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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 12 (Septemberheft 1930)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0469

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steriums in den AufsichtSrat der „Terra"
emgetreten, deren Aktienmehrheit sich jetzt
in den Händen Max Reinhardts
befindet. Die neu finanzierte und neu or-
ganisierte Gesellfchaft bezeichnet (nach
einer Mitteilung der Frankfurter Zei-
tung) als Ziel ihrer Proöuktion die Her-
stellung von Opernfilmen und Film-
opern, bei dcnen Reinhardt als führen-
der Regisseur mitwirkt und der Staat den
gesamten technifchen und künstlerifchen
Apparat der Berliner Staatsoper zur
Verfügung stellt. So will man den 10-
Millionen-Etat der preußischen Staats-
theater entlasten, durch Zusatzverträge mit
den ausführenden Künftlern die finanziel-
len Ansprüche auch der prominentesten
befriedigen und zugleich den musikalischen
Tonfilm auf einer einheitlichen und ge-
sicherten Höhe halten. Zugleich will man
für die zahlreichen kleinen, zum Unter-
gang verurteilten Provinzopern einen
technischen Ersatz schaffen, während noch
lebensfähige Opernbühnen zwischendurch
Opernfilme in ihren Spielplan aufneh-
men könnten und so durch günstige, ihnen
ein Monopol gewährende Bedingungen
ihre Existenz gesichert erhielten.

Der ganze Plan läßt an Großzügigkeit
nichts zu wünschen übrig. Seine Voraus-
setzung aber ist, daß nicht nur die tech-
nische, sondern auch die künstlerische Mög-
lichkeit besteht, für die Bühne angelegte
Opern zu verfilmen. An die bloße Pho-
tographie eincr Theatervorstellung wird
niemand denken. Solch schemenhafte Re-
produktion der Welt dcs Scheins würde
jede Antcilnahme töten. Mindestens durch
den Wechsel von Gesamtaufnahme in ver-
schiedenen Perspektiven, Nah- und Groß-
aufnahme müßte man der Form des
Films entsprechen. Dann aber würde
man minutenlang den sich öffnenden und
schließenden Mund eines Tenors vor sich
sehen; und, würde dieser unfreiwillig ko-
mische Anblick verkürzt, so müßte gleich-
zeitig ein Stück der Melodie in Wegfall
kommen. Gewiß, es ließen sich für viele
dieser, hier nur grob und flüchtig ange-
deuteten Schwierigkeiten Lösungen finden,
und die Namen Reinhardt und Tietjen
bürgen hoffentlich, daß wir vor dem
Schlimmsten bewahrt bleiben; unS schau-
dcrt nicht s o sehr, wie bei der Nachricht,
daß man in Hollywood die Verfilmung
sämtlicher Werkc Richard Wagners
plant. Aber unsere Zuversicht wird gleich-
wohl nur sehr gering sein können. Nicht

die verfilmte Oper, nicht der Opernfilm,
kann die Erfüllung sein, sondern die für
den Film komponierte Oper, die Film-
oper. Aber ihre Entstehung braucht ein
wenig Zeit, und Technik und Geschäft
haben keine.

Auch von privater Seite wird der Versuch
unternommen, der geschäftlich bestimmten
Produktion cntgegenzuwirken. Überall in
West- und Mitteleuropa schließen sich am
Film schaffende Künstler, Filmschriftstel-
ler und alle, die gute Filme sehen wollen,
zu „Ligen für unabhängigen
F i I m" zusammen. Die Ortsgruppen
ffehen mit ihrer LandeSgruppe und diese
mit der internationalen Genfer Zentrale
in Verbindung. Auf diesem Wege soll ein
Derleih von wertvollen und interessanten
Filmen organisiert werden, die aus ge-
fchäftlichen oder politifchen Gründen in
einzelnen Städten oder überhaupt nicht
zu sehen sind, nun aber von den Ligen
ihren Mitgliedern wenigstens in gefchlos-
sener Vorstellung gezeigt werden könnten.
Ziel ist, auf diese Weise auch die Mittel
zur eigenen unabhängigen Produktion zu
erhalten. Die Bewegung ist noch im An-
fang, könnte aber Bedeutung erlangen.

-i-

Die Abneigung gegen den lcbenfälschen-
den Geschäftsfilm wird immer allgemei-
ner. Vor kurzem bat die Ufa den Allge-
meinen Studentenausschuß in Heidelberg,
sie bei der Anwerbung von studentischen
Komparsen für den neuen Film „E i n
Burschenlied aus Heidelberg"
zu unterstützen. Sie erhielt folgeude Ant-
wort: „... Der größte Teil der Studen-
tenschaft lehnt es ab, in einem Film mit-
zuwirken, der den Studenten nicht so dar-
stellt, wie er in Wirklichkeit ist. Der
wahre Typus des Studenten ist nicht
mehr der, wie er beim Essen, Trinken
und Lieben gezeigt wird, sondern der, der
in harter Arbeit sein Studium verdienen
muß. Würde ein Film gedreht, der Werk-
studenten zeigt, würden wir Jhnen ohnc
weiteres zur Verfügung stehen. Da der
geplante Film die Gewähr hierfür nicht
zu bieten scheint, sind wir leider gezwun-
gen, unS der Meinung deg größten Teiles
der Studenten anzuschließen ..." Dieser
erfreuliche Befcheid läßt an Klarheit wohl
nichts zu wünfchen ubrig. Nur Herr Ku-
barth, Regisseur der Ufa, ganz in Fil-
men lebend und in Filmkategorien den-

^oZ
 
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