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Darum ist sie eiusaui geblieben. Sie ist kaum be-
achtet worden; sie war für die Kritik, für die Kuustkenner-
schaft und darum auch für das Publikum kaum vorhanden.
Einzelne Stimmen, die aus sie hinwiesen aus deni er-
fahrenen tieferen Eindruck heraus, verstummten bald wieder,
weil sie einzeln blieben und einzeln nicht bleiben wollten;
und also fand sich W. Steinhausen je länger je mehr mit
seiner Kunst mitten in nnsrer Alles aufspürenden, besprechen-
den, auf Entdeckung verborgener Größen ausgehenden Zeit
einem beharrlichen Schweigen gegenüber, das nur etwa,
in langen ZwischenrLumen, eine gedrnckte Bosheit unter-
brach.
llnd so mag Mancher über die Ausstellung Stein-
hausenscher Bilder, die jetzt in Dresden stattsindet, ver-
wundert sein, zumal wenn er selber hingeht und die Menge
und Mannigfaltigkeit der dort versammelten Werke sieht.
Wenigstens das beweist sie ihm, daß der Künstler auf seinem
Wege, so einsam er war, uicht still gestanden, noch weniger
umgekehrt ist, sondern dem Ziele die Trcue bewahrt hat,
dem sein Genius entgegendrängte. Und so wird schon
die erste Umschau unter seinen Werken den Eindruck her-
vorbringen, daß hier eine stark ausgeprägte künstlerische
Eigentümlichkeit uns entgegentritt, deren Blick zwar dnrch-
aus ins Weite geht, die aber die Welt der Erscheinungen
überall nur aus ihre Weise sieht und frei und kühn genug
ist, in allem was sie sagt die eigne Jnnerlichkeit ein derbes
Wort mitsprechen zu lassen. Jst aber das Jndividuelle
ein recht eigentlicher Zug deutscher Kunst, so darf Stein-
hausens Kunst gewiß für echt deutsch gelten. Dürfte sie
das aber, wenn sie nicht eine so einsame geblieben wäre?
Wird sie es noch ferner bleiben? Nach manchem An-
zeichen ist auch für sie die Stunde gekommen, daß sie der
empfänglichen Gemeinschaft das sei und werde, was sie
durch ihre Kraft und Würde ihr sein und werden
kann und soll. Man hat in letzter Zeit mehrfach ange-
sangen, aus den Künstler ausmerksam zu werden, und es
scheint: sein Wirken bleibt nicht mehr unbemerkt, seine
Kunst nicht länger ungefragt. Die vom Dresdner Kunst-
verein veranstaltete Ausstellung beweist es, und die dort
vereinigten Werke W. Steinhausens geben dem Beschauer
Gelegenheit zu prüsen, ob wir Recht haben, wenn wir uns
über das Bekannterwerden unsres Künstlers von Herzen
freuen nnd dem Dresdner Kunstverein, der hierzu mithilft,
dies aufrichtig danken.
Nicht einen Führer für diese Ausstellung abzugeben
kann in diesen Zeilen unsre Aufgabe sein, noch fühlen wir
uns zu einer regelrechten Kritik des Dargebotenen berusen;
aber auf das, was die Seele gleichsam der Knnst Stein-
hausens nach unserm Verständnis ansmacht, auf das Herz
seines Strebens nnd seiner Absichten, aus dem sich dann
seine Malweise, seine Darstellungs- und Aussassungsart
erklärt, möchten wir hinweisen. —
Nicht an den mit den Fragen der Zeit Beschäftigten,
nicht an den Unterhaltung oder Augenweide Suchenden,
nicht an den dem Geheimnis künstlerischen Verfahrens
Nachgrübelnden, so sagten wir, wendet sich Steinhausens
Kunst. Zwar sie wendet sich ganz entschieden an uns
Menschen der Gegenwart, sie ist sern davon, von uns
eine Verzauberung zu verlangen in Empfindungsweisen,
die wir uns nur durch Reflexion aus zweiter Hand
vermitteln können; sie hat durchaus nichts antiquarisches,
weder in poetischer noch in religiöser Romantik an sich.
