den Nichtösterreichern gefunden. Laube
und Dingelstedt kamcn von „draußen",
Schreyvogel und Burkhard waren echte
Dsterreicher. Es überwog freilich immer
die Neigung, die Burgtheaterdirektoren
aus Deutschland zu beziehen, was sich
nicht mit dem größeren deutschen Reser-
voir allein erklären läßt, sondern seinen
Hauptgrund in dem geringen österreichi-
schen Selbstvertrauen hat, das sich oft bis
zum Mißtrauen gegen die eigenen Lands-
leute steigert. Man hat den Dsterreichcr
Alfred von Berger seine besten Kräfte
im Neiche verbrauchen lassen und ihn erst
als alten müden Mann ans Burgtheater
geholt, man hat Reinhardt nach Berlin
ziehen lassen und dafür den Berliner
Brahmschüler Paul Schlenther herbeige-
rufen; und daß Burkhard das Burgthea-
ter in die Hände bekam, verdankt er nur
einem echt österreichischen Mißverständ-
nis. (Die ergötzliche Geschichte seiner Er-
nennung lese man in Hermann Bahrs
Burkhard-Monographie nach.)

Die Situation, die Burkhard vorfand,
als er das Burgtheater übernahm, ist
der, die Wildgans bei seinem Amtsantritt
vorfindet, nicht unähnlich. Damals wie
heute litt daö Burgtheater an Sympto-
men epigonaler Berkalkung, wozu
Staats- und Hoftheater anscheinend stär-
ker neigen als Privatbühnen; damals wie
heute sah sich Wien von Berlin auf dem
Gebiet des Theaters überflügelt. Wäh-

rend in den achtziger Jahren in Berlin
„auf den heilsamen Mistbeeten des Na-
turalismus" daö erste moderne deutsche
Theater entstand, hat Berlin in unseren
Tagen mit dem politischen Zeittheater
neue Wcge der Bühnenkunst einge-
schlagen.

Burkhard handelte sehr richtig, als er
daö Berliner Vorbild nicht unbesehen
übernahm, sondern den Geist der Mo-
derne, den er draußen spürte, auf an-
dere, vom NaturaliömuS weitab liegende
Aufgaben befruchtend einwirken ließ.
Statt Werke von Strindberg, Haupt-
mann, Holz brachte er Schillers Don
Carlos auf die Bühne, einen Don Carlos
freilich, der nicht dem RequisitenfunduS
deS k. u. k. Hoftheaters entstammte, son-
dern einem NeuerlebniS der Dichtung.
Damit inaugurierte er eine Wiener Ent-
wicklung der modernen Bühnenkunst, die
später in Gustav Mahlers unvergeßlicher
Tristanausführung glorreich gipfelte.

Das Beispiel Burkhards sollte Anton
WildganS zu denken geben. Denn die
Aufgabe, sich auf den überzeitlichen Cha-
rakter des Theaters — als Spielraum
ewiger LebenSmächte — zu besinnen, ist
aktuell wie eh und je, und der Theater-
stadt Wien angemessener als jedem ande-
ren deutschen Kulturzentrum.

Leopold Zahn

Nandbemerkungen zum Ulm

<^>ie Komplizierung der Maschinerie er-
--Wlschwert den Weg zum Kunstwerk in
doppelter Hinsicht: es gilt, die Ma-
schine zu meistern und — ihre Besitzer.
Das erste ist noch leichter als das zweite.
— Die deutschen Tonfilmpatente befinden
sich in den Händen der Tobis A.-G. und
der Klangfilm G. m. b. H. Tobis be-
sitzt das Monopol für Aufnahmcappa-
rate, Klangfilm für Wiedergabeapparate.
Die Preise für Benützung der Aufnahme-
apparatur schwanken zwischen 20 000 und
Ao 000 Mark für einen Film, wozu noch
prozentuale Beteiligung am Verleih
kommt; die Preise für Benützung der auf
zehn Jcchre gemieteten Wiedergabeappa-
ratur schwanken zwischen 20 und 60 voo
Mark, die im ersten Jahr gezahlt werden
müssen; hiezu kommt noch eine wöchent-
liche „llberwachungSgebühr". Nimmt man
an, daß die deutschen Lichtspieltheater
zooo Apparate umfassen, so fließt allein
aus diesen „llberwachungögebühren" der

choi
 
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