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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1893)
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Sandvoß, Franz: Dramatik und Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0043

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3. Ibekt.

Lrscbetnt

Derausgeber:

zferdtnand NvenarLus.

LcstcNpreis:
vierteljährlich 21/2 lNark.

7. Zabrg.

Druinatik und Tbeater.

a es dem „Kunstwart" nichts verschlägst zu so
mancher von ihm vorgetragenen Ketzerei noch
die eine oder andere zu fügen, so schenke er
auch einmal dem Anwalt einer nicht unerheb-
j lichen Klasse deutscher Dichter das Wort, die zu anderen
Martyrien noch das unverschuldete der Mißachtung der
eigenen Kunstverwandten zu tragen haben, der sogenannten
Buch- oder Lesedramendichter. Die Beranlassnng zu den
solgenden Bemerkungen giebt mir die im ersten Stücke des
neuen Jahrgangs gegebene Besprechung des Henri Gartel-
mannischen Buches über Dramatik von Leonhard Lier.
Jch bin daranf gefaßt, aus dem Kreise der Leser der
Äußerung zu begegnen: „der Mann scheint trübe Erfahr-
ungen mit dem Theater gemacht zu haben. Die Trauben
haben ihm ofsenbar zu hoch gehangen". Das ficht mich
nicht an, denn ich könnte fragen: und wäre es sogar, wer
hat sie denn nicht gemacht? Notabene, von den Lindau,
Blumenthal und Kadelburg, auch von Herrn von Wilden-
bruch, soll nicht die Rede sein. Aber ich versichere zum
Übersluß, daß ich nichts von mir in die Erörterung hinein-
tragen werde, daß ich möglichst sachlich, obsektiv wie man
es verlangt, über das Wohl nnd Wehe einer Dichtungs-
gattnng sprechen will (in aphoristischer, bloß andeutender
Form zwar, weil ich sonst einen trnctntu8 schreiben müßte),
die in andern Zeiten wohl als der Gradmesser ästhetischer
Kultur betrachtet ward.

Der Berfasser des besprochenen Buches sowohl, soweit
ich aus dcn angeführten Sätzen urteilen kann, wie der
Herr Unterzeichner des kleinen Anfsatzes stehen auf dem
wohl ziemlich allgemein von der hentigen Kritik einge-
nommenen Standpunkte, den der gemeine Mann auch nur

kennt, wenn er sür Drama „Theaterstück" sagt. Es liegt
mir daran, diesen einfachen und zunächst plausiblen Stand-
pnnkt, den doch Gartelmann noch gar nicht so einseitig
geltend macht, wie Lier es wünscht (denn er muß sich den
korrigirenden Einschub: „aus der Bühne" in seine
Definition gefallen lassen), es liegt mir daran, diesen als
verkehrt, als schädlich, nämlich als ein Hemmnis unserer
literarischen Prodnktion zu erweisen. Ja auch dann noch
bliebe er ein Hemmnis, eine Rückbildnng im besten Falle,
wenn nnsere sast unheilbar verrotteten Theaterzustände,
etwa durch Wagnersche Energien, dahin könnten reformirt
werden, daß der dramatische Dichter zugleich der Didas-
kalos, der Direktor und Regisseur seines Stückes würde.
Es ist leicht einzusehen, daß das Geschäftliche und vor-
wiegend Mechanische den Dichter in kürzester Zeit zersasern
und enthirnen müßte.

„Das Epos", sagt Gartelmann, „ist ein Buch, das
Drama ist ein für die Aufführung auf dem Theater be-
stimmtes Werk". Also Buch und Werk — doch legen wir auf
diese stilistische, bloß scheinbare Gegensätzlichkeit kein Gewicht.
Wir wissen, was es besagen soll, besonders nachdem Lier
die Worte „auf dem Theater" an einer späteren Stelle
als Wesentliches wieder hineingebracht hat.

Jch frage, was heißt das: das Epos ist ein Buch,
das Drama ein op>u8 tllenti'icuim? Es soll doch wohl
das, sei es laute, sei es taubstumme Lesen des „Buches"
dem persönlichen Agiren oder Mimen des „Werkes"
entgegengestellt werden, und dieses steht höher als senes,
weil, ja warum denn? weil es unmittelbarer wirkend,
realistischer, sinnfälliger sei. Ob darin, in der bloßen
Forderung solcher äußerlichen Sinnfälligkeit, nicht schon

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