Aber sammeln wir alle Gestaltungen, die uns Steinhansen
bietet, in einen großen Blick: die weiten, großen Land-
schaften, den mitsprechenden Hintergrund sür die Ge-
stalten bildend; dazu Gärten und Blumen, da ein nächt-
licher Himmel, dort Saatfelder, da Architekturen — da
Figuren und Köpfe, in denen das Heilige und Heiligste,
das Menschen erreichen können, mit ihrem Wiederspiel,
sich verkörpert, endlich auch Bildnisse in schlichtester Er-
scheinung, in den vertrauten Raum einer Stube, in Frühlings-
gärten und Sommerlandschaften hineingesetzt: so sinde ich:
diese Kunst ist sür Alle, die mitten in ihren sorgenvollen
oder wegen ihres Glücks Leneideten Geschästen von eincr
stillen, großen Frage begleitet werden und die auch sich
Zeit lassen, auf sie zu horchen: der Frage nach dem, wo
die Seele rasten kann, nach dem Übersinnlichen, Wesen-
haften, Ewigen; die aber darum nicht aus der Welt des
Sichtbaren hinausweist und den Blick von ihr kehren
lehrt, sondern aus den Erscheinungen, weil die Welt Gottes
ist, mit sinnendem Auge liebevoll ruht.
Und darum sind dieser Kunst die Gestalten der heiligen
Schrist und des Evangeliums lieb, ihre Geschichten werden
zu Gleichnissen unsres Lebens, und mit jenen Hilfesuchenden
und Bedürftigen nahen wir uns auch dem Heiligen und
werden mit ihm „gleichzeitig".
Darum ist wohl die Darstellung, die als Karton den
größten Raum der Ausstellung einnimmt, nicht bloß der
Größe, sondern auch der Bedeutung nach der gesammelte
Ausdruck einer Empfindung, wie sie in den einzelnen
kleineren und kleinen Bildern sich bruchstückartig findet.
Das Original dieses Gemäldes ist als Wandmalerei in
einer Stistskirche zu Wernigerode im Auftrage des preu-
ßischen Kültusministeriums ausgeführt: eine Probe von
dem, was Steinhausens Kunst auch im großen und er-
habenen Stil vermag, wenn sie nur aufgerusen wird.
Wir sehen Christus am Kreuz, nicht aber um ihn die
dramatisch bewegt oder logisch aufgesaßte Szene der Kreuzig-
ung selbst dargestellt, sondern zn beiden Seiten erblicken
wir Gestalten der Evangelien, alle zum Heiland auf-
schauend und zu Typen der erlösungsbedürftigen und Er-
lösung suchenden Menschheit verklärt. Ein wie vom über-
sinnlichen Lichte durchglänzter Himmel umspannt die heilig-
rnhige hoheitsvolle Darstellung, in der mit den einfachsten
Mitteln eine wunderbar großartige Wirkung erreicht ist.
Nicht durch geschickte Gruppirung, noch durch Anhäusung
und Zahl der Figuren will dies Bild wirken, noch durch
ihre Bewegungen — die einzelne Gestalt soll nicht in
einer Vielheit andrer aufgehen; sondern sie spricht für sich
allein, aber so für sich, daß sie zugleich die Bedeutung
des allgemein Menschlichen in einer bestimmten Auspräg-
ung habe. Darum hält sich auch das Kostüm, wie auch
sonst bei den religiösen Bildern Steinhausens, an keine
bestimmte Formensprache. Es ist weder das Konventionelle
der Heiligenmalerei unsrer Klassiker, noch das absichtliche
Moderne nnsrer Modernsten. Es soll nirgend aufsallen.
Und sollte dies nicht als Ziel Allen, die solche Gegenstände
malen, vorschweben, wie schwer es anch zu erreichen sein
mag, die heiligen Gestalten aus der Zeit, der sie ange-
hörten, herauszüheben und ihnen doch durch die äußere
Erscheinung so viel Jntimes zu geben, daß sie wie ver-
traute, gesehene Personen vor uns stehen? Darin ossen-
bart sich auch der rechte deutsche Herzenszug in Stein-
hausens Kunst: das Heimatsgefühl, die Liebe zum Kleinen,
Vertrauten, die es mit dem Großen und Größten ver-
knüpft.
Ebenderselbe Zug tritt wie in andern Bildern Stein-
hausens zu einer, wie uns dünkt, währhast vollendeten
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